Si Phan Ndon - Flussarchipel mit üppiger Vegetation
Der Mekong:
Der Mekong ist die Lebensader Südostasiens. Von seinen Quellen im Osten Tibets fließt er durch die chinesische Provinz Yunnan hinab in den Süden. Nachdem er China verlässt, wird er zum Grenzfluss zwischen Myanmar und Laos und erreicht das goldene Dreieck – das Grenzgebiet zwischen Myanmar, Thailand und Laos, das als Opiumanbaugebiet berühmt-berüchtigt geworden ist. Von dort aus vollzieht er eine Schleife durch den Nordwesten von Laos, bevor er erneut zum Grenzfluss zwischen Thailand und Laos wird. Schließlich durchquert er Kambodscha und erreicht schließlich über das Mekong-Delta im Süden Vietnams das Meer.Ich erreichte Laos an Bord eines Schiffes, das mich vom Norden Thailands bis zum spirituellen Zentrum Laos führte – der alten Königsstadt Luang Prabang – in der buddhistische Mönche weiterhin eine wichtige Rolle im Alltag spielen und sich gleichzeitig in Architektur und Küche ein deutlich französisches Kolonialerbe erhalten hat.
Hier findet sich der ausführliche Bericht.
Meine Reise durch Laos war wesentlich von der vielfältigen Begegnung mit dem Strom geprägt – manchmal war er einen Kilometer breit und glitt friedlich dahin, dann verengte er sich wieder dramatisch zu Nadelöhren mit wilden Stromschnellen.
Nach einem kurzen Abstecher in den Nordosten von Laos - nahe chinesischen Grenze - folgte eine Querung von Laos auf der Nord-Südachse in Bussen aus unterschiedlichen Epochen - immer wieder entlang des Mekong und vorbei an Tropenwäldern, erodierten Hängen - Überreste der traditionellen Brandrodung, um neue Ackerflächen urbar zu machen - surrealen Karstfelsen, Pfahlbauten aus Holz, Reisfeldern mit ihrem betörenden Grün und ewig lockenden Bergen im Hintergrund.
Die charakterisitschen Karstfelsen in Zentral-Laos
Si Phan Don:Schließlich erreichte ich das Meer von Laos. Betrachtet man die geographischen Verhältnisse Südostasiens, kann man angesichts eines vermeintlichen Meeres nur stutzen: Laos hat keinen Zugang zur Küste. Und doch erinnert der Mekong an dieser Stelle mehr an ein Meer als an einen Fluss. Während der Monsunzeit zwischen Mai und Oktober verbreitert sich der Strom auf 15 Kilometer. Während meiner Reise herrschte Trockenzeit und dennoch war der Anblick äußerst beeindruckend: Unter dem Druck einer mächtigen Strömung verteilen sich die Wassermassen kilometerlang auf mehrere Kanäle zwischen denen einige größere, bewohnte und unzählige kleinere Inseln liegen. Daher stammt auch der Name Si Phan Don – „viertausend Inseln“. Wie viele es tatsächlich sind, dürfte kaum nachzuvollziehen sein und hängt auch vom Wasserstand ab. Viele der Insel sind nichts weiter als Sandbänke mit spärlicher Vegetation. Die größeren Inseln hingegen weisen steile Uferböschungen auf und bieten tropische Vegetation und Anbaufläche für Gemüse.
Ein weiterer Anziehungspunkt von Si Phan Don sind die sehr seltenen Irrawaddy-Fluss-Delphine, die sich auch im kambodschanischen Kratieflussabwärts finden. In der Inselwelt, die sich über 50 Kilometer des Mekong dahinzieht leben heute etwa 60.000 Menschen. Traditionell spielt der Fischfang eine wesentliche Rolle. Inzwischen stellt der Tourismus eine Haupteinnahmequelle dar.Laos war Teil des französischen Kolonialreichs Indochina und die Franzosen hatten sich große Hoffnungen gemacht, den Mekong als Handelsroute von China bis ins Südchinesische Meer im Süden des heutigen Vietnam, nutzen zu können. Während einer Erkundungsfahrt musste die Kolonialmacht jedoch erkennen, dass zwar die Stromschnellen südlich der viertausend Inseln bei Hochwasser befahrbar waren, aber die Khone-Wasserfälle (Pa Pheng und Samphanit) mit einer Fallhöhe von 15 Metern am jeweiligen Nadelöhr zwischen der Insel Don Khon und dem Festland nicht passierbar waren. Die Lösung stellte schließlich eine Brücke zwischen Don Det und Don Khon und eine um 1920 realisierte Schmalspurbahn dar, um die Wasserfälle zu umgehen. Ein geradezu größenwahnsinniges Projekt, von dem noch heute die Trassen, die mächtige Brücke und zwei verrostende Dampflokomotiven zeugen. Im Süden von Don Khon und im Norden von Don Det wurden Verladerampen errichtet, um die Waren wieder zu verschiffen.
