Regierung spart sich den Bundesrat

Die größte innenpolitische Nachricht des Tages bezieht sich auf eine Ankündigung. Man sollte also darüber schreiben, bevor sich auch die letzten Reste von Politik im Sommerloch auflösen.

Die schwarz-gelbe Regierung in Berlin möchte ihr Sparpaket aufteilen, so dass es leichter durch den Bundesrat bzw. am Bundesrat vorbeigeht. Die Opposition ist empört und läßt uns zum Beispiel mitteilen:

SPD-Sozialexperte Otmar Schreiner warf der Regierung vor, mit diesem Vorhaben die parlamentarische Demokratie zu untergraben.

tagesschau.de

Wir wissen noch nichts genaueres, aber immerhin wissen wir schon: Die Demokratie wird untergraben. Wäre ich meine liebe SPD, ich würde mich da nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Ich denke, ich bin nicht der einzige, der sich an diese nette kleine Szene aus dem Bundesrat erinnert, ist gerade mal acht Jahre her:

"Präsident Klaus Wowereit: Wir kommen dann zur Frage der Zustimmung. (...)

Baden-Württemberg: Enthaltung. Bayern: Nein. Berlin: Ja.

Brandenburg: Alwin Ziel (Sozialminister/SPD): Ja! - Jörg Schönbohm (Innenminister/CDU): Nein!

Wowereit: Damit stelle ich fest, dass das Land Brandenburg nicht einheitlich abgestimmt hat. Ich verweise auf Artikel 51 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz. Danach können Stimmen eines Landes nur einheitlich abgegeben werden. Ich frage Herrn Ministerpräsidenten Stolpe, wie das Land Brandenburg abstimmt.

Manfred Stolpe (Brandenburg): Als Ministerpräsident des Landes Brandenburg erkläre ich hiermit Ja.

(Schönbohm: Sie kennen meine Auffassung, Herr Präsident!)

Wowereit: Damit stelle ich fest, dass Brandenburg mit Ja abgestimmt hat.

(Peter Müller, Saarland: Das ist unmöglich! - Roland Koch, Hessen: Das geht wohl gar nicht! - Weitere Zurufe: Verfassungsbruch! - Das gibt es doch nicht!)"

tagesspiegel.de

Damals ging es um das Zuwanderungsgesetz, das Rot-Grün auf den Weg gebracht hatte, im Gegensatz zum Sparpaket etwas, das durchaus meine Zustimmung fand, aber es geht ja ums Prinzip. Die Koalition in Brandburg überstand diesen Eklat übrigens bei allem Theater unbeschadet. Wenn es um Tricks geht, wie man die Mehrheiten im Bundesrat umgeht, würde ich jedenfalls nicht die Pathoskanone rausholen dieser Tage.

Ich würde mir eher klarmachen, dass die Oppositionszeit der SPD begrenzt ist. Eine reine Blockade im Bundesrat werden die Leute nicht verstehen, werden sie vor allem über einen Zeitraum von drei Jahren nicht verstehen. Es ist absehbar, dass kommende Wahlen die Mehrheit im Bundesrat weiter zu Ungunsten der Regierung verschieben. Die SPD, vor allem aber auch die Grünen werden faktisch mitregieren, müssten zumindest mitregieren, weil sie sonst verantwortlich gemacht werden können für den Stillstand. Und Stillstand wird es weiter jede Menge geben.

Die Zeiten, in denen man relativ frei alles verdammen konnte, was schwarz-gelb fabriziert, sind fast vorbei. Abstimmungen im Bundesrat werden zunehmend so etwas werden wie Übungen für den Ernstfall, also Gelegenheiten für rot-grün, zu beweisen, dass man sich in der Opposition tatsächlich regeneriert . Übungen, an denen man besser nicht scheitern sollte. Die Kritik am schwarz-gelben Sparpaket und an der sich jetzt abzeichnenden Abstimmungspraxis mag diesmal noch in Ordnung gehen- beim nächsten Mal sollte man dann aber doch schon Alternativen präsentieren können. Das wäre zugleich die wirksamste Form der Ablehnung, eine in der Politik seltsam unbekannte Tatsache.

Geniessen Sie das Sommerwetter. Sie müssen nur ausblenden, dass Montag ist.

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