Ein Gastbeitrag von Barbara Brüning, Journalistin und Autorin.
Also zugegeben, es ist fraglich, ob ich die Richtige bin um über Lebensplanung zu schreiben. Ich habe vier Kinder und na ja – geplant so im eigentlichen Sinne war das nicht. Ich gebe aber zu, dass ich Menschen, die ihr Leben mit etwas mehr Sinn und Verstand planen, schon immer bewundert habe. So wie man Menschen mit außergewöhnlichen Begabungen bewundert. Jetzt wird im neuen Programmheft der Frankfurter Frauenschule ein Kurs angeboten, der bei der Entscheidung, will ich ein Kind oder nicht, helfen soll. Die verschiedenen inneren Stimmen, die etwas zu dem Thema zu sagen haben, werden zu Worte kommen. Das ist sicher eine gute Sache und hilft, nicht überstürzt zu handeln. Falls diese Gefahr je bestand. Nur sollte man bedenken, dass diese inneren Stimmen keine treuen und ehrlichen Freunde sind. Im Gegenteil: braucht man sie, dann sind sie verschwunden, braucht man sie nicht, weil man sich eben wunderbar eindeutig und klar entschieden hat, dann melden sie sich mit sich Zweifeln und Unkenrufen und vermiesen die klare Sicht auf ungetrübte zukünftige Freuden.
Mit Kindern ist das eine besonders perfide Sache. Sie bringen Aspekte ins Leben des strukturierenden Erwachsenen, mit denen er schlicht nicht rechnen konnte. Vor allem eine ganze Palette an neuen, mächtigen Gefühlen. Gefühle, die ganz neue Stimmen haben und ganz andere Prioritäten setzen.
Neulich traf ich ein Paar, das ganz besonders gut geplant hatte. Beide hatten sich schon lange ein Kind gewünscht, aber mit der Partnersuche irgendwie kein Glück. Außerdem waren ihre Vorstellungen von der elterlichen Rollenverteilung nicht traditionell: Sie wollte ihren Beruf nicht aufgeben. Er wollte mit seinem Kind so viel wie möglich zusammen sein. Durchs Internet haben sie sich gefunden. Alles passte optimal. Alles wurde vertraglich festgehalten. Auch, dass derjenige, der für die Erziehung zuständig wäre, über Kindergarten und Schulwahl bestimmen dürfte. Das sollte natürlich er sein, denn ihr war das völlig schnuppe. Vorher jedenfalls. Als der Kleine dann aber so weit war, sah es doch anders aus. Plötzlich war ihr wichtig, dass er mit den Nachbarsjungen zusammen sein könnte. Es war um sie geschehen.
Wie eine neue Liebe die Tür zu einer neuen Welt öffnet – so noch viel mehr ein Kind. Es ist nur in sehr begrenztem Maße vorhersagbar, was mit einem passiert. Und „shit happens“: manchmal passt es nachher gar nicht mehr. Aber Scheidung ist ja so was Außergewöhnliches auch nicht. Soll ja auch Leuten passieren, die sich schon lange kennen.
In diesem Fall lag die Tragik darin, dass sie ihn jetzt am liebsten ganz wieder weg gehabt hätte aus ihrem Leben. Und dass sie beim Jugendamt auf Menschen traf, die der Meinung sind, ein Kind gehört in erster Linie zur Mutter. Tja, da stand der Vater, der seine Zeit vorher zu 90 Prozent mit dem Sohn verbracht hatte, ziemlich verloren da, als das Gericht entschied, er dürfe sein Kind nur noch alle vierzehn Tage für zwei Stunden sehen. Sowas gibt es tatsächlich häufiger als man denkt – der Verein Väteraufbruch kann davon ein Lied singen.
Die Geschichte zeigt jedenfalls eines ganz sicher: Man sollte den Plan nicht ohne den Anderen als unbekannte Größe machen. Und mit Kindern kommt mindestens eine weitere sehr unbekannte Größe hinzu – und man sollte bedenken, dass man selbst in einigen Jahren vielleicht auch eine große Unbekannte sein könnte.
Was jetzt aber alles nicht gegen die Lebensplanung sprechen sollte. Wirklich nicht. Denn die Chancen stehen natürlich besser, wenn man sich vorher klar macht, was alles mit Sicherheit auf einen zu kommt. Und da lässt sich schon so manches abhaken. Allerdings: wer die Vorhersagbarkeit liebt, sollte sich vielleicht lieber mit Zahlen beschäftigen.
Ich jedenfalls bin mit meinem kreativen Chaos zu Hause glücklich. Immer entsteht etwas komplett Neues – in mir und um mich herum. Nur manchmal – ganz ehrlich – wünsche ich mir, ich hätte mich mehr mit mathematischer Chaostheorie und Buchhaltung beschäftigt und könnte ordentliche Bilanzen und Vorhersagen erstellen, die dann unantastbar, nachvollziehbar und ein für alle mal gültig wären.
Aber so sind sie, diese inneren Stimmen: wechselhaft und launisch – schlimmer noch als – … ich selbst (nur manchmal natürlich).