Seit Tagen schon hatten wir alle auf morgen hingefiebert. Die Kinder, weil sie es kaum erwarten können, bis sie endlich drei Tage mit (Paten)tante, Grossvater, Freunden, Au Pair und was es sonst noch für liebe Menschen auf diesem Planeten gibt, verbringen dürfen, „Meiner“ und ich, weil wir nach bald zehn Jahren mal wieder einen Kurzausflug nach Prag machen dürfen. Prag, das ist die Stadt, die wir am meisten lieben. Die Stadt, die wir wenige Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auf der Maturareise besuchten, die Stadt, die wir ein paar Jahre später auf unserem Interrail-Trip durch Osteuropa kaum mehr wieder erkannten, weil sie so touristisch geworden war, die Stadt, die unser erstes Reiseziel nach Karlssons Geburt war. Und morgen früh wollen wir uns ein viertes Mal auf den Weg machen, diesmal mit dem Ziel, dem Alltag mit all seinen Belastungen, die in letzter Zeit ein Übermass angenommen haben, für ein paar Tage zu entfliehen. Damit das Ganze nicht allzu sehr nach Freizeit aussieht, habe ich dem Kurztrip den Anstrich einer Vor-Ort-Recherche verpasst, denn es gibt da in der Nähe von Prag etwas, was in einer Geschichte, die vielleicht eines Tages werden soll, eine Rolle spielt.
Darauf also haben wir uns alle gefreut und Luise hat mich diese Woche immer und immer wieder gefragt: „Wann geht ihr denn endlich weg? Ich will euch jetzt los sein.“ Fas schon hätte ich mir ihre Bemerkungen zu Herzen genommen und einmal mehr an meinen mütterlichen Qualitäten gezweifelt. Aber weil ich meine Tochter nur zu gut kenne, habe ich der Sache dann doch nicht zu viel Bedeutung beigemessen. Und siehe da, heute Abend beim Gutenachtsagen kamen die Tränen. Erstaunlicherweise war der FeuerwehrRitterRömerPirat der Erste, der still und leise in seinen Riesenteddy schluchzte, aber bald stimmte auch Luise ein und Karlsson sass mit besorgtem Gesichtsausdruck still daneben. Der Zoowärter begriff zwar noch nicht so ganz, weshalb alle so traurig waren, aber wo die Stimmung schon so gedrückt war, konnte er ja auch gleich nach seinem winzigen Plastikkönig schreien, den er heute aus dem Dreikönigskuchen gefischt hatte. Einzig das Prinzchen blieb gelassen und mahnte die anderen, sie müssten doch nicht so traurig sein. Auch „Meiner“ und ich heulten nicht, aber nur, weil wir nicht wollten, dass der Abschied noch trauriger wird. Ich weiss ja nicht, wie es „Meinem“ dabei erging, aber ich für meinen Teil musste mich ganz gewaltig zusammennehmen, damit ich nicht zum Telefon griff, um die Reise abzusagen.
Ich habe es dann doch nicht getan. Weil ich weiss, dass die Kinder bestens aufgehoben sind. Weil ich weiss, dass „Meiner“ und ich mal wieder eine Auszeit brauchen. Weil ich weiss, dass Prag mich erneut in seinen Bann ziehen wird, auch wenn es bestimmt wieder ganz anders sein wird als beim letzen Mal.