Recht auf Rückkehr?

Von Stefan Sasse
Beim Lesen des Artikels "Netanjahu: Grabrede für das ungeborene Palästina" drüben auf dem Spiegelfechter stieß ich über folgenden Absatz: 
Die Palästinenser wollen keinen Frieden, wenn das das gleichzeitige Bestehen eines jüdischen Staates meint. Damit, so muss man dazu sagen, ist nicht die Existenzberechtigung Israels gemeint, sondern die Frage nach der ethnischen Identität. Israel besteht seit einiger Zeit darauf, dass es seitens der Palästinenser als “jüdischer Staat” anerkannt wird. Das bedeutet schlicht, dass Palästinenser jedes Recht auf Rückkehr aus den Vertreibungen der Kriegsjahre 1948 und 1967 verwirken würden. Das israelische Beharren auf Anerkennung eines “jüdischen Staates” ist die politische Antwort auf die palästinensische Forderung nach einem Rückkehrrecht. Unnötig zu sagen, dass diese Frage zum Rückkehrrecht nur ein Streitpunkt unter mehreren ist, die den Konflikt seit langem ausmachen. In seiner Rede verkürzt Netanjahu den Konflikt aber auf genau diesen Punkt und befrachtet ihn mit etwas ganz anderem. [...] 
Der Nahostkonflikt ist nicht gerade mein Sternchenthema, deswegen war mir diese Vetriebenenproblematik bisher praktisch unbekannt. Sie kommt mir aber frappant bekannt vor, denn die gleiche Diskussion haben wir hier auf. Der "Bund der Vertriebenen" unter der der loose cannon Erika Steinbach vertritt hier auch die Rechte von irgendwelchen Vertriebenen, die vor vielen Jahrzehnten aus einem Land vertrieben wurden das sie heute nicht wiedererkennen würden. Wir nennen diese Leute Revisionisten, Spinner, Rechte, und wir tun das zurecht. Aber ernsthaft: die Vertreibungen von 1948? Es war Willy Brandts historischer Kniefall, seine de facto Anerkennung der Nachkriegsgrenzen, die eine Entspannung und eine Friedenspolitik mit dem Ostblock eröffnet hat. Die oppositionelle Union schrie damals Zeter und Mordio. Eine solche Person fehlt im Nahostkonflikt. 
Wenn weiterhin auf Rechten von 1948 oder 1967 beharrt wird, wird der Prozess nie vorankommen. Solche Positionen sind völlig unrealistisch. Man kann sie als Verhandlungsmasse herumschieben, öffentlich darauf beharren um die eigenen Unterstützer nicht zu verlieren (beides tat die CDU die 1970er und 1980er Jahre hindurch), aber ein echtes Beharren ist realitätsblind. Wer 1948 vertrieben wurde und sich noch erinnert, ist heute mindestens 70 Jahre alt. Wer 1967 vertrieben wurde ist immerhin rund 50. Bei dem demographischen Schnitt der Palästinenser heißt das, dass die Mehrheit bereits in der dritten Generation diese Gebiete gar nicht mehr kennt. Wohin soll hier eine Rückkehr stattfinden? Alles, um das es noch gehen kann, ist Anerkennung von Unrecht seitens Israels und Wiedergutmachung - aber auf einer tatsächlichen Rückkehr zu beharren ist vollständiger Unsinn.

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