In den letzten zwei Wochen waren Schulferien im indischen Bundesstaat Karnataka. Die „Hostelchildren“, also die Kinder, die sonst im Waisenheim untergebracht sind, gingen in dieser Zeit in den Seon Ashram, in das Mutterprojekt der Little Flower School. Dort Leben von einigen Kindern, die keine Vollwaisen sind, die meistens mental zurückgeblieben, schizophrenen oder behinderten Elternteile. Für die Kinder ist der Aufenthalt im Seon Ashram eine beliebte Abwechslung zum stressigen Schulalltag.
Da also während der Ferien in der Little Flower School keiner anzutreffen war, entschieden Franz, mein österreichischer Kollege und ich gemeinsam mit anderen Volontären eine Reise zu unternehmen. Am Anfang dieser Tour waren die Heimleiteren, Jakin Mam und ihr Ehemann mit an unserer Seite. Sie stellten uns in Ujire, einer kleinen Stadt in der Nähe vom wichtigen hinduistischen Pilgerort Dharmastala einen Teil ihrer Familie vor. Jakin Mam war mächtig stolz die Chance zu haben, uns ihre alte Heimat zu zeigen.
Pilgerstadt: Dharmastala
Giants-Statue in Dharmastala
Jakin Mams Familie in Ujire
Nach dem Aufenthalt in Ujire ging die Reise weiter über die wunderschönen Gebirgszüge der Western Ghats nach Bangalore. Der Ehemann von Jakin Mam, den wir Binu Sir nennen, musste zu einer Untersuchung in eine spezielles Krankenhaus in die Megametropole. Franz, Andreas, ein anderer deutscher Volontär, der demnächst in mein Projekt wechselt und Franz ablösen wird, und ich hatten zwei Tage Zeit, um Bangalore anzuschauen. Wir klapperten ein paar Museen ab und schauten uns an einen Abend im Stadion ein Cricketspiel an. Ein interessanter Sport, der jedoch mit deutschem Fußball oder anderen schnellen Sportarten von der Spannung her nicht zu vergleichen ist. Zumindest habe ich jetzt die Regeln verstanden. Ein großer Fan werde ich jedoch wohl nie davon werden. Da hat der andere Nationalsport Indiens „Hockey“ schon etwas mehr zu bieten. In Bangalore sind Franz, Andreas und ich zwei Nächte wieder bei der Familie von Jakin Mam untergebracht gewesen. Diesmal war es bei einer ihrer Schwestern. In dem kleinen Appartment schliefen wir auf Strohmatten auf dem Boden und füllten fast jeden Quadratmeter der Wohnfläche inklusive Flur aus. Es waren „harte“ Nächte.
Western Ghats
Bangalore von oben - links das Cricket Stadion
Moderne und Tradition auf den Straßen Bangalores
IT-Stadtkern
Tierische Polizeigefährten
Jakin Mams Familie in Bangalore
Stimmung im Cricketstadion
Nach den Erlebnissen in der IT-Metrole fuhren wir pünktlich zum Dasara-Festival nach Mysore. Die Stadt ist etwa drei Stunden von Bangalore entfernt. Jakin Mam und Binu Sir begleiteten uns bis dahin und fuhren danach zurück nach Ujire, um die restlichen Ferien mit ihrer Familie zu verbringen. Aufgrund des Festivals waren tausende Menschen nach Mysore gekommen. Manche Inder erzählten es seien 2 Millionen. Realistisch ist aber eher eine Zahl um die 500.000. Nicht nur Inder tummelten sich in den Straßen sondern auch allerhand Volontäre und internationale Touristen. Insgesamt haben wir mit etwa 20 anderen Freiwilligen im selben Hotel eingecheckt. Die meisten kannte ich von der Orientationweek im August oder von den Vorbereitungsseminaren in Deutschland. Andere Volontäre waren schon länger in Indien oder sind erst im September angereist. Es war schön sich wiederzusehen oder erst einmal kennenzulernen. Die vielen Gespräche mit den Gleichgesinnten sind unglaublich wertvoll für den Erfahrungsaustausch und die Projektarbeit. Man stellt Schwierigkeiten in den Projekten fest, die von ähnlicher Art sind und versucht sich gegenseitig mit den gesammelten Erfahrungen zu helfen. Außerdem ist es super interessant über andere Projekt informiert zu werden.Das Highlight des Aufenthalts in Mysore war jedoch das Dasara-Festival, welches in Mysore am größten gefeiert wird. Am Tag des