Eine Patchwork-Decke zusammenhangloser Gedanken
„Wer vieles wagt, ist bei den Menschen im Recht. Wer auf das meiste spucken kann, der ist ihr Gesetzgeber, und wer am meisten wagt, genießt die meisten Rechte!“
Fjodor Dostojewski, Schuld und Sühne
Ich nahm mir gestern ein Time-out, um etwas nachzudenken. Wie immer in solchen Fällen legte ich mich auf die Couch, sprach mit Mir und ging es zurück zu dem, was mich einst, als Kind, beeindruckte. Wurde bereits bei den kitschigen alten Filmen fündig:
Zum Beispiel “Spartakus” (1960): Kirk Douglas verhandelt mit irgendwelchen Piraten. Sie könnte die Überfahrt bezahlen, aber “Warum sollte ich euch helfen? – Ihr seid doch Sklaven!?”. Und Spartakus antwortet im Hollywood-Pathos: “Wir sind es nicht, wenn wir gewinnen.”
Zum Beispiel “Der Graf von Monte Christo” (1961): Louis Jourdan hört Geräusche. Diese stammen von dem Gefangenen Abbé Faria, der dabei ist, einen Tunnel zu graben, sich aber in seinen Berechnungen irrt. Und so stehen beide in Dantès’ Zelle – verurteilt. Der eine weil er – vorgeblich – für Napoleon war, der anderer, weil er gegen ihn war. Unrecht und Unrecht – Kerker an Kerker, doch der Zuschauer weiß: beide sind irgendwie im Recht.
Scannte im Weiteren das “Narrenschiff”, den “Woyzeck”, das “siebte Kreuz” und vieles mehr. Recht ist offenbar ein immer wiederkehrendes Thema in der Kunst. Jeweils fühlten sich die Protagonisten der Handlungen im Recht gegenüber Gesellschaften mit deren anders gearteten Rechtssystemen.
Stets weiß der Rezipient: Diese Gesellschaft liegt schief.
Aber auch das wirkliche Leben – The Real Live – strotzt voller Fehler, wenn es um Recht geht. Es gibt andernorts sogar Rechtsprechung aus boshafter Willkür oder willkürlicher Boshaftigkeit, wie zum Beispiel gegenüber Michail Borissowitsch Chodorkowski in Russland oder Julija Wolodymyriwna Tymoschenko in der Ukraine.
Ob Recht und Unrecht klar zu unterscheiden sind ist auch in Deutschland unklar. Damals wie heute. Und teilweise skurril: Unschuldig glaubten sich ein gewisser Herr Speer und die anderen Kämpfer in Nürnberg.
Feldmarschall Paulus geriet sogar – für die Sowjetunion! [sic!] – zum Zeugen der Anklage, wurde später von der vorgeblich antifaschistisch-kommunistischen DDR mit einer Pistole ausgestattet, wie auch mit Personal, mit Dienstboten, die wiederum den Verlierer von Stalingrad in dessen Dresdner Villa mit “Herr Feldmarschall” anzureden hatten, statt mit “Genosse Paulus”, wie es – wenn schon, denn schon – seine Richtigkeit hätte.
Die DDR war ebenso voller Unrecht wie “die Wende” und alles was jetzt ist.
Heute kopiert ein gewisser Kevin Müller einen Film auf CD, um sein kümmerliches Hartz-IV-Salär aufzubessern, wird von einem Staat als Raubkopierer gebrandmarkt, der geklaute Daten-CDs aus dubiosen Quellen kauft.
Und was in Deutschland Unrecht ist, beurteilt jeder Steuerzahler auf seine Weise.
So haben wir also gelernt, lernen müssen, dass das Recht auf Ihrer Seite ist. Was nach unserer Auffassung nicht unbedingt bedeutet, dass dies auch rechtens ist. Ob Sie wirklich eine richtige (im Sinne von gute) Entscheidungen getroffen haben, können Ihnen und uns erst die Nachunskommenden sagen, die eine Vergangenheit zu beurteilen haben.
(Siehe Entwurf für einen Brief an ein Finanzamt)
Jedenfalls ließ ein Präsident namens Wulff seine Handlungen von angesehen Anwälten werten, die – Überraschung! – daran nichts Unrechtes feststellen konnten.
Neutralos rätseln derzeit: Ob ein Verstoß gegen ein Gesetz vorliegt, kann nicht beurteilt werden, weil die Umstände des Kreditgeschäfts unbekannt sind.
Rein rechtlich wird man es nie wissen können.
————
Unterm Strich steht immer die Moral.