Tag 5 – 17.07.2011
Gestern Abend haben wir einige Zeit damit verbracht, einen Briefkasten zu suchen. Und fanden ihn dann in der nächsten Stadt. Ist es wirklich möglich, dass die Post in Spanien wenig Interesse daran hat, die Briefe ihrer Bürger zu verteilen? Oder schreibt man hier weniger (und telefoniert mehr)?
Wir waren in den Bergen an der alten Quelle. Wasser strömt seit Jahrhunderten ununterbrochen aus zwei silbrig glänzenden Rohren in einen steinernen Trog. Geschmückt mit arabischen Schriftzeichen, die auf die lange Geschichte bis in die maurische Zeit hinein verweisen, fließt das Wasser fast unwahrgenommen.
Während ich diese Zeilen schreibe trinke ich einen Kaffee, den ich mit dem Brunnenwasser kochte. Es ist kaum zu glauben, wie anders das Getränk schmeckt, wenn es nicht mit dem extrem chlorhaltigen Leitungswasser zubereitet wird. Dieses scheint auch von anderen Bewohnern der Stadt nur als Brauchwasser genutzt zu werden. Denn gestern sah ich einen großen Tankwagen, der Trinkwasser brachte und bei dem Menschen mit 10-Liter-Plast-Kanistern frisches Wasser für wenige Cent holten.
Insofern sollte man davon ausgehen, dass die Menschen die Quellen zu schätzen wissen. Allerdings ist das Sammelbecken der altehrwürdigen Quelle am Berg zu einer Müllhalde verkommen. Im grünen Schlamm baden Frösche zwischen alten Plastetüten, Bierflaschenscherben und Dingen, von denen ich nicht wissen möchte, was sie einmal waren.
Auf dem Rückweg haben wir uns in eine der alten Bergwerksstollen gewagt. Einige der Berge in der Umgebung haben mehr Löcher als ein Schweizer Käse. Früher wurden hier Silber, Zink, Kupfer und Blei abgebaut. Die Stollen durch – wie meinem Sohn schien – bleistiftdünne Hölzer abgestützt.
Heute wird in der Nähe Gips gewonnen. Ganze Berge und Landschaften werden um und um geschaufelt. Es sieht aus, als würden Kinder im Buddelkasten immer neue Formationen aus Sandbergen bauen. Allerdings sind die Ausmaße riesiger. Jeden Tag legt ein großer Schüttgutfrachter vom Hafen ab und bringt die staubige Ladung übers Meer nach irgendwo. Dieser Staub beherrscht die ganze Stadt. Überall findet er sich: auf den Autos (tolle Idee: schwarzer Autos in Südspanien, die Innenräume kochend wie Backöfen), auf allen Straßen, in der frisch gewaschenen Wäsche auf der Leine, den Tischen, die man täglich abwischen muss und auf denen trotzdem ein schmieriger Film bleibt und zwischen den Zähnen.
Die Landschaft ist zersiedelt. Auf jeder Anhöhe im landesinneren Gebirge steht ein Haus mit Pool. Wasserleitungen aus PE-Rohr und Stromleitungen teilen die Gegend in Gevierte ein. Kaum ist es möglich, ein Foto zu machen von der wirklich grandiosen Landschaft, ohne ein Stück dieses zivilisatorischen „Fortschritts“ mit auf das Bild zu bekommen.
Was das Geld nicht schafft, schaffen die – nennen wir sie: lockeren – Folgen für Verstöße gegen das Baurecht. Überall auch Bauruinen: angefangene Häuser, deren Besitzern das Geld ausging.
Apropos: Verstöße gegen Recht. Wir wurden gestern Zeuge, wie schnell es die „Policia lokal“ schafft, einen im Sperrbereich vor dem Haus parkenden BMW abzuschleppen. Das dauerte keine zehn Minuten: der Abschleppwagen zerrte das Auto aus der engen Parklücke so rabiat, dass der Abrieb der Reifen heute noch sichtbar ist. Interessanterweise hinterließ der Abschleppdienst an der Stelle, an der das Auto stand, einen Zettel auf dem Asphalt. Von hier oben kann ich nur das „Halteverbots-Symbol“ erkennen. (Es scheint, der Besitzer des Wagens weiß noch immer nichts von seinem Glück.)
Das Meer hat sich beruhigt und die Sonne wirft wieder eine ruhige Bahn auf der Oberfläche. Es ist Sonntag, die Glocken der nahen Kirche bimmelten gerad und rufen zur Vormittagsmesse. Es ist noch still und nur die Schwalben kreischen über meinem Kopf.
Tag 6 – 18.07.2011
Aber das wird heute nachgeholt. Sobald die Sonne nicht mehr ganz so senkrecht vom Himmel brennt, werden wir mit dem Auto an einen entfernteren Strand fahren. Wir haben Sonnencreme mit dem höchstmöglichen Schutzfaktor gekauft (und zu einem Preis, der mit eben diesem irgendwie in Abhängigkeit zu stehen scheint), der Akku vom Fotoapparat ist geladen und das Auto vorgeheizt …
Als ich heute früh erwachte, zogen dunkle Regenwolken ins Landesinnere. Es roch nach Regen. Ich hab die Wäsche abgenommen, die ich gestern auf die Leine hängte und erwartete Wolkenbrüche. Inzwischen brennt die Sonne wieder und an die Regenwolken ist keine Erinnerung mehr.
Die Nachbarn radauen herum, Hunde bellen müde und irgendwo da draußen wird gearbeitet: man hört Hämmerklopfen und das Schreien der Möwen (einige von denen klingen, als würden sie permanent lachen; uns auslachen).
***
Etwas mehr als eine Stunde bei bedecktem Himmel und freiem Oberkörper: ich bin wieder rot Nachdem der erste Sonnenrand nur Bräune hinterließ. Wie ärgerlich. Abgesehen davon, dass das nicht sonderlich gesund ist… es ist vor allem die Einschränkung, die mich nervt: die Einschränkung, nicht rausgehen zu können. Denn Schatten zu finden am Strand ist ein vergebliches Mühen.
Und doch war es schön. Wir sind zu einem abgelegenen Strand hinter den Bergen gefahren. Dort sind die Gegensätze dieser Landschaft besonders gravierend. Die Berge und die Steppe gehen nahtlos ins Meer über. Es gibt dort keinen Gürtel, der bewohnt und dadurch bewässert und grün ist. Sondern nur dorniges Gestrüpp auf kochend heißem Sand und Stein, einige wenige verzweifelt blühende Blumen. Dazu das Donnern der Brandung.
Eidechsen auf der einen, Fische auf der anderen Seite. Ein Strand von einer Breite wie ein Handtuch lang ist, Steine, die entweder nass oder heiß sind. Und Wellen, die uns umwarfen und deren Rückfluss uns mitreißen wollten ins Meer. In einiger Entfernung die riesige, nicht fertiggestellte Hotelanlagen an den Hängen eines Berges; da, wo die Serpentinen auf die Ebene treffen.
Nic
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