Der Traum von der Zähmung des Mekong ist längst nicht ausgeträumt. Im Gegenteil: die Sprengung von Felsen, um Stromschnellen zu entschärfen und die Schifffahrt zu erleichtern, Umleitungen des Flusslaufs zur Bewässerung oder große Staudammprojekte zur Stromgewinnung, stellen Eingriffe in das Ökosystem des Flusses dar und den Wasserstand massiv beeinflussen und somit die Lebensgrundlage vieler Menschen in Frage stellt. Das Gletscherschmelzen im Himalaya ist noch weitaus bedrohlicher.
Auf der Insel Don Khon steht ein buddhistisches Kloster auf dem Gelände eines alten Khmer-Heiligtums, das hinduistischen Gottheiten gewidmet war, und darauf hindeutet, dass die Inselwelt schon seit mindestens einem Jahrtausend bewohnt ist. Unweit der Inselwelt findet sich in der Nähe der alten Königsstadt Champassak der Bergtempel Wat Phou. Hier befand sich Forschungen zufolge die erste Hauptstadt des Khmer-Reiches, lange bevor Angkor in Kambodscha an Bedeutung gewann.
Reisebericht:
Nach einigen Monaten, die ich fast durchgängig in Gesellschaft verbracht hatte, war die Insel Don Det für mich ein Hafen in stürmischen Zeiten. Nach massiven gesundheitlichen Beschwerden sehnte ich mich nach Wohlbefinden und ein wenig Ruhe. Leider hatte die Freundschaft zu meinem finnischen Freund Pete einen Tiefpunkt erreicht. Reisefreundschaften sind etwas ganz besonderes und gewinnen schnell an Intensität, sie unterliegt aber auch ganz besonderen Belastungen – weil man ständig aufeinanderhängt, sich Zimmer teilt, bisweilen völlig ausgelaugt ist von unendlichen Reisen und kaum zu fassenden Sinneseindrücken. Das wird spätestens dann auf Dauer zum Problem, wenn man mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten reist. Und gegen meine Bedächtigkeit war Pete geradezu eine Rakete…Inzwischen war Pete mir gegenüber mürrisch und abweisend. Irgendetwas beschäftige ihn und ich war zu dem Zeitpunkt offensichtlich nicht mehr der richtige Gesprächspartner für ihn. So beschloss ich wieder meiner eigenen Wege zu gehen – auch wenn wir dieselbe Insel ansteuerten.
Was sehr amüsant war: immer wieder hatte Pete davon gesprochen, wie gerne er einmal finnische Landsleute treffen würde, während ich immer wieder auf Deutsche traf, was mich allerdings längst nicht immer entzückte…Aus irgendeinem mir unbegreiflichen Grund zog die Inselwelt viele Finnen an und so freute er sich schon lange auf den Aufenthalt dort. Die wenigen Male, die wir noch auf der Insel aufeinandertrafen, erzählte er mir, dass sein Bedarf an Gesprächen in seiner Muttersprache nach einigen enthusiastischen Tagen gründlich gedeckt war.Kurze Zeit später erzählte er mir von gänzlich geänderten Reiseplänen, die ihn nach Kambodscha und durch Vietnam bis nach Hongkong führen würden. Damit war die Idee einer gemeinsamen Tour durch die Inselwelt der Philippinen gestorben.Doch wir trafen uns einige Wochen später an der Küste Kambodschas wieder und unsere Differenzen hatten sich in der Zwischenzeit in Luft aufgelöst.
Ich hatte einen generellen Overkill an Backpacker-Gesprächen. Eigentlich liebe ich den Austausch mit Reisenden aus aller Herren Länder, aber mein Bedarf war inzwischen mehr als gedeckt.„Wo warst Du schon? wo gehst Du noch hin? Wo war es am besten? Du musst unbedingt…“– Ich konnte es nicht mehr hören!Auch die Länge meiner Reise – mit kurzen Unterbrechungen dauerte sie bereits anderthalb Jahre an - unterschied mich gravierend von den meisten anderen Reisenden. Oft vermied ich es, darüber zu sprechen. Viel zu oft führte es zu einer Irritation, die entweder in Befremden oder in unangebrachtem Respekt gipfelte.
Mein Ziel für den Aufenthalt auf Don Det war es, einen gemütlichen und friedlichen Ort zu finden, an dem ich wieder zu mir kommen konnte. Diesen Ort fand ich auf Anhieb - ein Bungalow am Ufer des Mekong mit einer Hängematte, von der aus man den Blick über den Mekong schweifen lassen konnte. In Windeseile fühlte ich mich heimisch. Mit dem Besitzer verstand ich mich unmittelbar. Die Sprachbarriere war mit Gesten und einem Lächeln schnell zu überwinden. Ich war angekommen.
