Nein, dies ist nicht etwa die Idee eines Fans mit etwas skurrilen Ideen – das wäre nicht so tragisch. Es ist vielmehr die Absicht von José Mourinho und Real Madrids Präsident Florentino Pérez. Ob beide diese Absicht am Ende wirklich durchsetzen können, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Idee ist es, Gonzalo Higuaín für eine nennenswerte Ablösesumme bei Chelsea unterzubringen, Courtois zu verpflichten und Iker Casillas loszuwerden, pfeifen ein paar Spatzen von den Dächern des Bernabéu. Die Erfinder dieses Manövers: Mourinho und FloPer, die das Sagen haben, in dieser Reihenfolge.
Iker Casillas hatte noch nie einen Stein im Brett bei dem Präsidenten, der schon bei Amtsantritt eher laut als leise flüsterte, er wolle den Torwart gegen Buffon auswechseln. Das klappte nicht, damals regte sich erheblicher Widerstand. Doch jetzt, Jahre später, kann er auf die Unterstützung des Trainers zählen. Wenn sich das Feuer unterm Dach nicht legt, erscheint es sehr schwierig, dass Kapitän und Trainer zusammen in die nächste Saison gehen. Beide haben einen Vertrag in Madrid. Casillas, eine Legende im Club und noch mit einigen Karriere-Jahren vor sich, kann auf die unbedingte Unterstützung der Fans zählen.
Das letzte Weihnachtsfoto mit diesen Hauptdarstellern?
Doch FloPer seinerseits kann auf die Unterstützung von Mourinho zählen, der im vergangenen Sommer schon einmal, etwas halbherzig, die Kapitänsbinde für den Torwart in Frage gestellt hatte. Nur diesen beiden will es offensichtlich nicht in den Kopf, dass Iker Casillas geboren wurde, um im Bernabéu zu spielen und dort seine Karriere auch zu beenden. Ob sie sich trauen, die Fan-Meinung zu ihrem Plan einzuholen? Sie würden verlieren, ganz sicher. Wie würde Casillas selbst reagieren? So etwa ist die Situation zu einer Zeit, in der die heisse Phase der Liga eingeläutet ist.
Casillas ist der Kopf der Spielergruppe, die versucht, sich der verschwörerischen Mourinho-Sekte zu entziehen. Er ist derjenige, der auf dem Trainingsplatz rüber rief „Hey, Mister, hier sagt man sich die Sachen ins Gesicht, ok?“ Derjenige, der den Präsidenten darüber informierte, das sein Verhältnis zum Trainer nicht das beste ist. Casillas war es, der Xavi (Barcelona) anrief, um die Situation abzukühlen, nachdem Mourinho dem Co-Trainer von Guardiola, Tito Vilanova, den Finger ins Auge gesteckt hatte. So etwas vergisst der portugiesische Trainer nicht nach dem Motto „Wer nicht ausgesprochen für mich ist, ist gegen mich“. Doch Iker, die Madrider Torwart-Legende, hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen und lässt sich grundsätzlich nichts vorschreiben.
Casillas und Mourinho – ein gespanntes Verhältnis.
Zwischen Trainer und Torwart herrscht sehr viel gegenseitige Skepsis. Da verwundert so ein Plan nicht weiter. Aber Florentino Pérez? Den versteht niemand. Er hatte ein nicht immer entspanntes Verhältnis zu Hierro und Raúl. Der Innenverteidiger verschwand bald. Raúl wurde ausgehalten bis fast zum Vertragsende. Aber warum Iker Casillas? Dabei ist die Lage so neu wieder nicht. Der Präsident hatte schon den sehr jungen Casillas eher aus den Augenwinkeln betrachtet. Neid vielleicht auf die Gallionsfigur? Irgendein persönliches Trauma? Was hat der Torwart verbrochen, um das zu verdienen? Er hat fast alles gehalten, alles gewonnen und in jedem Stadion erntet er nur Wohlwollen. Es gab nie schmutzige Geschichten über Iker, jeder schätzt seine klaren Worte, seine natürliche Art und seinen Menschenverstand.
Niemand weiss, wie Mourinho dem Präsidenten den teuren Coentrao-Transfer schmackhaft machte oder wie der Portugiese seine sich immer wiederholenden Ausfälle erklärt seit er in Madrid ist. Beide sind sehr ego-verliebt. Sicher ist nur, dass sich FloPer mit Haut und Haaren an Mourinho verkauft hat, um Titel zu gewinnen, und sein Schicksal so mit dem des Trainers verband. Pérez wäre gerne der zweite Bernabéu, ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht unmöglich ist, dass Mourinho weiter zieht, wenn er „La Décima“ gewinnen sollte und den Auftrag erledigt hat. Er würde vielleicht einen anderen Platz suchen, wo er freie Hand und Geld genug hat für Verpflichtungen. Die zum Erfolg verurteilten Vereine würden sich um ihn prügeln, und er weiss das. Eine ganz andere Szenerie ergäbe sich nach einem Jahr ohne Titel. Ob FloPer dann Mourinho freie Hand für ein weiteres Jahr gibt oder sich, wie schon einmal, durch die Hintertür schleicht, wenn das auch eher unwahrscheinlich erscheint? Wie damals, am Tag dieser beschämenden Wahl, die am Ende den unsäglichen Calderón zum Präsidenten machte.
Jung, hungrig und vor allem sehr gut: Thibaut Courtois, der belgische Nationalspieler in Diensten von Atlético Madrid.
Pérez kam danach zurück, kraftvoll unterstützt von einem mächtigen Sektor der Presse, ohne sich auch nur einer Wahl stellen zu müssen. Er verstieg sich bis zu der Äusserung, Madrid zu verteidigen wie Mourinho sei auch „Señorio“. Jetzt hat FloPer Frieden geschlossen mit der UEFA, um den Preis, dass sich Mourinho zurücknimmt. Seine führenden Mitarbeiter schreien in alle Winde, dass der Trainer weitermacht. Dabei weiss man auch im Bernabéu genau, dass der Portugiese unberechenbar ist und eher mit dem Erfolg unter dem Arm das Weite sucht als ohne. Vorsichtshalber sucht man jetzt nach einer Möglichkeit, Sahin für ein Jahr woanders unterzubringen. Sollte Mourinho, der den Deutschtürken nicht schätzt, doch noch ein Jahr bleiben, will man den Mittelfeldmann, den man für wichtig für die Zukunft der Mannschaft hält, besser bis zum Vertragsende des Trainers ausserhalb dessen Reichweite parken.
Dass Real Madrid am liebsten Courtois verpflichten möchte, hast sich längst bereits bis Manzanares herum gesprochen. Dass Higuaín im Sommer geht, erscheint eher logisch; mehr noch, wenn man einen Benzemá hat, der eine FloPer-Verpflichtung ist im Gegensatz zum argentinischen Mittelstürmer. Chelsea hat Interesse, Preis aushandeln, kein Problem. Bis dahin eher eine fast logische Operation. Und dann ist da noch dieser hervorragende Torwart, jung und spielfreudig wie bei Atlético: Courtois. Alles hängt von Casillas ab und der Haltung, die er in diesem Kreuzzug einnehmen will. Entweder er akzeptiert leise seinen Abgang, oder er entschliesst sich, die Fan-Fackeln anzuzünden. Iker Casillas ist Idol und Symbol zugleich, das ist ihm bewusst. Er könnte einen echten Krieg entfachen, wenn er will. Andererseits sind schon andere Namen aus dem Bernabéu verschwunden, ohne dass es einen wirklichen Aufstand gab. Ob sie sich wirklich trauen werden?