Manchmal passieren einem auf Reisen die irrsten Dinge. Die einen bescheren einem einen ordentlichen Lachkrampf, andere sorgen für ein kurzes Schmunzeln, wieder andere treiben einem die Schamesröte ins Gesicht, manche versetzen einen in Angst und Schrecken, und einige wenige bringen einen richtig in Rage. Ich habe beschlossen, diese Erlebnisse ab sofort in unregelmäßigen Abständen mit Euch zu teilen. Den Anfang in der Reihe meiner Reiseanekdoten macht eine Geschichte, die sich vor zweieinhalb Wochen auf unserem Rückflug von Miami nach Berlin zugetragen hat. Sie lässt sich am besten unter “ungläubiges, leicht verachtendes Kopfschütteln” einordnen.
Nachdem wir bei unserem Zwischenstopp in London unseren Anschlussflug verpasst hatten, saßen wir zwei Stunden später in einem Flieger nach Berlin (übrigens im gleichen wie Joko Winterscheidt). Leider war die Maschine bis auf den letzten Platz ausgebucht, so dass ich nicht neben meinem Ehemann, sondern zwischen zwei Fremden sitzen musste. Der Mann links von mir – am Fenster – erwies sich glücklicherweise als ruhig und unauffällig, das Kerlchen rechts von mir als unerträglich. Der junge Herr – meiner Schätzung nach 19 oder 20 Jahre alt – war mit seiner Mama, seinem Papa, und seiner Schwester unterwegs. Nach wenigen Minuten war mir auch klar, wo er seine schrecklich Art her hatte: Er kam ganz nach seinem Vater. Beide unterhielten sich den ganzen Flug über lautstark über ihre wahnsinnige Shopping-Ausbeute und die Unsummen an ausgegebenem Geld, wobei sie ungefähr dreimal pro Minute das Wort “Armani” fallen ließen. Keine Ahnung, woher ihre unglaublich Obsession mit dieser Marke kam, aber ich kann Euch sagen, sie war ziemlich ausgeprägt.
Seine Schwester lief mehrmals während des Fluges in die Business Class, um einen Blick auf den schlafenden Joko Winterscheidt zu erhaschen. Der Sohn beschwerte sich über das ekelhafte Sandwich. Alle beschwerten sich über Getränke, die British Airways nicht servierte. Der Vater erklärte nach einem unsanften Landeanflug aufgrund von Regen, dass der Pilot sicherlich das Flugzeug nur zum Spaß nochmal hochgezogen hat, um für ein wenig Erheiterung in der Kabine zu sorgen. Eine rundum sympathische Familie eben.
Kaum berührte das Flugzeug den Boden, schaltete mein Sitznachbar den Flugmodus an seinem Smartphone ab und fing wie verrückt an zu tippen. Auf das, was jetzt kommt, ist mein Mann nicht stolz, aber er schwört, dass er keine Wahl hatte. Er saß nämlich direkt hinter dem jungen Herren, und dieser hielt sein Smartphone die ganze Zeit über so sonderbar, dass mein Mann praktisch nicht anders konnte, als mitzulesen, welche Nachrichten da gerade über WhatsApp ausgetauscht wurden. Mein Sitznachbar schrieb also als allererstes einem Freund oder einer Freundin eine Nachricht mit folgendem Inhalt (Gedächtnisprotokoll): “Hey! Sind gerade in Berlin gelandet. Total gechillt. Wir haben ein Upgrade in die Business Class bekommen.” Seine Schreibpartner fragte daraufhin, wie es denn dazu gekommen sei. Die Antwort (wieder ein Gedächtnisprotokoll): “Wir waren die allerletzten, die zum Flieger gekommen sind, und da haben sie uns in die Business Class upgegraded. Echt chillig.” Sein Freund oder seine Freundin antwortete daraufhin mit den drei wahrscheinlich grausamsten Worten der Gegenwart: “Läuft bei Dir.”
Da ich selbst neben dem jungen Herren saß, kann ich bezeugen: Er saß nicht in der Business Class. Er saß nicht einmal nah dran. Ebenso seine Familie nicht. Nein, er saß auf einem gewöhnlichen Gangplatz in der Economy Class. Reihe 13, wenn ich mich richtig erinnere. Und blöderweise hatten mein Mann und ich auch gesehen, dass die Familie ungefähr die erste war, die sich zehn Minuten vor Beginn des Boardings nervös angestellt hatte, und dann so ziemlich als erstes im Flieger saß. Das weiß ich unter anderem deshalb, weil ich den chronisch genervt guckenden kleinen Mann, der sich auf seinem Platz bereits gemütlich eingerichtet hatte, bitten musste, mich auf meinen Platz zu lassen.
Eigentlich sollte man über so etwas nur kurz lachen, aber irgendwie erfüllt es mich dann doch immer mit einer Mischung aus Verachtung und Bewunderung, wie andere Menschen so selbstverständlich und schamlos lügen, um sich selbst besser darzustellen, als sie sind. Solltet Ihr also zufällig einen schätzungsweise 19- bis 20-jährigen Freund haben, der am Nachmittag des 8.2. mit seinen Eltern und seiner Schwester von London nach Berlin Tegel geflogen ist, und der Euch danach großspurig von seinem Business-Class-Upgrade erzählt hat, dann wisst Ihr jetzt: Er hat gelogen.