Festivals füllten sich die Ränder der abgesperrten Straßen schon früh. Es war unglaublich heiß und die Sonne verbrannte einen nur so. Doch nichts desto trotz wollte ich mir mit den anderen Freiwilligen einen guten Platz suchen und sichern, um die Parade des Dasara zu verfolgen. Das Gedränge wurde immer größer. Zu unserem Glück war es möglich, dass wir auf ein Dach eines Hotels konnten, was sich direkt an der belebten Hauptstraße befand. Oben auf dem Dach war so gut wie kein Gedränge und man musste sich auch keine Sorgen um Taschendiebe machen. Natürlich knallte die Sonne auch dort und es war tierische heiß – ohne Hut nicht auszustehen. Das Festival begann und die Parade startete mit beschmückten und bunt angemalten Elefanten. Danach folgten wie beim Karneval in Deutschland jede Menge Festwagen, die mehrere Meter lang und hoch waren. Auf ihnen waren Dinge dargestellt, die aus den verschiedenen Religionen kamen oder für Indien typisch sind, wie zum Beispiel ein Sitar, das traditionelle Instrument Indiens oder eine Skulptur von Shiva, der wichtigen hinduistischen Gottheit. Zwischen den verzierten Wagen gab es immer wieder Trommelgruppen, Tänzer, Stelzenläufer und bunt verkleidete Gestalten. Die Parade ging insgesamt über drei Stunden. Wir sehnten uns das Ende schon etwas herbei nach dem wir so lange in der prallen Sonne schwitzten. Der Abschluss des Zugs wurde von prächtig geschmückte Elefanten, die eine goldene Sänfte trugen, gestaltet.Außer der Parade am Dasara-Tag haben wir in Mysore noch den berühmten 1001-Nacht-Palast besucht und sind auf einem Berg etwas außerhalb der Stadt gestiegen, um die so viel gepriesene Aussicht von dort zu genießen.
Geschmückte Kuh auf Mysores Straßen
Mysore-Palace by night
Menschengetummel von oben
Elefantenparade
Trommlergruppe
Dasara in Mysore
Zuschauer in den Bäumen
Blick auf's Ende der Parade mit beschmückten Elefanten
von links nach rechts: Franz, ich und Andreas
Mysore-Palace by day
Im Innern des Palast
Mit Andreas, Franz und zwei anderen Deutschen, Niko und Anselm ging die Reise weiter nach Hampi. Hampi ist im Reiseführer sehr dick gedruckt und viel beschrieben. Dementsprechend ist es auch sehr touristisch geprägt. Einer der Betreuer der Vorbereitungsseminare in Deutschland hatte dort seinen Freiwilligendienst vor zwei Jahren absolviert und ist vor wenigen Wochen dorthin zurückgekehrt, um an seinem Müll- und Umwelt-Tourismusprojekt weiterzuarbeiten. Wir haben ihn besucht und konnten Hampi aus erster Hand kennenlernen. Etwas abseits vom Haupttouristmus in der Nähe von Anagundi, einer der ältesten Siedlungen der Welt mit der ältesten Gebetstelle überhaupt haben wir ein komplett anderes Indien als sonst kennengelernt. Dörfer um Hampi haben ein ganz besonderes Flair, welches durch die historischen Lehmbauten und die alten Tempel erzeugt wird. Das was Hampi allerdings erst zu einem so lockenden Fleckchen Erde macht, ist seine Landschaft. In Hampi ist geprägt von riesigen Hügeln, die aus lauter kleinen und größeren Felsen bestehen und wie aufeinander geschüttet wirken. Ein unglaublicher Anblick. Zwischen den Hügeln schlängeln sich die Flüsse und versorgen die zur Zeit sattgrünen Reisfelder mit Wasser. Wenn man auf einen der vielen Hügel klettert, hat man eine super Aussicht auf die sonst so fremd wirkende Landschaft. Nicht nur touristisch ist Hampi von großer Bedeutung für den nördlichen Süden Indiens, sondern auch aus religiöser Sicht hat Hampi viel zu bieten. Neben der wichtigen Tempel zieht es viele hinduistische Pilger zum Hannuman-Hill, einem großen Hügel, auf dem die Gottheit Hannuman geboren sein soll. Hannuman wird als muskulöser Affe dargestellt. Passenderweise tummeln sich auf seinem Berg eine Vielzahl Artgenossen und genießen Abend für Abend mit den Pilgern und Touristen einen traumhaften Sonnenuntergang über der so beruhigenden Landschaft.
