Tag 7 – 19.07.2011
Wir haben gestern unter anderem auch eine halbe Papaja gekauft. Meines Wissens habe ich diese Frucht bisher noch nie gegessen. Ich kenne nur den (wohlschmeckenden) Saft. Nun, dabei werde ich es belassen, denn die Frucht selbst ließ meinen Sohn das Gesicht verziehen und ich fand, das schmeckt nach gar nichts – nur knapp unter der Schale gab es Geschmack: einen allerdings sehr unangenehmen nach Benzin.
Da freu ich mich auf die Wassermelone, die noch im Kühlschrank wartet.
Da ich heute nicht hinaus kann – jedenfalls nicht, solange die Sonne so brennt – werde ich heute wieder lesen. Arundhati Roy‘s „Der Gott der kleinen Dinge“ und Shirin Ebadis Autobiographie „Mein Iran“ habe ich bereits verschlungen – beide Bücher kannte ich aber bereits. Nun habe ich eine weitere Biographie vor mir. Die von August Bebel („Aus meinem Leben“), dem Begründer der Sozialdemokratie. Nur gut, dass ich mir die beiden Teile der Biographie sowie weitere Bücher auf das hier ansonsten nicht nutzbare iPhone geladen habe. Wenn ich schon damit nicht telefonieren kann, kann ich wenigstens damit lesen.
Den ganzen Tag über kann ich hier dem Gesang von Kanarien hören. Wunderschön und fast ununterbrochen. Gestern jedoch sah ich die beiden Hähne in ihren Käfigen, die nicht einmal die Fläche von einem A4-Blatt bieten. Die Vögel können nicht fliegen, nur hüpfen in ihren winzigen Käfigen. Das macht den Gesang bitter.
Es ist Mittag. Die Stadt ruht sich aus. Nur einige wütende Hunde kläffen; ansonsten herrscht eine ungewohnte Stille. Aber es ist auch kaum möglich, sich draußen zu bewegen. Wie die Freunde meines Gastgebers sagten: „Mittags sind nur Touristen und Idioten draußen.“ Gestern sahen wir eines dieser Thermometer, die elektronisch die Zeit und die Temperatur anzeigen. Es zeigte 32 Grad. Das ist nicht einmal viel (gegen die über 40 Grad, die ich vor 2 Jahren in Griechenland erlebte) und die leichte Brise vom Meer kühlt ein wenig. Aber wehe, man steht in der Sonne! Sie brennt viel kräftiger als in Deutschland bei gleicher Temperatur. Und da, wo es keine Luftbewegung gibt, wird das Atmen schwer.
Heute Nachmittag sind wir in die alte maurische Stadt auf dem Berg fahren. Ich liebe diese Stadt die da weiß leuchtend den Berg bedeckt wie anderswo Schnee die Gipfel. Es gibt dort Gassen, die nur zu Fuß und über Treppen in engen, kühlen Gassen zu erreichen sind. Überall blüht Bougonville in leuchtenden Farben. Der Ausblick von der oberen Terrasse über das Land entschädigt für die Mühsal des Aufstiegs.
Und es ist nicht nur das überall befindliche Symbol des Indalo-Männchens, das mir diese Stadt so sympathisch macht. Es ist auch das Pflaster, dass teilweise aus der Zeit der maurischen Herrschaft über Andalucia herrührt. Zu denken, dass dort vor 500 Jahren schon Menschen darüber liefen… das zeigt mir, dass ich ein Teil einer menschlichen Gemeinschaft bin, die viele Generationen alt ist. Und es zeigt, wie unbedeutend man selbst ist in diesem Fluss der Zeit.
Das Gleiche ließe sich sicherlich über die alten, deutschen Städte sagen; aber aus irgendeinem Grunde berührt es mich hier mehr als zu Haus.
Als ich vor Jahren in Istanbul war und in der Hagia Sophia einen Trittstein sah, den weiche Sohlen im Laufe der Jahrhunderte geformt haben, ergriff mich ein ähnliches Gefühl. Wie viele Hundertausend Menschen waren nötig, um in einem Granitstein diese Furche zu hinterlassen?
So auch hier die Gassen der Bergstadt. Ich habe das Buch „Indalo“ vor vielen Jahren gelesen; aber die Geschichten sind in meinem Kopf. Und so fällt es mir nicht schwer, die Menschen vor 500 Jahren mit Eseln zu sehen, die sich mit Wasser, Früchten oder Holz bepackt die steilen Gassen empor quälen.
Berlin ist fast 800 Jahre alt – aber keine historische Stadt. Hier jedoch atmet jeder Stein Geschichte.
Tag 8 – 20.07.2011
Seit wir hier angekommen schauen wir immer wieder nach den Feigen. Frische Feigen, direkt vom Baum gepflückt, sind etwas unglaublich Köstliches und in Deutschland nur selten erhältlich. Gestern dann war es soweit: obwohl es noch einige Wochen dauern dürfte, bis die Feigen richtig reifen, fanden wir ein paar, die schon violett waren. Eine davon richtig reif, die anderen leider noch nicht. Glücklicher Weise sind wir ja noch ein paar sonnige Tage hier: vielleicht haben wir das Glück, noch ein paar mehr zu finden (zu pflücken und zu essen).
Heute werden wir wieder Wasser von der Quelle holen und ans Meer fahren. Mein Sohn möchte wieder an den einsamen Strand, an dem ich mir den Sonnenbrand holte, der mir nicht erlaubt, mich draußen aufzuhalten. Ich werde dieses mal vernünftiger sein und selbst im Wasser das T-Shirt anbehalten…
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Selbst der Strand verändert sich. Wir waren wieder, wo wir schon einmal waren. Dort haben wir einen Steinberg errichtet, wo das Wasser an das Ufer schlägt. Heute war davon nichts mehr zu entdecken. Weiter draußen als erwartet fand ich unseren Steinhaufen wieder – das Meer ist entweder zwei Meter weiter ins Land vorgedrungen oder aber unsere Steine haben sich ins Meer bewegt.
Gibt es Ebbe und Flut im Mittelmeer?
Überhaupt war das Meer heute ein anderes: viel verschmutzter (Plastetüten, Flaschen, Holz) und wärmer. Offenbar hat der kleine Sturm gestern, der von Afrika herüberkam, das Meer erwärmt und den Dreck angespült. Aber mit geschlossenen Augen war es wunderbar, das Wasser wärmer als die Luft. Wieder fingen die Berge die Wolken vom Meer her ein und wieder war es nicht knallig sonnig.
Später dann saßen wir auf der Strandpromenade und bestellten Burger. Allerdings bekamen wir so etwas wie eine gebratene Scheibe Wurst mit Pommes. Na ja; ich weiß nicht, ob es an meinen mangelnden Sprachkenntnissen lag oder ob Burger immer so sind. Sei‘s drum: wir wurden satt.
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