Die ersten Tage traf ich viele Leute, die ich auf meiner Reise durch Laos getroffen hatte. Runterkommen ging nicht in einem Tag. So lieh ich mir ein Fahrrad und erkundete Don Det und die Nachbarinsel Don Khon.Der Vibe auf den Inseln war sehr angenehm. Das Leben ging einem sehr beschaulichen Gang nach. Es war sehr heiß, aber der wenige Meter von meinem Bungalow entfernte Mekong, bot Abkühlung. Es wurde zu einem täglichen Ritual den Fluss schwimmend zu durchqueren mit einer kurzen Pause auf einer der kleinen Inseln mit ihren kleinen Sandstränden.Immer mehr Backpacker kamen direkt aus Vang Vieng – ein Ort denn ich ganz bewusst gemieden hatte. Er war berüchtigt für Touristen die sich im Vollrausch in Reifen durch die Strömung des Flusses treiben lassen, um an „Versorgungsstationen“ weitern Schnaps zu tanken. Das Ganze findet in einem ländlich geprägten Ort statt und Respekt vor den Einheimischen ist selten. Als würde einen das Geld, das man ausgab von allen moralischen Erwägungen befreien. Ein Glaube, der leider weit verbreitet ist. Viele der Backpacker waren einfach unerträglich in ihrer Arroganz und Ignoranz und zeigten Stolz ihre Verletzungen, die sie sich im Fluss zugezogen hatten. Was für Helden! Es gibt ausgesprochen unterschiedliche Motive, in fremde Länder zu reisen. Für mich war die totale Fixierung mancher junger Leute auf Party, Spaß und Rausch bisweilen unerträglich. Sie taten Dinge, die sie sich zuhause nicht trauen würden. Für mich war die Begegnung mit den Einheimischen der eigentliche Schatz meiner Reise. Freilich waren Begegnungen mit Reisenden, die ihren Horizont erweitern wollten, unbezahlbar, schließlich ließen sich nur mit ihnen bestimmte Erfahrungen teilen, die einen ähnlichen Ausgangshorizont erforderten, um überhaupt begreifbar zu werden.
Der Norden der Insel war in den ersten Tagen überlaufen – allabendlich brannte ein Lagerfeuer am kleinen Strand am Anleger der Insel und 30-40 Leute saßen feiernd zusammen. Ein paar Mal suchte ich noch nach Gesellschaft, dann wurde es auf der Insel und in meinem Inneren ruhiger. Gegen Ende meines Aufenthalts fühlte sich die Insel ohne Touristen wie ausgestorben an. Das begrüßte ich und meine Tage waren ohnehin vom Relaxen in der Hängematte und stundenlangen Betrachtungen des Mekong geprägt. Von Zeit zu Zeit lieh ich mir das Kanu des Gasthauses aus und ruderte über den Mekong. Das Gras war sehr natürlich, genau wie ich es mochte. Ein total entspannter Ort und immer noch weniger entwickelt als all die anderen Backpackerinseln, die ich bisher gesehen hatte. Und es gab genügend andere Inseln zum Ausweichen. Auf Don Detwar der Fortschritt nur eine Frage der Zeit. Zwei Monate vor meiner Ankunft hatte es noch keinen Strom gegeben und auch wenn die Preise noch sehr niedrig waren, so hatten sie sich im Vergleich zum Vorjahr bereits vervierfacht. Vom Wandel, der sich bereits vollzogen hatte, erfuhr ich vor allem von einer Nachbarin, die im Jahr zuvor drei Monate auf der Insel verbracht hatte und ein Gasthaus im indischen Himalaya betrieb.Ich fühlte mich sehr einsam. Selbst inmitten von bereichernden Erfahrungen und Begegnungen mit interessanten Persönlichkeiten, konnte man sich einsam fühlen – schließlich wusste man, dass diese Begegnungen selten von Dauer waren und es zuhause wenige gab, denen man seinen Erfahrungen begreiflich machen konnte.
