Real de Catorce – Geisterstadt in den Bergen Teil 2

Von Jkandwarum @warum07

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Ankunft

Da stand ich also, in mitten von Bergen auf dem Parkplatz nach dem Tunnel. Eigentlich bin ich kein klaustrophobischer Typ, aber hier hatte ich das Gefühl die steilen Berghänge kommen immer näher und wenn ich nicht sofort weglaufe, packen und quetschen sie mich zu Tode. Das ist ja noch schlimmer als in der Schweiz. Ich wußte ja und wollte auch in die Berge fahren, aber so eng hatte ich es mir nicht vorgestellt. Tief Luft holend und mir einen innerlichen Tritt versetzend gingen wir los und suchten die Stadtmitte, wo unser Hotel liegen sollte. Während ich versuchte meinen Zustand vor der anderen Güera zu verbergen, hüpfte diese mit einem seligen Lächeln auf den Lippen trotz schweren Rucksacks leicht vor mir her und rief: “Oh, wie schön! Hier möchte ich sein! Oh, wie schön!”(Hüpf Hüpf)

Oh, oh, ich war in argen Schwierigkeiten. Unmöglich konnte ich ihr von meinen Gefühlen und Zuständen erzählen. Das brachte ich nicht übers Herz. Als sie aufhörte zu hüpfen, mich ansah und fragte: “Dir gefällt es hier überhaupt nicht, oder?” erkannte ich, dass die andere Güera mich schon sehr gut kannte. So gingen wir weiter die Kopfsteinpflasterstraße entlang und suchten unser Hotel. Zur rechten Seite gingen steil die Straßen hinauf und links führten sie steil abwärts. Und wenn ich steil sage, dann meine ich auch steil. Ein Mann mit einem Cowboyhut kam uns entgegen und fragte, ob wir einen Pferdeführer, Caballero, brauchen. Ausflüge zu Pferd sind bei Touristen sehr beliebt und bestimmt auch sehr schön, wir wollten aber erst einmal unser Hotel finden. Der dritte Caballero der uns ansprach half uns dann auch netterweise und machte sozusagen Erstkontakt mit der freundlichen Dame an der Rezeption. Das Hotel, eine umgebaute Hacienda, ist um einen Innenhof gebaut mit Zimmern auf mehren Zwischenebenen und Etagen. Von der Rezeption aus gingen wir eine Treppe hinauf in eine Art Esszimmer hinein, von dem mehrere Zimmer abgingen. Weiter führte uns die Frau in einen Innenhof, umzingelt mit Zimmertüren und erneut eine Treppe hinauf über eine Art Zwischenetage in ein wunderschönes Zimmer. Wir waren glückselig.

Nachdem wir es uns bequem gemacht hatten, entdeckten wir schräg gegenüber eine Wendeltreppe, die auf das Dach des vorderen Hauses führte. Schwupp die Wupp waren wir auch schon oben, denn diese Sicht wollten wir uns nicht nehmen lassen. Vor uns der Hauptplatz, Plaza de Hidalgo und schräg hinter uns die Kirche Parroquia mit dem davorgelegen Casa de Moneda. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gab es eines der zahlreichen Künstlergeschäfte aus dem auch prompt ein Mann herauskam, der aussah wie unser ehemaliger Nachbar aus Freiburg. Groß, blond mit Pferdeschwanz.  Der Besitzer, wie wir später erfuhren. Unabhängig von dieser Erscheinung, war es an der Zeit die Gegend zu erkunden. Die andere Güera trampelte schon von einem Bein aufs andere. Sie wollte hoch hinaus auf einen der Berge und sich den Ort von oben angucken. Inzwischen hatte ich mich damit abgefunden, mindestens einen Tag und eine Nacht hier verbringen zu müssen. Da ahnte ich noch nicht, dass ich nach drei Tagen nicht mehr fort wollte. Real de Catorce ist ein wirklich magischer Ort.

So gingen wir den Weg in Richtung Tunnel zurück, in der Hoffnung irgendwie am Rande des Berges und oberhalb des Ortes entlang gehen zu können. Zahlreiche kleine Gassen später befanden wir uns auf der Bergseite und kletterten wie die Ziegen weiter hinauf. Etwa eine halbe Stunde später waren wir oberhalb des Tunnels mit einer wunderschönen Aussicht auf Real de Catorce.

