Abfahrt
Der Plan stand fest. Wir wollten nach Real de Cartorce. Real de Was? Real de Cartorce. Kennst du nicht? Macht nichts. Bis vor kurzem war das auch noch eine Geisterstadt. Doch dann kamen die Schweizer… Ein Scherz. Aber die Population in der ca. 1000 Einwohner großen Ortschaft an Schweizern ist über proportional groß, finde ich. Das soll jetzt keine Kritik sein, im Gegenteil. Aber zurück zum Anfang. Der Plan stand also fest.
Nach sorgfältiger Recherche machten wir uns auf, den Busbahnhof Nord zu finden. Einen kleinen Hinweis hatten wir ja schon. Nord. Angeblich sollte er eine eigene Metro Station haben. Und so war es dann auch. Die Station heißt Autobusses del Norte und die gelbe Linie 5 fährt dort vorbei. Ich mag diese Metro Linie sehr gern, da sie viel überirdisch fährt und Einblicke auf die Stadt zuläßt.
Im Busbahnhof mussten wir uns erst einmal entscheiden, welche der vielen Terminals Fahrten nach Real de Cartorce anbieten und wie die Preise sind. Genauer gesagt, man fragt nach Matehuala und steigt dort in einen Bus nach Real 14 um. Es gibt also keine direkte Verbindung von Mexico City aus. Nach ein paar mal nachfragen haben wir heraus gefunden, dass viele Busse in die Richtung fahren und das der Preis im Komfort der Busse liegt. Extra Beinfreiheit und Service am Platz war uns nicht so wichtig, daher nahmen wir den günstigsten. Die Busgesellschaft Transporte del Norte erschien uns vertrauenerweckend und hatte dazu auch noch die netteste Verbindung. Hierzu sei nur noch kurz erwähnt, falls man meint, wenn das spanisch nicht reicht mal schnell auf englisch umzusteigen, der sei gewarnt. Die angeblich größte Stadt der Welt mit ihren wieviel tausenden von Touristen spricht kaum englisch.
Da die Fahrt nach Matehuala ca. 7 Stunden dauert, wollten wir in der Nacht fahren, so daß wir am Morgen in Real sein konnten und der ganze Tag zum Entdecken offen ist.
Am nächsten Morgen ging es los.
Zum Hundespaziergang und Kaffee trinken…
Das ist genau das, wieso ich gerne erst am Abend auf Reisen geh. Den ganzen Tag über kann ich so tun, als wäre nichts und gegen Abend kommt dann die Aufregung: Wir fahren los. Juchhu! Abenteuer! Das ist mir doch zu Tagesanfang viel zu anstrengend. Da will ich meine Ruhe haben und Kaffee trinken. Wir waren natürlich viel zu früh am Busbahnhof und hatte noch ordentlich Zeit. Wie fühlt sich das wohl so an in dieser großen, ach was sage ich, riesigen Stadt mitten in der Nacht an einem Busbahnhof zu sitzen? Wir konnten nicht wirklich einen Unterschied zu tagsüber entdecken. Überall saßen Familien mit ihren halb schlafenden Kindern und warteten. Von Gesindel, Räuber oder Bösewichten keine Spur. Also nicht mehr oder weniger was an einem Busbahnhof zu erwarten ist. In Deutschland war es mir immer ein Greuel nachts auf dem Bahnhof abzuhängen. In Mexico ist es ganz normal und üblich mit dem Bus zu fahren, auch nachts, weil die Strecken so riesig sind und die Tickets manchmal etwas günstiger. Es gibt ja auch keine Alternative, da das Zugstreckennetz komplett abgeschafft wurde. Mit dem Auto fahren die Wohlhabenden und Reichen. Touristen haben wir nicht viele gesehen. Eigentlich keine. Entweder haben alle Angst vor den Drogenleuten, oder es ist keine Saison, oder die Fahren mit Reisebussen. Wir sind jedenfalls nie auf Touristen gestoßen und die Menschen, die mit uns die Busfahrt teilen, machen auf uns eher einen mexikanischen Eindruck.
