Manchmal fällt es verdammt schwer, Satire und reales Leben auseinander zu halten. Vor allem dann, wenn die Satire besser wird als das Original. Auch Rolf Cantzen lässt sich manchmal mitreißen und die Grenzen verschwimmen.
In einem ganz anderen Zusammenhang sagte vor einigen Tagen ein Freund zu mir: “Wenn die Parodie besser ist als das Original, besteht die Gefahr, dass die Parodie stärker wird als jene.” Nun, ganz das geschieht im Buch “Wiedergeboren werden, aber richtig” von Rolf Cantzen nicht. Und doch fällt es manchmal schwer, auseinander zu halten, wo er spinnerte Esoterik auf die Schippe nimmt und wann er sie nur zitiert.
Bislang konnte ich mich erfolgreich davor drücken, solch weltbewegende Literatur wie “Haffmans’ himmlisches Hausbuch der Engel” (das gibt es wirklich!) oder “Die transzendentale Offenheit des gewöhnlichen Haushuhns” von Ottwin Wilhelm Gattermann (das gibt es nicht) lesen zu müssen. Das Problem bei den beiden Büchern ist jedoch: sie werden in Cantzens Buch gleichberechtigt zitiert. Das tatsächlich Existierende genauso wie das Erdachte. Das macht die Unterscheidung der Grenze zwischen Satire und Realsatire fast unmöglich; sind doch die echten Zitate oft nicht weniger dämlich als die ausgedachten.
Ein Gattermann’sches Zitat wie “Was Federn hat, legt auch Eier” ist um nichts unlogischer als die Berechnung, dass ein Engel gar nicht fliegen kann – es sei denn, er hat eine Flügelspannweite von mehr als vier Metern – womit er nur schwerlich in das Schlafzimmer passen würde.
Doch wenn man sich dem hingibt und Erdachtes wie Echtes als das sieht, was es ist: Überspitzung und Satire, dann kann das Lesen des Buches genussvoll sein. Selbst wenn man sonst nie einen Blick in Eso-Bücher tut – wir alle können uns ja damit herausreden, dass wir die “SEIN” nur aus dem Wartezimmer von Ärzten kennen – viele dieser irgendwie spinnerten Ideen und Worthülsen kommen einem bekannt vor. Wenn von Schutzengeln (die aber nicht ins Zimmer passen!) die Rede ist oder davon, dass der letzte Ehekrach nur daher rührt, weil man im vorherigen Leben sich nicht angemessen verhalten hat.
Was das Buch aber wirklich auszeichnet, ist, dass es aufdeckt, wie a-humanistisch dieser oft nur belächelte Eso-Unfug ist. Cantzen gelingt es, diese ganzen “Ich-bin-Ich-Tschakka!”-Floskeln auf den Punkt zu überspitzen und zu zeigen, was sie sind: gnadenlos egoistisch und gesellschaftsfeindlich. Das mag jetzt schwer übertrieben klingen… doch wenn man liest “Der Schwache geht unter, der Starke siegt – wenn der Starke den Schwachen so behandelt, wie es die Natur verlangt. Das Schwache wird ausgemerzt…” (S. 97) dann ist das Sozialdarwinismus in Reinform.
Nun könnte man sagen: Ach, das ist doch nur Satire. Doch leider ist es das nicht. Es ist kein Zufall, dass sich Cantzen in dem Buch sehr eindringlich auch mit der Anthroposophie und den Waldorfschulen auseinandersetzt. Wissend, dass seine Zitate in diesen Abschnitten eben keine Satire sind, sondern “echte” Zitate, bliebt einem das Lachen im Halse stecken. Der darin – nicht einmal versteckte, sondern offen zur Schau getragene – Rassismus sollte den Verfassungsschutz auf den Plan rufen. Was jedoch geschieht ist, dass immer mehr Wohlhabende, die eben diesem oben erwähnten Sozialdarwinismus die Treue halten – oft, ohne es zu bemerken – ihren Kindern eine Erziehung angedeihen lassen, deren Kenntnisse “nur zum Wohle der arischen Rasse anzuwenden” sind.
Das Buch ist in sieben Kapitel unterteilt und am Ende einiger Abschnitte gibt es – ganz Dale Carnegie’s “Meisterwerk” “Sorge dich nicht – lebe!” entsprechend – jeweils zehn Fragen, die mit Ja, Teilweise oder Nein zu beantworten sind. Entsprechend der Antwort werden Punkte vergeben – der Rezensent hat insgesamt nur 20 erreicht – die der Selbstkontrolle dienen sollen, wie weit man es gebracht hat “auf seinem Pfad der Erleuchtung”.
Allerdings werden Leser, die die volle Punktzahl erreichen würden, dieses Buch wohl nicht lesen. Was allerdings für das Buch spricht.
Nic
Rolf Cantzen, Wiedergeboren werden, aber richtig – Ein spiritueller Ratgeber für alle Lebensfragen, Alibri, 2014, 131 Seiten, kartoniert, 10 Euro
[Erstveröffentlichung hpd]