Unheimlich, wie sehr eine so lange Reise widersprüchliche Gefühle intensivierte. Manchmal war man mental und körperlich völlig am Ende und dann schöpfte man wieder Kraft aus kleinen Gesten oder Begegnungen; bisweilen war der Wunsch, Schluss mit den Reisen zu machen und sich wieder sesshaft zu machen – und dann wurde wieder der brennende Wunsch unwiderstehlich, für immer weiter zu reisen.„Ich bin so weit weg vom Himmel, unter dem ich geboren bin. Ungeahnte Sehnsucht greift nach meinen Gedanken. Jetzt wo ich so allein und traurig bin, wie ein Blatt im Wind, möchte ich manchmal weinen, möchte ich manchmal vor Sehnsucht lachen.“
Carlos Castanieda: Reise nach Ixtlan
Verrückt, wie weit ich mich von meinem vorherigen Leben entfernt hatte - manchmal hatte ich Mühe mich oder mehr meine neugewonnen Fähigkeiten wieder zu erkennen. Eigentlich ein sehr gutes Gefühl; bisweilen aber auch sehr irritierend. Während viele Reisende klagten, die Zeit rase so schnell an ihnen vorbei, ging es mir genau umgekehrt. Ich habe das Gefühl ich hätte unendlich viel Zeit und sie verginge kaum. Längst hatte ich jegliches europäisches Zeitgefühl verloren.
Ein letztes Highlight war die Einladung zu einem Totenfest auf der Insel. Auf der Inselwelt Si Phan Don hat sich wie an vielen anderen Orten Asiens der Ahnenkult mit den modernen Religionen vermischt und beides wird nicht als Gegensatz verstanden, sondern als Nebeneinander. Wenn die drei Seelen der Ahnen ins Totenreich eingehen, weist man ihnen einen irdischen Schrein zu, um zu verhindern, dass sie zu bösen, heimatlosen Geistern werden. Gleichzeitig verspricht man sich von in Ehren gehaltenen Ahnen Schutz. Das Eingehen in eine andere Existenz wird gefeiert. Ein schöner Gedanke für mich, dass eine Beerdigung einen solch fröhlichen Charakter haben konnte. Wobei ich auch hörte, dass diese Fröhlichkeit dazu dienen soll, die Dämonen zu verwirren und so dem Verstorbenen vor ihren Ablenkungen auf dem Weg ins Totenreich zu bewahren. Eine skurrile Note gab dem Abend die Tatsache, dass meine griechische Begleiterin, die ich kurz zuvor kennen gelernt hatte, einen Freund aus Griechenland traf, den sie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte und der sie mit griechischem Tresterschnaps, den er mitgebracht hatte, begrüßte. Angesichts der Tatsache, wie wenig Griechen in Asien reisen, war das nun wirklich sehr außergewöhnlich.
Auf einer Bühne wurde getanzt und die Musik konnte einen gewissen westlichen Einfluss nicht verhehlen. Das Faszinierende an Asien ist sicherlich diese Fähigkeit, fremde Einflüsse in sich aufzunehmen, und auch keinen Widerspruch zwischen Tradition und Moderne zu sehen. Doch durch die Globalisierung auf der Basis kapitalistischer Werte hat sich die Lebensweise i8nzwischen so stark verändert, dass dieses Nebeneinander immer stärker in Frage gestellt ist. Aber zweifellos sind die Folgen in Metropolen wie Shanghai, in der alte Stadtviertel dem Erdboden gleich gemacht werden und durch Wolkenkratzer ersetzt werden, bedeutend sichtbarer. Aber die Auswirkungen reichen inzwischen bis in die entlegensten Winkel.
Fazit:Mein Freiheitsdrang und meine Neugier waren auch nach anderthalb Jahren ungebremst. Meine Suche nach Weisheit war noch weit. Hoffentlich gelang es mir bald, aus dem Wenigen, was ich erkennen konnte, die richtigen Schlüsse für mein Leben zu ziehen.
Der Aufenthalt auf der Insel war ein Wendepunkt. Die Nachricht vom Tod meiner Großmutter bedeutete für mich eine Zeitenwende. Die Großelterngeneration lebte nicht mehr und ich rückte ein Glied nach vorne. Ich war von melancholischen Gedanken erfüllt. Angesichts der Kulisse erschien die Nachricht geradezu unwirklich. Ich dachte an meine Großeltern, vermisste sie sehr und machte mir einmal mehr Gedanken über die Bedeutung unserer Existenz und mein Leben. Wann würde es mir gelingen, das zu finden, wofür ich Verantwortung übernehmen wollte? Nachdem Zeit keine Bedeutung mehr besaß, beschloss ich erst dann weiterzuziehen, wenn ich die Kraft dazu verspürte und dem Ende meines Visums keine Bedeutung beizumessen. Als ich meinen Frieden wieder gefunden hatte, verließ ich die Insel ein wenig wehmütig, aber auch wieder näher an meinen Gefühlen. Die Inselwelt würde einen festen Platz in meinem Herzen behalten. Mein nächstes Ziel würde die Ruinenstadt Angkor sein und dort sollte ich auch ein Wesen treffen, das mich wie ein Sturm an die Küste Kambodschas tragen würde und Antworten zu geben schien.
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