Liebe Leser!
Auf den bereits angekündigten Artikel zum Thema "Geldschöpfung, Zinseszins und Werte" müsst Ihr noch ein wenig warten. Aktuell bin ich zu sehr mit meinem gerade erschienen Buch "Reflexionen eines Suchenden" beschäftigt. Da es unter anderem auch ein sehr politisches Buch geworden ist, möchte ich daraus einen kurzen Auszug vorstellen.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass der Scheinwerfer (wie mein neuer Blog) ein rein ehrenamtliches Projekt ist. Mir sei also verziehen, wenn ich an dieser Stelle ein bisschen Werbung in eigener Sache mache...
Es geht mir nicht darum, auf einer „Occupy-Welle“ zu reiten; Ihr kennt mich ja auch von meinen Artikeln als kritischer Geist, der sich möglichst vielseitig mit Themen aller Art auseinandersetzt. Aber natürlich gibt es Schnittstellen und interessierte Leser finden sich auch gerade unter denen, die sich für einen Wandel einsetzen.
Der Auszug ist aus dem Kapitel "Auseinandersetzung mit der Welt" aus dem ersten Teil des Buches, in dem ich beschreibe, warum ich aussteigen wollte. Weiterführende Informationen zu den anderen Aspekten des Buches finden sich im Anschluss.
Auseinandersetzung mit der Welt
»Lieber als Liebe, als Geld, als Ruhm gebt mir Wahrheit. Ich saß an einem Tische, wo feine Weine und Speisen im Überfluss vorhanden waren, wo man mich sorgsam bediente, wo es aber keine Aufrichtigkeit und Wahrheit gab. Hungrig verließ ich ihren ungastlichen Tisch. Die Gastfreundschaft war so kalt wie das Gefrorene.«
Henry David Thoreau, Walden. Ein Leben in den Wäldern
„In meinen Augen war das Konsumdenken der westlichen Zivilisation unsinnig und folgte einer Wachstumsideologie, die die Wurzeln des Lebens zerstörte. Ihr liegt ein Ressourcenverbrauch zugrunde, den unser Planet mit seinen endlichen Ressourcen nicht dauerhaft stillen kann. Die Welt schreit nach Entschleunigung. Die Grenzen des Wachstums sind schon lange erreicht. Doch anstatt dem Rechnung zu tragen und unseren Wohlstandeinzuschränken und zu einer nachhaltigen Entwicklung zu finden, gehtalles weiter wie bisher und es werden Kriege um die Ressourcen geführt.Noch immer beschwören viele Ökonomen ein weiteres Wachstum, um das bestehende Wirtschaftssystem am Laufen zu halten. Der Mensch gewöhnt sich offensichtlich schnell an ein Mehr und ist nur sehr schwer dazu zu bewegen, auf etwas zu verzichten und zu teilen.
Doch die Anhäufung von Materiellem führt nur scheinbar zum erhofften Glück. Denn es werden immer neue Bedürfnisse geweckt. Schließlich entsteht eine Gier, die niemals gestillt werden kann. Ich hingegen wehrte mich schon lange gegen die Gier und versuchte Verzicht zu lernen und eine Erfüllung zu finden, die unabhängig war von immer neuen Reizen der Werbung. Medien suggerieren, dass allein Konsum und Wohlstand zu Glück führen würden. Diese Beeinflussung führte dazu, dass Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit immer mehr an den Rand gedrängt werden. Die Menschen verlernen, in sich selbst zu hören, um wahre von vermeintlichen Bedürfnissen zu unterscheiden. Der Kampf um Besitz und Anerkennung wird immer härter geführt. Dabei bleibt die Solidarität auf der Strecke. Die eigenen Wünsche stehen weit über denen der Anderen. Egoismus ist ein Fluch, der auch auf mir lastete. Wir leben in einer Ellbogengesellschaft, in der sich die wenigsten überhaupt leisten können, einmal ihr Handeln grundlegend zu überdenken.
Viele sind diesem Wettbewerb nicht mehr gewachsen. Wer nicht mehr mithalten kann, wird als faul und schwach diskriminiert. Dahinter steckt die Angst, selbst abgehängt zu werden. Man passt sich einem System an, anstatt es zu hinterfragen und die damit verbundene Unsicherheit zu spüren. Schließlich scheint es nach dem Scheitern des Sozialismus keine Alternative zum Kapitalismus zu geben. Die sozialen Sicherungssysteme werden immer stärker beschnitten und dabei bleiben die Ideale der europäischen Aufklärung auf der Strecke. Für mich prägt eine Gesellschaft ganz entscheidend, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Nach meinen Erfahrungen in Einrichtungen für Behinderte, psychisch Kranke und alte, pflegebedürftige Menschen war ich entsetzt und wütend, wie viele von ihnen unter unwürdigen Bedingungen leben mussten. Was ist aus den Gedanken von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit geworden?