Die Fahrt selber war sehr angenehm. Die Sitze bequem mit viel Beinfreiheit. Nach einer Weile war auch der Film zu Ende, der über Lautsprecher durch den ganzen Bus drönte und alle wollten schlafen. Das Licht wurde gedämmt und es wurde richtig gemütlich in unserem Bus. Doch nach einer Stunde wurde ich geweckt. Der Nachbar hinter uns rechts schlief auch. Tief und fest. Und jetzt weiß ich , wieso es in manchen Gegenden keine Bäume mehr gibt. Der anderen Güera machte das alles nichts aus. Sie schlief. Auch tief und fest. Also versuchte ich mir kleine Schäfleins vorzustellen, die leicht und locker über frisch abgesägte und errichtete Holzzäune sprangen. 1 Schäflein hüpf, 2 Schäflein hüpf, 3 Schäflein… zzzzzz
Gerade als ich das Land der Träume erforschen wollte kamen wir in San Luis Portesi an. Diese Stadt, so wurde uns mehrfach erzählt, soll überaus schön sein. Tagsüber, denke ich, Nachts sind alle Mäuse grau. Hier ein l i n k für alle weiteren Interessierten.
Nach einem kurzen Aufenthalt ging die Fahrt weiter nach Matehuala. Der Name Matehuala bezieht sich auf den Krieg zwischen, man ahnt es schon, den Spaniern und den indigenen Guachichil und heißt so viel wie: “¡No vengan!” “Do not come!” “Komme nicht!”, was als Warnung gemeint worden war. Allerdings kann man die Guachichiles nicht mehr fragen, sie wurden ausgestorben. Wir haben uns als Güeras und Weißnasen auch nicht abhalten lassen dort hin zu fahren. Viel haben wir von dem Ort nicht gesehen. Uns war mehr nach einem Kaffee (schließlich war es 6 Uhr früh) zu mute und nicht nach Sightseeing. Gegen 7 Uhr bestiegen wir den Bus nach Real de Catorce.
Nach ca. einer dreiviertel Stunde fuhren wir nun endlich in Richtung Berge. Vorher wurden unzähligen Touren durch den Ort gefahren und schwups hielten wir schon wieder an einem Busbahnhof. Dabei ist Matehuala wirklich nicht groß. Der Nachbarort hatte auch eine Bushaltestelle. Natürlich. Hin und wieder wurden winkende Leute mit aufgenommen und weiter ging es. Dann bog der Bus nach links in Richtung Berge ab. Nach 10 Minuten hörte die asphaltierte Straße auf und eine Art Kopfsteinpflaster begang. Ratter Schüttel Holper. Nichts für schwache Gesäßmuskeln. Wie spannend. Ich saugte die Gegend, die Wüste, mit meinen Augen auf. Konnte mich nicht satt sehen. Nach Wirikuta sollte es gehen, das Zuhause der Huicholes und dem Peyote, diesem kleinen Kaktus der den Gewillten auf Visionsreise schickt. Das ist für viele Touristen einer der Hauptgründe, wieso sie nach Real de Catorce fahren. Am alten Bahnhof einen Schamanen treffen und auf Reisen gehen. Ach ja, und die Welt wurde hier kreiert. So glauben die Huicholes.
So fuhren wir immer weiter die sich windende Strasse hinauf, um nach einer halben Stunde wieder Halt zu machen. Vor einem Tunnel. Dieser Tunnel führt nach Real de Catorce und er ist der einzige befahrbare Zugang. Er wurde per Hand in den Berg gemeiselt. Damals zu den Hochzeiten des Silberabbaus, als in Real 10 000 Menschen gelebt haben sollen und im gesamten Gebiet über 40 000. Dann verschwanden alle, bis auf wenige. Heute zählt der Ort um die tausend Einwohner. So mussten wir den Bus verlassen und uns in einen viel kleineren nur mit Plastiksitzen bestückten Bus quetschen. Und dann ging es los, in das schwarze Loch hinein…
Für den Fall, dass sich mal jemand gefragt haben sollte, wie sich Flüssigkeit in einer Flasche fühlt, die kräftig durchgeschüttelt wird, ich könnte da jetzt Auskunft geben. Schließlich bestehen wir ja fast hauptsächlich aus Wasser, oder? Zu dem Schütteln, das Dröhnen des Buses und der schlechten Luft im Bus kamen die Wände des Tunnels, oder besser gesagt, die Ecken. Eigentlich war ich mir ein paar mal sehr sicher, das wir gleich anecken werden und duckte mich schon mal vorsichtshalber. Unser Busfahrer schien aber zu wissen was er tat und so war nach einigen Minuten später Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Und schwupp fuhren wir auf einen großen Parkplatz, wo der Bus parkte und wir mit Sack und Pack ausstiegen.
Ankunft Real de Catorce – So hatte ich mir das allerdings nicht vorgestellt und verspürte den Drang, gleich wieder mit dem Bus zurück zu fahren…
Ende Teil 1 oder Fortsetzung folgt