Da muss man nichts mehr schreiben. Die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage spricht für sich:
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
1. War dem Senat bekannt, dass Pro Deutschland an dem Wochenende 27.8/29.8 einen sog. Anti-Islami-sierungs-Kongress durchführen wollte?
Zu 1.: Es war bekannt, dass die Durchführung eines Anti-Islamisierungs-Kongresses beabsichtigt war.
2. Welche Kenntnisse hat der Senat zu einzelnen Aktionen und TeilnehmerInnen an den Aktivitäten von Pro Deutschland im Rahmen dieses Kongresses?
Zu 2.: Es lagen keine Kenntnisse vor. Mehrere Wochen vor dem 27.08.2011 wurde bekannt, dass der Anti-Islamisierungs-Kongress nicht stattfinden wird.
3. War dem Senat bzw. der Polizei die geplante Provokation am 27.08. im Rahmen dieses Kongresses vor dem islamischen Bekleidungsgeschäft in Neukölln be-kannt, wenn ja ab wann und wie wird diese bewertet?
Zu 3.: Die Bürgerbewegung Pro Deutschland meldete am 24.08.2011 eine Versammlung mit dem Thema „Unsere Frauen bleiben frei“ für den 27.08.2011 in 12049 Berlin-Neukölln, Flughafenstraße (Mittelinsel) Ecke Hermannstraße an. Versagungsgründe lagen nicht vor. Aus der Versammlung heraus gingen eine mit einer Burka bekleidete Frau sowie drei Männer vor ein islamisches Bekleidungsgeschäft und ließen sich fotografieren. Diese Aktion war vorher nicht bekannt.
4. Ist dem Senat bekannt, dass dem Veranstaltungs-leiter der Gegenproteste eine Anzeige wegen der ver-suchten Beschädigung des Lautsprecherwagens vor Ort durch einen Sympathisanten von „Pro Deutschland“ durch die Polizei verwehrt wurde, und welche Maßnahmen wurden dazu eingeleitet?
Zu 4.: Beamte der Polizei Berlin wurden vom An-melder der Gegenkundgebung zwecks Erstattung einer Anzeige wegen des Verdachts der Sachbeschädigung angesprochen, weil eine unbekannt gebliebene Person einen Stecker aus der Lautsprecheranlage gezogen hatte. Als die für eine Anzeige erforderlichen Angaben auf-genommen werden sollten, verzichtete der Anmelder auf eine Anzeigenerstattung. Die Polizei Berlin hat die bis dahin vorliegenden Erkenntnisse in einem Bericht akten-kundig gemacht. Aus dem Bericht geht hervor, dass nach dem geschilderten Sachverhalt die Lautsprecheranlage mindestens eine halbe Stunde Musik abstrahlte.
5. War dem Senat bekannt, dass auf Einladung von „Die Freiheit“ u.a. Geert Wilders und Oskar Freysinger am 3.9. in Berlin auftraten? Wenn ja, ab wann und wie wird dieser Auftritt bewertet?
Zu 5.: Die Partei „Die Freiheit“ hat die Polizei Berlin mit Datum vom 27.07.2011 schriftlich über die geplante Veranstaltung unter Angabe der Redner/-innen sowie des Veranstaltungsortes, einem Berliner Hotel, informiert.
6. Welche Kenntnisse hatte der Senat zu welchem Zeitpunkt zum Ort der Veranstaltung am 3.9.? Und mit welcher Begründung wurde der Ort der Öffentlichkeit verschwiegen?
Zu 6.: Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Ein Auskunftsersuchen lag nicht vor.
7. Welche Gründe gab es, am 3.9. Gegenproteste ent-gegen den Ankündigungen des Innensenators nicht in Hör- und Sichtweite zuzulassen und die „Gedenkstätte deutscher Widerstand“ an dem Tag nahezu abzusperren?
Zu 7.: Die Bewertung der Gesamtzusammenhänge veranlasste die Polizei Berlin, Personenschutz für Herrn Wilders sowie Objektschutz für das Veranstaltungshotel durchzuführen. Der erforderliche Objektschutz konnte nur durch Schaffen eines Sicherheitsbereichs gewährleistet werden. In diesem Sicherheitsbereich lag auch die Ge-denkstätte Deutscher Widerstand. Es war sichergestellt, dass Besucher/-innen die Gedenkstätte aufsuchen konn-ten.
Den vor Ort angemeldeten drei Gegenkundgebungen wurden folgende Örtlichkeiten zugewiesen:
Bendlerbrücke
Tiergartenstr./Stauffenbergstr.
Sigismundstr./Hitzigallee
Die Kundgebung auf der Bendlerbrücke war auch ohne Benutzung von Lautsprechern vor dem Hauptein-gang des Hotels deutlich wahrnehmbar. Hör- und Sicht-weite zum Hotel waren gegeben.
Da die Teilnehmer/-innen der Veranstaltung der Partei „Die Freiheit“ auf dem Weg zum Hotel Maritim mindestens eine Kundgebung passieren mussten, ist der Zweck der Gegenkundgebungen, die Teilnehmer/-innen der Veranstaltung im Hotel zu erreichen, nicht vereitelt worden.
8. Ist dem Senat eine Stellungnahme des Hotel „Maritim“ bekannt, in der auf eine Nachfrage zur Partei „Die Freiheit“ bei der Polizei im Vorfeld der Ver-anstaltung verwiesen wird und welche Informationen wurden dem Hotel über diese Partei sowie zu Geert Wilders und Oskar Freysinger zur Verfügung gestellt, um die Problematik dieser Veranstaltung zu erkennen?
