Zirkus Zeitgeist
Mit dem aktuellen Album "Zirkus Zeitgeist" sprangen SaMo nicht nur in der ersten Woche auf den Platz 1 der Albumcharts, sie trafen auch den Nerv der Zeit. Denn nicht umsonst trägt das Album diesen Namen. Es ist sozialkritisch, direkt und nimmt kein Blatt vor dem Mund. Fast alle Lieder regen zum Nachdenken an, eines traf mich mitten ins Herz und andere sind einfach nur lustig und lassen einen sofort mitsingen.
"Wo sind die Clowns?"
Das Album bringt gleich zu beginn den Zirkus ins Rollen. "Wo sind die Clowns?" heißt der erste Lied und prägt sich mit dem Text und dem Video dazu ins Gedächtnis ein. Hierbei geht es jedoch nicht um die Zirkusclowns und auch nicht um Klassenclowns. Es darum, das Leben einfach mal zu genießen. Weg mit den negativen Medien, weg von schlechten Nachrichten, weg vom Computer, Handy, Arbeit, allen Lasten und Druck dieser Welt, der auf unseren Schultern lastet. Es tut gut, einfach mal zu lachen, fröhlich zu sein und das Leben nicht so ernst zu sehen.
"Wir brauchen Clowns in dieser Welt!"
"Willkommen in der Weihnachtszeit!"
Eine kleine Lobeshymne an alle Supermärkte, die es jedes Jahr schaffen, den Menschen schon im September Weihnachtsmänner und Pfefferkuchen und anderes Weihnachtsgebäck zu präsentieren. Es basiert auf ein Erlebnis eines Mitglieds von SaMo. Raus aus dem Freibad, kurz rein in den Supermarkt und was sieht man? Süßigkeiten und Deko, die nach Weihnachten schreien. Und das bei 30° C Außentemperatur. Wenn das nicht der Stoff ist, aus dem Songs gemacht werden, weiß auch ich nicht weiter.
Es wird wohl das einzige Weihnachtslied sein, dass man im Sommer wirklich hören kann. Aber es bringt die Situation auf dem Punkt und, wenn man es nicht ganz so ernst sieht, kann man sogar darüber lachen und lauthals mitsingen.
"Nachts weinen die Soldaten"
Neben "Orpheus" ist dies eines der schönsten und seriösesten Balladen von Saltatio Mortis. Zwar wird hier explizit der 1. Weltkrieg angesprochen. Dennoch werden die Fragen nach dem "Warum?" auch in der heutigen Zeit immer und immer wieder gestellt werden. Mit gnadenloser Offenheit stellt das Lied die Schattenseiten des Kriegs dar.
"Sag mir warum, was trieb dich zu den Schlachten? Falsche Träume, die Idee vom Vaterland? Waren es Freunde, die dich dazu brachten? Sag mir Soldat, wann deine Hoffnung schwand."
"Des Bänkers neue Kleider"
Das Baby von Alea wurde, wie der Titel schon andeutet, durch das Märchen "Des Königs neue Kleider" inspiriert. Kritisiert wird hier die Umgang mit Geld im Rahmen der Bankenkrise und im gängigen Alltag durch die Bänker und Manager.
"Der Schal nur aus Geld, der ihm gut gefällt, wird zur Schlinge um seinen Hals - Ein Strick nur aus Geld."
"Maria"
Was als Kirchenlied erscheint, ist eine gute Darstellung des Einflusses der Kirche auf eine junge Frau, die ungewollt schwanger ist. Sie hat zwar für sich selbst entschieden, das Kind nicht zutragen, kann dies aber nicht mit ihrem Glauben vereinen. Also bekommt sie das Kind und sieht in der Belastung keinen anderen Ausweg, als den Selbstmord.
Ich finde es gut, dass dieses Lied mal nicht den Fokus auf das Kind, sondern auf das Wohl der Mutter liegt. Dass hierbei unter Umständen auch die Kirche eine tragende Rolle spielt, ist offensichtlich. Nicht immer sind die Ansichten der Kirche, in meinen Augen, korrekt und stellen auch einen Widerspruch zu den eigenen Bedürfnissen dar.
"Zur Abtreibung war sie bereit kyrie eleison! Doch hätte sie damit entweiht das Gebot der Christenheit, ergebene Maria. Ergebene Maria!"
"Wir sind Papst!"
Zu jeder Fußball-WM werden die deutschen Fahnen rausgeholt und alle Deutschen sind stolz auf den Erfolg ihrer Mannschaft. Doch danach zieht man sich wieder zurück, denn man könnte ja als Nazi abgestempelt werden. Eine traurige Wahrheit, mit der sich die Lyrics dieses Lieds befassen.
