Reiseleiter auf Mallorca – Traumjob oder Horrorszenario?

Was für eine tolle Vorstellung: Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Wollen Sie das auch? Oder haben Sie sich schon immer gefragt, was so ein Reiseleiter den ganzen Tag macht? Bei meinem Besuch auf Mallorca im Mai 2015 interviewte ich einige Reiseleiter, um Ihnen den Beruf näher zu bringen.

Reiseleiter auf Mallorca – Traumjob oder Horrorszenario?

Harte Bandagen

Eines vorweg: Keine(r) der Reiseleiter(innen) möchte, dass ich hier ihren/seinen Namen oder das Unternehmen nenne, für das sie/er tätig ist. Das zeigt schon mal die harten Regeln in diesem Geschäft. Petzt jemand, ist sie/er raus! Und ich habe nur mit Leuten gesprochen, die für große, bekannte Reiseveranstalter tätig sind. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben!

Abwechslung für kleines Geld

Joy Valley (J. V.): Welche Beschäftigungsfelder gibt es für einen Reiseleiter auf Mallorca?

 

Anonym: Naja, über die Vielfalt der möglichen Jobs können wir uns wirklich nicht beschweren. Gott sei Dank muss ich keinen Flughafendienst machen. Da musst Du zu den unmöglichsten Uhrzeiten aufstehen. Oder Du kommst spät in der Nacht nach Hause. Bei XXX ist jetzt ein Reiseleiter hinterm Steuer eingeschlafen, auf dem Weg nach Hause, ist aber nichts passiert. Und die Touristen können ja so unentspannt sein, wenn sie am Flughafen ankommen. Manchmal wollen sie nach dem ersten „Hallo“ schon ihre Abholzeit für den Rückflug wissen. Meistens haben wir die da noch gar nicht.

Dann gibt es natürlich noch den Klassiker im Hotel. Da musst Du alle begrüßen und für Fragen und Reklamationen zur Verfügung stehen. Ausflüge verkaufen ist aber für Dich das Wichtigste, nur so kannst Du das kleine Grundgehalt durch Provisionen aufbessern. Ich verdiene keine 1.000 Euro netto, in guten Monaten bringe ich es auf 1.300 Euro netto. Aber ich bin auch Anfänger. Die alten Hasen haben natürlich die besten Hotels und kassieren deutlich höhere Summen. Allerdings kommt das auch auf den Veranstalter an. Bei manchen ist das Modell auch schon überholt.

Manchmal wünsche ich mir, dass ich auch mal einen Ausflug begleiten darf. Ich glaube, die Kollegen haben den besten Job. Sehen auch noch etwas von der Insel. Und sind zu normalen Uhrzeiten unterwegs. Wir in den Hotels und im Büro arbeiten ja „partido“, also morgens von ca. neun bis 13 Uhr und dann nochmal abends von 17 bis 20 Uhr. Dazwischen hast Du aber auch nicht immer Ruhe, weil Gäste oder Kollegen anrufen und irgendwas brauchen. Bei einer 6-Tage-Woche ohne Urlaub in der ca. sechsmonatigen Saison bist Du am Ende echt platt.

Volle Power durch die Saison

J. V.: Brennt man bei diesen Arbeitsbedingungen nicht vollkommen aus? Bei dem Gehalt, was ich so gehört habe, kann man sich im Winter ja nicht auf die faule Haut legen.

 

Anonym: Reiseleiter ist ein echt harter Job. Deswegen sind die meisten auch so jung. Im Alter hälst Du das nicht durch. Oder Du hast Dir bis dahin eine entsprechende Position erarbeitet. Dann ist es aushaltbar. Früher konnte man zumindest jeden zweiten Winter vielleicht noch durchstehen, weil man dann Arbeitslosengeld bekommen hat, durch die aufgelaufene Anwartschaft in zwei Saisons. Aber mittlerweile gibt es ja kaum noch Veranstalter, die spanische Arbeitsverträge machen. Dadurch hast Du dann hier auch keine Ansprüche und Absicherung. Die Veranstalter umgehen damit dann auch die Vorgaben vom spanischen Tarifvertrag. Nur so können sie die Arbeitszeiten und Gehälter durchdrücken.