Zu 8.: Eine Stellungnahme des Hotels ist hier nicht bekannt.
Im Vorfeld der Veranstaltung fand am 05.08.2011 im Veranstaltungsort eine Besprechung von Vertretern/-innen der Partei „Die Freiheit“ und der Veranstaltungs-leiterin des Hotels unter Beteiligung der Polizei Berlin statt. Bei dieser Besprechung ging es ausschließlich um organisatorische Belange zur Vorbereitung der Ver-anstaltung und des geplanten Personenschutzes von Herrn Wilders.
Im Rahmen der Besprechung wurde auch thematisiert, dass Herr Wilders ein umstrittener Politiker ist.
9. Was hat der Senat im Zeitraum dieser Wahlkampf-Events der Rechtspopulisten getan, um die zivil-gesellschaftlichen Gegenproteste/-veranstaltungen zu unterstützten, eigene Positionen zu beziehen und den Konsens aller Parteien des Abgeordnetenhauses gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in die Praxis umzusetzen?
Zu 9.: Der Senat als staatliches Organ schützt durch sein permanentes tägliches Handeln den Bestand des Staates, seine Funktionsfähigkeit, seine Einrichtungen sowie die Rechtsordnung einschließlich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin. Er unterliegt dabei der allgemeinen staatlichen Pflicht zur Nichteinmischung und Neutralität in parteipolitischen Auseinandersetzungen.
Gesellschaftliche Auseinandersetzungen im demo-kratischen Rechtsstaat sind mit politischen Mitteln zu lösen und nicht durch die Instrumentalisierung der Polizei. Die Polizei gewährleistet durch den Schutz von Grundrechten die Austragung von Konflikten in den von Recht und Gesetz gezogenen Grenzen. Sie hat sich bei demokratischen Auseinandersetzungen neutral zu ver-halten.
10. Welche Kenntnisse hat der Senat von der NPD Veranstaltung am 11.09 auf dem Alexanderplatz, wann erfolgte die Anmeldung und wann war der Ort intern bekannt?
Zu 10.: Die Nationaldemokratische Partei Deutsch-lands (NPD) hat am 21.06.2011 bei der Internetwache der Polizei Berlin eine Kundgebung auf dem Alexanderplatz angemeldet.
11. Warum wurde der Ort der Veranstaltung der Öffentlichkeit verschwiegen, trotz Zusage des Innen-senators rechtsextreme Veranstaltungen mind. 24 Stunden vor Beginn öffentlich zu machen?
Zu 11.: Verfassungsrechtlich steht dem/der An-melder/-in einer extremistischen Versammlung – wie anderen Versammlungsanmeldern/-innen auch – die Aus-übung seiner garantierten Versammlungsfreiheit aus Artikel 8 Grundgesetz und Artikel 26 Verfassung von Berlin, einschließlich des Selbstbestimmungsrechts über Ort, Zeitpunkt und Inhalt der Veranstaltung, zu.
Solange eine rechtsextremistische Versammlung – bei aller Kritikwürdigkeit oder sogar Anstößigkeit der ge-wählten Themen – nicht gegen Gesetze verstößt, stellt sie sich als rechtmäßige Ausübung von Grundrechten dar.
Daher ist es Aufgabe des Staates, auch Ver-sammlungen zuzulassen und zu schützen, die sich im Rahmen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit be-wegen, gegebenenfalls aber gegen die überwältigende Mehrheitsmeinung in Bevölkerung und Politik gerichtet sind. Demokratie bedeutet im Rahmen des Ver-sammlungsrechts, dass auch die Meinungen von Minder-heiten, selbst von kleinen Minderheiten, geäußert werden können und ermöglicht werden. Die von der Polizei – die sich thematisch neutral zu verhalten hat – auf der Basis der bestehenden Gesetze getroffenen Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, einer unter dem Schutz des Grund-rechts auf Versammlungsfreiheit stehenden Versammlung die tatsächliche Durchsetzung der Versammlung zu er-möglichen, sei es durch polizeilichen Schutz, sei es durch Freihalten der Strecke eines Aufzuges, sei es durch polizeiliches Fernhalten einer Gegendemonstration in angemessenem Abstand oder sei es durch Räumung einer Wegstrecke, die von Gegendemonstranten/-innen blockiert wurde, setzen geltendes Verfassungsrecht um.
Im Regelfall ist es das Interesse eines Veranstalters, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel selber bekannt zu machen, weil er an „Öffentlichkeit“ interessiert ist. Es gibt auch ein legitimes Interesse zu-mindest der durch Verkehrseinschränkungen betroffenen Öffentlichkeit an rechtzeitiger Information.
Ebenso ist Abgeordneten im Parlament und Pressever-treten/-innen grundsätzlich auf Nachfrage Auskunft zu erteilen. Nur im Einzelfall kann die Information hinaus-geschoben werden. Insofern wird auf die Ausführungen in der Sitzung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung am 23.05.2011 verwiesen. Im Ausschuss oder im Plenum nachfragenden Abgeordneten ist stets, notfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit, der Presse im Regel-fall spätestens am Vortag einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel Auskunft zu geben.
12. Warum werden weiterhin Gegenproteste nicht in Hör- und Sichtweite zugelassen?
Zu 12.: Gegenproteste in Hör- und Sichtweite wurden sowohl am 03.09.2011 als auch am 11.09.2011 zu-gelassen und sind auch in Zukunft möglich.
Berlin, den 09. Oktober 2011
Dr. Ehrhart Körting
Senator für Inneres und Sport
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Nov. 2011)