Ja, wir Deutschen haben eine beschissene Vergangenheit. Nein, man darf sie nicht vergessen. Aber wir haben doch so viel mehr. Goethe, Schiller, einen Haufen an Kultur und Werke, die aus deutscher Feder stammen und damit die Welt auf positive Art und Weise geprägt haben. Darauf sollten wir stolz sein und uns nicht von der nahen Vergangenheit unterbuttern lassen.
"Augen zu"
Das tägliche Wegschauen in bestimmten Situationen trifft uns alle mal. Sei es nun, dass man keine Nachrichten guckt oder den Obdachlosen, der beinahe erfriert, einfach liegen lässt, ohne zu handeln. Die Probleme dieser Welt treffen uns bis zu einem gewissen Grad alle. Sei es nun Fukushima, der aktuelle Umgang mit den Migranten oder die Politik generell. Doch auch kleine Situationen im Alltag, die jeden treffen können, veranlassen und dazu, einfach wegzuschauen, weil wir denken, dass es uns dann besser geht. Ob wir dann mit den Konsequenzen leben können, ist dann die Frage.
"Gezeugt mit Lust, geboren ohne Freude, die Klappe frisst dein ungewolltes Kind. Willst es nicht seh'n, doch ist es nur verschwunden, weil deine Augen fest verschlossen sind."
"Geradeaus"
"Geradeaus" ist eines meiner Lieblingslieder auf diesem Album und SaMo überhaupt. Jeder, der Fan einer Musikband ist, wird mitbekommen, dass diese sich über die Jahre verändert und ggf. weiterentwickelt. Manche rutschen wirklich in die Schiene "Kommerz", andere bleiben sich treu und ziehen ihr Ding einfach durch. Schon allein bei den letzten Alben von Saltatio Mortis ist ein starker Wandel zu vernehmen. Die Texte werden sozialkritischer und haben nur noch bedingt mit dem Mittelalter und Märchen und Sagen zu tun. Klar, sie bilden noch immer die Basis und einige Melodien orientiere sich noch immer daran. Aber in den Texten findet ein Umbruch statt. Viele Fans kritisieren dies und werfen der Band vor, nur noch "kommerz" zu sein und sich selbst verloren zu haben.
"Wir sind mal Herren, sind mal Knechte, manchmal Schatten, manchmal Licht. Doch ob wir jedem Depp gefall'n, interessiert uns einfach nicht."
Was mir an diesem Lied besonders gefällt, ist, dass es ein Art Medley aus alten Lieder ist. Dies ist vor allem in der zweiten Strophe sehr gut zu erkennen:
"Wir ham den Spielmannsschwur gebrochen und das kalte Herz erwärmt, ham Gott die Würfel weggenommen und mit Orpheus gelärmt. Wir ham den Hochzeitstanz verstolpert, unser Ebenbild verklagt, wir haben Salome geschwängert und den Sündenfall vertagt. Seitdem wir auch noch Idole sind, leben wir in Saus und Braus, wir pissen in Prometheus' Feuer, denn statt ein treten wir aus."
"Erinnerung"
Viele Menschen haben einmal einen Moment im Leben, wo sie ihre vergangene Zeit revue passieren lassen und sich fragen: Soll es das gewesen sein? Die Erinnerung an vergangene Tage steigen empor. Gefühle, Emotionen, Situationen, die einem etwas bedeutet haben und die man gern mit anderen Menschen teilen möchte und geteilt hat.
Diese Zeile sind entstanden, als ein Mitglied von SaMo im Krankenhaus war und mit verdammt viel Glück dem Tod von der Klippe gesprungen ist.
"Nur ein Echo der Zeit
Das ist alles, was bleibt
von einem Augenblick
Bilder hasten vorbei
zerbrechen dabei -
in einem Augenblick."
"Trinklied"
Ein Trinklied, wie man es bisher bestimmt noch nicht gehört hat. Die meisten Trinklieder, die ich kenne, sind eher lustig und regen dazu an, noch ein Glas oder eine Flasche zu nehmen. Dieses hier ist dezent anders und im laufe der Zeit wandelbar. Es beginnt mit als eine Zusammenkunt von "Freunden", die sich immer zur Seite standen - in guten wie in schlechten Zeiten. Bis man dann erfährt, wer dieser "Freund" doch eigentlich ist.
Mir gefällt hier nicht nur die Melodie, sondern auch die Nachricht, die dahinter steckt. Man kann seinen Kummer ertränken. Aber die Problem verschwinden dadurch nicht. Man muss sich ihnen stellen - am besten nüchtern.
"Alkohol, mein alter Freund
unser Traum ist ausgeträumt."
"Rattenfänger"
Nicht nur die Politik und Gesellschaft kriegt eines auf die Nase. Auch die Spielleute und sich selbst, nehmen SaMo aufs Korn. "Rattenfänger" ist eine Anlehnung an das Märchen, nur werden hier kein Kinder oder Ratten eingefangen, sondern Frauen und andere Errungenschaften, die anfangs leicht verführt und dann wie ein nasser Sack fallen gelassen werden.
