Rehageflüster: Musikantenstadl

Von Katerwolf

ich schreibe diesen post verdeckt. investigativ. habe angst, dass ich ertappt, verschleppt und im watt versenkt werde. aber wat mut, dat mut.

sonntag abend: ein heiterer musikabend im veranstaltungsraum. ich weiß. wie verzweifelt muss man sein, um sich so etwas anzutun. ich hatte einfach lust zu singen und die hoffnung, es auch tun zu können. in der not frisst der teufel fliegen. oder geht zum musikabend in der rehaklinik.

im verdunkelten vortragssaal waren schon fast alle stühle besetzt. überwiegend menschen jenseits der 100. auf den parkplätzen: rollatoren. ein wenig unbehaglich setzte ich mich neben meinen tischnachbar peter in die reihe. der star des abends, alleinunterhalter michel, ein großer, stämmiger mann, stimmte seine gitarre und blickte fröhlich in die runde. und schon gings los. eins muss man michel lassen, er ist ein ungemein sympathischer, mit solchen veranstaltungen erfahrener mann, der schon in kürze alle herzen eingefangen hat. so auch am sonntag. er schmetterte humoresk ein paar schlager und bekannte nordsee-lieder und verkündete dann: wunschkonzert!

man konnte einfach einen interpret oder ein lied nennen und michel gab es zum besten. “john denver!” kam es von links vorne. 2 sekunden später grölte der ganze raum: “country ro-ho-oo-d, take me ho-o-ome!” ich mit. dann jagte ein hit den andern: tom jones, michael jackson, randfichten, queen, udo jürgens. das volle programm. ein wenig peinlich war es, ich gebs zu, aber ich ertappte mich dabei, wie ich wild zu “auf der reeperbahn, nacht um halb 3″ schunkelte und fast mit tränen in den augen “hey jude” jammerte. erinnerungen an jugendliche lagerfeuer tauchten vor meinem inneren auge auf.

“marianne rosenberg!” rief ich. “buhhhh!” kam es von den anderen. “matthias reim!” kam es schüchtern irgendwo von hinten. “davon muss ich strahlbrechen!” war meine rachsüchtige antwort. highnoon im vortragssaal. der sekundenzeiger tickte. michel rettete die situation mit einer willy fritsch einlage und frieden kehrte ein. mittlerweile waren 2 rothaarige feger mittleren alters zu uns gestoßen und rollten das feld mit glockengleichem gesang von hinten auf. sehr, sehr laute glocken. große glocken. uff. streckenweise waren sie deutlich lauter als michel.

“queen! metallica!” spornten sie michel an. sehr gewagt. “we are the champions!” schallte es kurz darauf aus allen ecken. vorne flammten die ersten feuerzeuge auf. “der rauchmelder! der rauchmelder!” brüllte jemand. egal. der vortragssal stand eh in flammen. die ersten standen auf und wippten klatschend im takt. rollatoren drehten sich wild im kreis. krücken tockten im takt auf den boden.

“highway to hell!!!!” stimmte michel mit wilder stirntolle an. “highway to hell!!” riefen alle zurück. arme flogen in die luft, im raum braderup brodelte der kessel. gegen 23 uhr, nach 10 zugaben, war die stimmung auf dem höhepunkt, michel verließ samt klampfe den saal und lief singend im hausflur auf und ab. es war kurz vor polonaise durch die rehaklinik.

tja, ihr lieben, auch solche dinge erlebt man in der reha. die nacht der lebenden toten, sag ich nur. aber spaß hat es gemacht und allein der anblick der ü-100, die mit in die luft geballter faust “highway to hell!” brüllten, war es wert. so macht altwerden mut