Raumfahrt - Privat in die Umlaufbahn

Fünf Firmen arbeiten derzeit daran, für die USA ein neues bemanntes Raumschiff zu entwickeln, das in einigen Jahren in eine niedrige Erdumlaufbahn und zur Internationalen Raumstation fliegen soll. Darüber berichtet Eugen Reichl, Mitarbeiter bei einem großen europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern, in der Novemberausgabe von "Sterne und Weltraum"
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Aus: Sterne und Weltraum, November

Die Arbeiten laufen mit finanzieller Unterstützung der US-Raumfahrtbehörde NASA im Rahmen des Programms CCDev. Das Kürzel steht für „Commercial Crew Development“ und dient dazu, die kommerzielle Entwicklung und den Betrieb bemannter Raumfahrzeuge in niedrigen Erdumlaufbahnen in Gang zu bringen. Dazu stellt die NASA nur Startkapital zur Verfügung, um Privatunternehmen freie Hand bei der Umsetzung ihrer Ideen zu geben. Bei den geförderten Firmen wird aber erwartet, dass sie zusätzlich zu diesem staatlichen "Saatgeld" in erheblichem Umfang Eigenmittel einsetzen. Bewusst fördert die NASA hierbei völlig verschiedenartige Lösungsansätze, um die technologische Vielfalt zu erhöhen.
Derzeit stehen den USA und damit der gesamten westlichen Welt für mehrere Jahre kein eigenes Transportsystem zur Verfügung, mit dem sich vom eigenen Territorium aus die Internationale Raumstation erreichen ließe. Stattdessen nutzen die westlichen Raumfahrer hierfür die Raumkapsel Sojus, deren Flüge sich die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos gut bezahlen lässt.
Vier der fünf Vorschläge sehen wiederverwendbare Raumkapseln vor, von denen sich zwei stark an die kegelförmigen Raumkapseln der Apollo-Mondflüge annähern. Diese klassischen Raumkapseln werden unter der Bezeichnung CST-100 beziehungsweise Orion von den beiden Raumfahrtkonzernen Boeing und Lockheed-Martin entwickelt und gebaut. Sie sollen mit bereits vorhandenen, bislang unbemannten Trägerraketen wie der Delta-IV oder der Atlas-5 ins All gebracht werden. Sie befinden sich wie beim Apollo-Programm in den 1960er Jahren an der Spitze der jeweiligen Trägerrakete und werden von dieser in eine Erdumlaufbahn befördert.
Nach dem Start steuern die Kapseln mit ihrem eigenen Antrieb die Internationale Raumstation an und docken dort an. Für die Rückkehr wird ein Bremstriebwerk gezündet und die Kapseln treten in die Erdatmosphäre ein, wo sie durch die Reibung an den Luftmolekülen abgebremst werden. Nach dem Erreichen der tieferen Atmosphärenschichten gehen sie dann an Fallschirmen hängend im Ozean nieder und werden von Bergungsschiffen aufgenommen.
Zwei weitere Raumkapseln werden von sehr jungen Raumfahrtfirmen geplant, die jeweils erst vor wenigen Jahren von je einem Milliardär als Privatunternehmen gegründet wurden. Sehr im Geheimen arbeitet die Firma Blue Origin in Texas, die dem Begründer des Internet-Versandhauses Amazon, Jeff Bezos, gehört. Sie entwickelt unter der Bezeichnung "Space Vehicle" ein Mittelding aus Raumkapsel und Raumgleiter, über das nur sehr wenig bekannt ist. Es ist ein Auftriebskörper, der zunächst wie eine konventionelle Raumkapsel an der Spitze einer Trägerrakete startet und zur ISS fliegt. Seinen Vorteil spielt das "Space Vehicle" bei der Landung aus, da es eine größere Manövrierfähigkeit als eine konventionelle Raumkapsel besitzt, somit auch kontrolliert auf dem Land niedergehen kann und nicht im Ozean wassern muss.
Sehr weit gediehen ist die Dragon-Raumkapsel der Firma SpaceX des Internetmilliardärs Elon Musk. Sie absolvierte als unbemannte Frachtkapsel im Dezember 2010 bereits einen Testflug und wurde von der selbst entwickelten Trägerrakete Falcon-9 in eine Erdumlaufbahn befördert. Die glockenförmige Dragon-Kapsel lässt sich zu einem bemannten Raumfahrzeug aufwerten, wofür SpaceX nun Fördergelder aus dem CCDev-Programm erhält. Derzeit landet die Dragon-Kapsel noch im Wasser, aber in Zukunft soll sie auch auf festem Land niedergehen können.
Von den Raumkapseln hebt sich der Vorschlag "Dream Chaser" des fünften Mitbewerbers Sierra Nevada Corporation deutlich ab. Diese Firma baut einen kleinen Raumgleiter, der ebenfalls an der Spitze einer Atlas-5 oder Delta-IV gestartet werden soll. Dabei greift Sierra Nevada auf die Entwicklungsarbeiten der NASA Ende der 1980er Jahre zurück. Sie entwarf seinerzeit unter der Bezeichnung HL-20 einen Raumgleiter als Rettungsfahrzeug für die Internationale Raumstation, führte diese Arbeiten aber nie zu Ende. Der besondere Vorteil des "Dream Chasers" liegt darin, dass er wie ein Flugzeug auf einer normalen Rollbahn aufsetzt – ein sehr sanftes Landeverfahren. Zudem ist er nach dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre sehr manövrierfähig und kann seinen Anflug zielgenau steuern.
Anfang 2012 wird das CCDev-Programm in die nächste Förderphase eintreten, wobei neben dem vom US-Kongress direkt geförderten Orion-Raumkapselprogramm zwei bis drei Projekte durch die NASA weiter finanziell unterstützt werden. Auf jeden Fall bleibt aber die Entwicklung im Bereich der nächsten bemannten US-Raumschiffe spannend.

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