Die Politik hat sich den Medien und der Wirtschaft unterworfen. Lobbyisten und multinationale Konzerne prägen den Spielraum der Politik. Die Politik nimmt das hin und beschäftigt sich nur noch mit kurzfristigen Entwicklungen, die selten länger Bestand haben als bis zur nächsten Wahl. Sie ist selbst massiv beeinflusst von Interessensgruppen. Bei langfristigen Fragen wie dem Klimaschutz kommt nur ein Minimalkonsens zustande. Alles dreht sich ums Geld. Dabei schadet die Finanzwirtschaft durch ihre windigen Spekulationen immer stärker der Realwirtschaft. Zugleich gab es noch nie so viele Informationen darüber, welche Ungerechtigkeiten und Konflikte auf diesem Planeten bestehen. Die Welt ist durch die Globalisierung und das Internet transparenter geworden, gleichzeitig jedoch auch viel komplexer. Das Wissen verdoppelt sich durch die Forschung inzwischen innerhalb eines Jahrzehnts. Oft habe ich das Gefühl, dass wir eigentlich zu viel wissen und von den Informationen überschwemmt werden; wir stumpfen dabei erschreckend stark ab. Wir werden mit Unmengen unnützer Informationen bombardiert und es wird immer schwerer, wichtige Informationen herauszufiltern. Viele Medienhäuser haben ihre Unabhängigkeit verloren und prägen ein Bild, in dem Äußerlichkeiten wichtiger sind als Inhalte. Fragwürdige Medienprofis sind zu Vorbildern aufgestiegen. Wichtig scheint nur, wie man sich präsentiert und weniger für welche Ideale man steht. Wir müssen wieder beginnen, stärker nach innen zu schauen. Die Zäune um die Besitztümer der Reichen wachsen immer höher. Dabei wissen viele nicht mehr, was sie mit all ihrem Geld anfangen sollen. Auch das Mantra »Geiz ist geil« ist unfassbar schädlich. Es führt zu minderwertigen Waren, ausgebeuteten Produzenten und schlecht bezahlten Angestellten.
Bewusster Konsum ist eine Grundlage für einen nachhaltigen Wandel. Gleichzeitig sterben Menschen, die nicht sterben müssten, denn es gibt genug Nahrungsmittel für alle. Aber die Profitgier macht nicht einmal halt vor der Spekulation von Grundnahrungsmitteln. Den einfachen Bauern, die zu allem Überfluss auch die Klimaveränderung und die damit einhergehenden Dürren, am heftigsten trifft, bleibt nichts anderes übrig als ihr Land zu verkaufen. An ihre Stelle treten industrialisierte Agrarwirtschaft und Monokulturen. Gleichzeitig werden landwirtschaftliche Flächen und die Ressourcen ihres Kontinents von den Schwellenländern und Industrienationen aufgekauft, um den unstillbaren Energiehunger zu stillen. Den Profit machen weltumspannende Konzerne, die die Spielregeln immer stärker diktieren.
Es bedarf neuer Gesellschaftsmodelle für eine Welt, in der es immer weniger bezahlte Arbeit gibt. Ich hatte alles so satt. Ich empfand es ähnlich wie die Hippies: Das Rad drehte sich viel zu schnell. Dem Fortschritt wurde im Zweifelsfall alles geopfert. Ich wollte aus diesem Karussell aussteigen und zu einem tragbaren Fundament für mein Leben finden.
(...) Ich war einer der jungen Menschen, die ausbrechen wollten. Die von einer anderen Welt träumten, in der Friede und Glück mehr zählte als Selbstverwirklichung um jeden Preis. In der die Liebe über den Hass triumphierte. Ich hoffte so sehr, dass die Menschheit zu einer neuen Ethik fand, die geprägt war von Zusammenhalt und Verständigung. Ich war schließlich nicht alleine in meinem Kampf für eine gerechtere Welt, auch wenn es mir manchmal so vorkam. Doch die Zeit drängte. Es galt schließlich riesige Herausforderungen zu stemmen: Eine immens wachsende Weltbevölkerung, eine immer stärker aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich und massive ökologische Veränderungen abzumildern.“
aus: Oleander Auffarth: Reflexionen eines Suchenden – eine Odyssee durch Schatten und Licht – erschienen im Juli 2012 bei Edition Winterwork, Borsdorf
weiterführende Informationen zum Buch finden sich hier. Direkt zum Klappentext, der Austattung und den Bezugsquellen geht es hier.