In der Ferne sahen wir Ruinen, die wir am nächsten Tag erkunden wollten. Jetzt ging es den Berg hinauf, allerdings schafften wir es bis zum Gipfel nicht. Erst sieht es so nah aus und umso näher man kommt umso ferner wird es. Erschöpft legten wir uns auf einen großen warmen Stein und ruhten uns aus. Ich war sofort weg. Wo ich war, kann ich gar nicht sagen, eingeschlafen war ich jedenfalls nicht. Der anderen Güera ging es sehr ähnlich. Wir mussten an Don Juan und Carlos Castañeda denken, die nicht unweit von hier, ihr “Unwesen” trieben. Allerdings hatte ich immer vermutet, dass sie zuviel Peyote genossen haben. Wir hatten noch nicht einmal Peyote gesehen. Leicht amüsiert und etwas durcheinander brachen wir den Rückweg an. Eine wirklich magische Gegend… Die Sonne schien uns ins Gesicht und im krassen Gegenteil zu Mexico City  hatte sie eine Kraft, die mich am Abend wie einen gekochten Krebs aussehen ließ. Der Wind wußte diese Kraft mit seinem kühlen frischen Atem zu verschleiern. Autsch. Trotzdem schliefen wir wunderbar in unserem Hotelzimmer unter dem Dach.

Obwohl wir durch unsere Busfahrt von Mexiko City hierher die Nacht benutzten und den darauffolgenden Morgen und Tag in Real verbrachten, hatte ich jetzt erst das Gefühl, angekommen zu sein. Nach einer erholsamen und ausgeruhten Nacht suchten wir, naturalmente, ein Café. Gleich um die Ecke wurden wir fündig: das Café Azul. Wir bestellten je “un cafe con leche”. Der Kellner nahm unsere Bestellung mit den Worten auf: “aber natürlich! Kommt sofort.” Man sprach hier also deutsch. Es stellte sich heraus, dass das Café Azul von einem schweizer Ehepaar geführt wurde. Nach einem netten Plausch und sehr leckerem Kaffee brachen wir auf zu den Ruinen, die wir am Vortag in der Ferne gesehen hatten.

Die Landschaft um Real ist zauberhaft. Ich mag diese wüstenhafte Gegend. Hinter jedem Stein lugen kleine Kakteen hervor, Algaven winken mit ihren meterhohen Blüten und hin und wieder grüßen Ziegen von den Hängen. Hinweise auf den unterirdischen schweizer Käse, verursacht durch zahlreiche Minenschächte, geben herunter gerutschte Berhänge, dort, wo ein Schacht nachgegeben hatte. Aber gefährlich erschien mir die Gegend nicht. Die besagte Ruine aus der Ferne sah zwar aus wie ein Kloster, doch stellte auch sie sich als ehemalige Mine vor. Auf Schritt und Tritt trifft man auf Ruinen, Mauern und verlassene Häuser. Doch hin und wieder gibt es diese scheinbar unberührte Natur, das wirkliche Wirikuta. Hier habe ich mich in diese Gegend verliebt. Die darauffolgende Tage haben wir genutzt um immer tiefer in die Gegend hinein zu wandern. Sie strahlt eine Ruhe und Gelassenheit aus. Keine Spur von der immer wieder bevorstehenden Bedrohung durch Minenunternehmen ohne Bezug zu der Gegend und ihren Bewohnern. Dies ist die Heimat der Huicholes oder genauer gesagt, der heilige Ort, da die Huicholes eigentlich aus der Südwest Pazifik Gegend von Mexiko kommen, aber sich schon zu Azteken Zeiten in die Sierra zurückgezogen haben sollen. Auf einen der Berge soll die Welt geboren worden sein. Das glaube ich sofort, erscheint es mir einleuchtender als das ein weißbärtigen alter weißer Mann sie geschaffen haben soll. Der Name Huichole bedeutet Heiler, Sie selbst nennen sich Wixáritari (the people). Sie sind auch die Wächter des Peyote Kaktus. Leider reichte mein Spanisch nicht aus um mich wirklich sinnvoll unterhalten zu können. Gelegenheiten gab es genug. Doch die Gegend spricht für sich selbst.

 Wir wären am liebsten hier geblieben. Die Aussicht wieder zurück in die große Stadt Mexico City zu fahren, erschien uns nicht mehr so spannend. Die Zeiten der günstigen Zimmer bzw. Wohngelegenheiten sind jedoch eindeutig vorbei. Wir trafen auf Monica, eine US Amerikanerin, die der Liebe wegen schon seit 20 Jahren in dieser Gegend lebt. Sie hat ein Haus im Tal ohne Strom und Internet. Sie bot uns an einige Tage bei ihr zu wohnen, falls wir ein Zelt dabei hätten. Hatten wir nicht. Aber wir kommen wieder Monica. Keine Frage! Und dann haben wir auch unser Zelt dabei.
Und so fuhren wir am nächsten Tag mit dem Bus zurück durch den Tunnel, stiegen um in Richtung Matehuala und kamen um 1 Uhr früh in Mexico City an, wo wir ein Taxi nehmen mussten, da in der größten Stadt der Welt um diese Uhrzeit keine Metro mehr fährt.

Unsere Bildergalerie:

Für mehr an Informationen sei allen diese Seite von Real de Catorce empfohlen (in Englisch und Spanisch) mit einem ausführlichen geschichtlichen Überblick und vieles mehr.