Waschen im Fluss
Fischer in Hampi
Hampis Natur
Elefant im Tempel
Tempelgruppenfoto
Meditation
Ruinen auf einem Hügel
Kuh zwischen den Ruinen
Blick auf den Sonnenuntergang am Fluss
Traditionelle Lehmhäuser in Anagundi
von links nach rechts: Andreas, ich, Lukas, Niko und Franz
Wäsche trocknen
Gesichter Indiens
Hampi von oben
Affe auf dem Hannuman-Hill
Hannuman-Tempel
Unterkunft in traditionell gebauten Lehmhütten
Besuch bei Ferdi
Von Hampi sind es etwa zwölf Stunden Fahrt Richtung Westen bis nach Goa, dem ehemaligen Hippieparadies. Von der 68er Bewegung ist allerdings nicht mehr viel zu spüren. Lediglich die Kleidung, die es für Touristen in den vielen Holzschuppen zu kaufen gib, erinnert daran. Ansonsten ist Goa heutzutage zum Technoparty-Paradies mutiert, welches stark von jungen Israelis frequentiert wird. Davon haben wir allerdings nichts mitbekommen. Es ist zur Zeit noch Nebensaison und sehr ruhig an Goas Stränden. Perfekt, um die doch sehr lange Reise entspannt am und im Wasser ausklingen zu lassen. Die vielen Restaurants direkt am Sandstrand bieten einem dazu unglaublich gutes und günstiges Essen im fast schon kitschigen Ambiente. In Goa mit dabei waren Franz, Andreas, Niko und Lukas – Wir haben es genossen.
Ankunft in Arambol, Goa
Touri-Shops
Goas Strände
Haus mit Meerblick
Melonen auf unserem Balkon
Bucht bei Arambol
Sonnenuntergang
Mit dem Zug sind wir dann von Goa aus zurück ins Projekt gerollt. Die Route führte direkt an der Westküste entlang durch Reisfelder und die Backwaters, also die Flussausläufer hin zum Meer. Wir wussten nicht um diese wunderschöne Natur und wurde vollkommen überrascht von ihrer Schönheit. Als dann die Sonne auch noch direkt über den Backwaters unterging und sich auch der Wasseroberfläche der Reisfelder und zwischen den Mangroven spiegelte, kam ich aus dem staunen nicht mehr heraus und dachte, dass ist mit das Schönste, was ich je in meinem Leben gesehen habe!
Blick aus dem Zug
Sonnenuntergang in den Backwaters
Flussmündung kurz vor'm Meer
Bahnhof in Mangalore
Insgesamt waren wir während der Reise etwa 2500 Kilometer unterwegs und haben Indien mal von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Nach den touristischen Erlebnissen geht es nun wieder zurück ins Projekt. Es gibt viel zu tun.