M. Herold hat in der Zeit einen Artikel geschrieben, der sich vordergründig mit dem abgelehnten Koalitionsangebot der Rechtsbürgerlichen in Schweden an die Grüne Partei Schwedens befasst. Darin beklagt er, dass diese Parteiideologie über Parteistrategie stellen und die Koalition verweigern würden, obgleich doch so viel Deckungsgleichheit zwischen den Konservativen und den Grünen besteht, schon allein, weil Umweltschutz ja eigentlich ein konservatives Anliegen ist. Man muss nicht besonders gewieft im Zwischen-den-Zeilen-Lesen sein um zu erkennen, dass der Artikel in Wahrheit auf die deutschen Grünen und ihren Umgang mit der CDU gemünzt ist. Um Schweden jedenfalls geht es nur ganz am Rande.
Parteipolitisch, besser: parteiideologisch betrachtet, scheinen tatsächlich einige Gründe gegen eine solche Zusammenarbeit zu sprechen. Zum einen haben sich die Grünen vor der Wahl in ein Bündnis mit Sozialdemokraten und Linkspartei begeben. Daraus auszuscheren dürfte zu schweren Verwerfungen innerhalb des "Linksblocks" führen. Auch rein praktisch dürfte eine Koalition problematisch werden: Fünf Parteien müssten zu einem Regierungsbündnis zusammengefasst werden. Und inhaltlich steht die Ankündigung der Konservativen, neue Atomkraftwerke zu bauen, grünen Vorstellungen diametral entgegen.
Dennoch: Grüne und Konservative sind sich viel näher, als sie bislang zu akzeptieren bereit sind. Das gilt für Deutschland und Schweden gleichermaßen. Denn jenseits von Ideologien und alten Links-Rechts-Schemata tragen beide Parteien einen konservativen Kern in sich. Er kommt umso mehr zum Vorschein, je mehr den Bürgerlichen alte Wählerschichten abhanden kommen. Und je mehr die Grünen das Wesen ihrer Politik betonen: das Bewahren der Welt. Dies ist Konservatismus in seiner reinsten Form.Derselbe Blödsinn wird auch in Deutschland immer wieder zur Begründung einer schwarz-grünen Koalition erzählt. Ja, sicher, die erste Naturbewegung des 19. Jahrhunderts war noch konservativ. Nur, mit diesem Konservatismus haben weder die schwedischen Bürgerlichen noch CDU oder FDP heute auch nur das geringste zu tun und hatten es in der gesamten Bundesgeschichte noch nicht. Die CDU hätte Umwelt zu einem Thema machen können - hat sie aber nicht. Stattdessen hat sie 40 Jahre lang verkündet, dass das Thema sie eigentlich nicht berührt und es nur dort halbherzig umgesetzt, wo es nichts oder nur wenig kostet. Es gibt keine CDU-Klientel, die sehnsüchtig auf eine Wiederentdeckung des Umweltschutzthemas wartet. Wem Umweltschutz wirklich wichtig ist, der wählt grün.
Wo es darum geht, den Wohlfahrtsstaat nicht abzuschaffen, sondern moderner zu machen und die Wirtschaft davon zu überzeugen, mit Nachhaltigkeit Geschäfte zu machen, wo es darum geht, das Land auf die großen Umwälzungen der Zukunft vorzubereiten und gleichzeitig seine Errungenschaften zu bewahren, dort manifestiert sich konservative Politik. Dort treffen sich Grüne und Bürgerliche.Es ist schon dreist zu behaupten, dass die grüne Verweigerung die Konservativen gewissermaßen zwingen würde, mit den Rechtsextremen zusammenzuarbeiten und den toten Hund den Grünen vor die Tür zu legen. Wie absurd wäre es in einem hypothetischen Szenario, den Grünen vorzuwerfen dass die CDU mit der NPD koaliert, nur weil sie versagen? Eine Partei, die ein Bündnis mit Rechtsextremen offen als Option wie jede andere hinnimmt, kann noch so viele Bäume küssen. Mit grünen Werten hat das nichts zu tun. Alle grünen Parteien sind gleichzeitig Parteien der Toleranz und des offenen Dialogs, sind Freunde der Idee des viel geschmähten Multi-Kulti. An all diesen Positionen ist nichts, was die konservativen Parteien teilen würden. Die grünen Parteien sind tatsächlich für eine Änderung des Wohlfahrtsstaats, und hier treffen sie sich tatsächlich ein wenig mit den Konservativen, aber diese Ähnlichkeiten sind oberflächlich.
Wenn die schwedischen Grünen dies doch noch erkennen, wenn sie über ihren ideologischen Schatten springen und mit Reinfeldts Bündnis koalieren, würden sie nicht nur die Debatte um den Konservatismus nachhaltig befruchten. Sie könnten ihrem Land einen unschätzbaren Dienst erweisen und eine Zusammenarbeit der Konservativen mit den Rechtsextremen unnötig machen.
Es gibt nur eine Person, die hier dringend über ihren ideologischen Schatten springen sollte, und das ist der Autor M. Herold. Er ist der Überzeugung, dass einzig der Agenda-Weg der Richtige ist und schreibt diesen als konservativ um. Das ist genauso Unsinn wie beim Umweltschutz. Erst jüngst hat Michael Spreng definiert, was konservativ ist, und davon nur wenig bei der Union gesehen. Recht hat er.