"Ich bin ein Rattenfänger, Tunichtugt, schüre Lust und Liebesglut, säe Hoffnung, ernte Leid, ich bin der Tod im Hochzeitskleid."
"Todesengel"
Dass ein Jude, der während des 2. Weltkriegs im KZ war und dort lebend raus gekommen ist, den Tätern vergibt, ist eigentlich undenkbar. Es gibt jedoch eine Jüdin, die damals zu Zwillingsexperimenten missbraucht wurde. (Das ist übrigens ein interessantes Thema, meiner Meinung nach.) Von dieser Frau wurde das Lied inspiriert.
Mir stellt sich nur die Frage, ob es gut ist, dieses Thema aufzugreifen. Was damals passiert ist, ist nicht fein gewesen, um es nett auszudrücken. Aber ob man solchen Menschen einfach so vergeben kann.
"Und ich vergab dem Todesengel. Was er tat hat mich verletzt. Zorn und Hass sind schwarze Samen, Saat, aus der nur Krieg erwächst. Geb dich nie auf, fang an zu träumen, mach deine Träume wahr. Taten zählen mehr als Worte, Vergebung ist so wunderbar."
"Vermessung des Glücks"
Wir arbeiten, um zu leben. Oder leben wir, um zu arbeiten? Wie passt da Glück hinein? Was ist für uns Glück?
Viele werden es kennen. Wir träumen in den Tag hinein, haben Wünsche, Sehnsüchte, Träume, von denen wir nur zu oft erzählen, diese aber nie in die Tat umsetzen. Wir geben uns dem Alltag hin und vergessen dabei unsere Träume. Dabei sollten wir unsere Zeit, die uns auf Erden gegeben wurde, doch dafür nutzen, uns selbst glücklich zu machen.
"Sag mir, wie man Glück vermisst.
Wo deine Zeit geblieben ist.
Sag mir, was hast du verpasst,
Erzähl Geschichten, die du nie erlebt hast."
"Abschiedsmelodie"
Auch das Thema "Beziehung" findet auf dem Album einen Platz. Sie prägen uns und beeinflussen unser Leben - manchmal sogar mehr, als es einem lieb ist. In "Abschiedmelodie" lässt ein Bandmitglied eine Beziehung revue passieren, traut ein wenig um sie, lässt aber dann doch los. So schön die Zeit auch war.
"Sie ist vorbei, die Symphonie, wird zur Abschiedsmelodie."
"Mauern aus Angst"
Die Emotionen, die "Mauern aus Angst" bei mir auslöst, sind unbeschreiblich. Bestimmt haben viele euch es schon erlebt, dass Erlebnisse aus der Vergangenheit einen so sehr beeinflussen, dass man Probleme damit hat, neue Beziehungen und Bindungen einzugehen. Ständig hat man Angst, etwas falsch zu machen, jemanden zu verletzten, selbst enttäuscht zu werden. Die Mauern, die einen beschützen sollen, schotten einen jedoch ab und sorgen für eine schirr unüberwindbare Distanz zu den Menschen, die man doch eigentlich liebt. Niemand ist in der Lage, diese Mauern zu zerstören, außer man selbst.
"Diese Mauern aus Angst, ich reiße sie ein, trage sie ab, schlage sie klein. Keine Mauern aus Angst, rauben mir meinem Mut. Die Angst ist besieht, denn das Ende wird gut und das Ende wird gut.
Alles wird gut."
"Gaudete"
Die Entstehungsgeschichte zu diesem Lied ist verdammt lustig. "Gaudete" ist das klassische Mittelalterlied, dass IMMER auf Märkten gespielt wird. Jeder kennt es dort, jeder kann mitsingen, jeder kennt die klassische Variante. Damit wollten die Spielleute brechen und fragten sich, wie kann man dieses Lied besser machen?
Man müsste einfach mal so BÄM! machen und so nen coole Rock'n'Roll reinhauen. - Gesagt, getan, geschaffen!
Nach der anfänglichen klassischen Kirchenmelodie geht es richtig ab. Rock'n'Roll vom feinsten, sodass selbst der King aus seinem Grabe auferstehen und mitsingen würden.
Ein Ohrwurm?
Definitiv!
Nun, selbst Wochen nach der Veröffentlichung höre ich das Album rauf und runter, kann die Texte fast auswendig und die Karten für das Konzert Mitte November sind schon längst gekauft. Ich freue mich, Alea auf der Bühne rumspringen zu sehen, die gesamte Band zu sehen und das Konzert zum ersten Mal richtig genießen zu können.
Was haltet ihr von dem aktuellen Album von Saltatio Mortis?
Kennt ihr diese überhaupt?
Eure Christin