Zwischen Traumjob, Flucht aus dem Alltag und Notnagel

J. V.: Warum wird man dann Reiseleiter?

 

Anonym: Dafür gibt es vielfältige Gründe. Einige Kollegen leben mit ihren Partnern hier auf der Insel und brauchen einfach einen Job. Oder sie brauchen einen Zeitvertreib. Andere Kollegen machen den Job auch mit großem Spaß und können sich nichts anderes vorstellen. Wieder andere wollen einfach mal raus aus ihrem Land und ihrem Alltag und machen das mal für eine oder zwei Saisons. Immerhin kommt man so auch rum. Die Veranstalter sind ja überall auf der Welt tätig.

Am besten vorsorgen - Der Winter sollte zum Ausspannen sein

J. V.: Und was machst Du im Winter?

 

Anonym: Gott sei Dank verdiene ich genug, um auch im Winter über die Runden zu kommen. Ich lebe aber auch sehr sparsam. Ich bekomme von meinem Arbeitgeber ein WG-Zimmer gestellt, zahle also nur meine Lebensmittel und so. Da bleiben ein paar Euro übrig. Ich reise dann durch die Welt, Jamaika, Thailand, Indien oder so. Als Backpacker gibt man da ja auch nicht so viel Geld aus. Einige meiner Kollegen leben während der Saison ihre Freizeit aus, dafür müssen sie im Winter aber auch woanders arbeiten. Viele gehen in die Alpen. Ich schaffe das aber gar nicht. Ständig feiern gehen, wenig Schlaf, keine Pause im Winter, das geht einfach nicht.

Reiseleiter sein hat auch Vorteile

J. V.: Was sind denn die angenehmen Seiten im Leben eines Reiseleiters?

 

Anonym: Hmm…ich lebe da, wo andere Urlaub machen! Großer Plusfaktor! Wenn ich abends noch Kraft habe, kann ich mich an den Strand legen oder ausgehen. Ich komme mit vielen Menschen zusammen. Hier und da hat man auch mal finanzielle Vorteile, so beim Essen gehen zum Beispiel. Die Restaurants wollen ja, dass man sie weiterempfiehlt. Also sind sie sehr zuvorkommend. Es gibt Veranstalter, da wird das offiziell so gehandhabt, bei anderen spielt man einfach die Karte als Reiseleiter aus. Vielleicht ist man auch mal bei einem Ausflug dabei, lernt also auch die Insel kennen. Und immer wieder gibt es etwas zu lachen!

Der Spaßfaktor in einem Knochenjob

J. V.: Etwas zu lachen?

 

Anonym: Ja! Wir haben ja nicht nur mit tobenden Touris zu tun, die Beschwerden zu ihrem Lieblingssport auserkoren haben. Viele sind auch zufrieden und zeigen uns das. Und nicht jeder verletzt sich oder muss zur Polizei, weil was passiert ist. Einmal hatte ich auch eine total lustige „Beschwerde“. Naja, für den Gast war es nicht lustig, ich fand es zum Wegwerfen. Der Mann war Fernfahrer und hatte nun endlich seinen wohlverdienten Jahresurlaub. Endlich Zeit für die Frau und so. Allerdings war er mit Frau und Schwiegermutter unterwegs. Mit seiner Schwiegermutter verstand er sich auch bestens, das war nicht der Punkt. Er hatte in weiser Voraussicht ein Apartment mit zwei Schlafzimmern gebucht. Das Hotel hatte ihn aber in ein Zimmer mit Schlafzimmer und ausziehbarer Coach im Wohnzimmer verfrachtet. So wurde es natürlich nichts mit trauter Zweisamkeit. Es war ihm auch sichtlich unangenehm, sich darüber zu beschweren. Aber wir konnten das Problem lösen. Das Hotel hatte noch ein Apartment mit zwei Schlafzimmern. Sie wechselten einfach mit einem anderen Ehepaar, für das es kein Problem war. Total nett von denen. Und der Fernfahrer hatte endlich seine Frau für sich.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Reiseleitern gesammelt? Berichten Sie doch hier in den Kommentaren davon!

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