Rauchen, kiffen und abhängen

Rauchen, kiffen und abhängen Remakes von Filmen sind schon lange bekannt. Reenactments, in welchen künstlerische Situationen wiederbelebt werden, etwas weniger. Ein Mischmasch aus einem Remake und einem Reenactment musste aber erst erfunden werden. Michael Laub ist dies auf höchst einfallsreiche Weise mit seinen Remote Control Productions gelungen.

Fassbinder bleibt aktuell

Impulstanz brachte im Akademietheater seine jüngste Produktion „Fassbinder, Faust and the Animists“ zur Aufführung, die das Publikum mit größtem Vergnügen aufnahm. Die künstlerische Vorlage stammt von Kultregisseur Rainer Werner Fassbinder und kam 1971 unter dem Titel „Warnung vor einer heiligen Nutte“ in die Kinos. Darin zeigt er das Scheitern einer Filmproduktion am Set, die Mechanismen einer unterdotierten Filmproduktion, ihre Auswirkung auf die Mitwirkenden und nicht zuletzt auch das Gebaren des Regisseurs und Produzenten, die vor Unterdrückungsmechanismen und offen zur Schau gestelltem Machtgehabe nicht zurückschrecken. [caption id="attachment_25046" align="aligncenter" width="640"]Rauchen, kiffen und abhängen MichaelLaub_FassbinderFaustandtheAnimists_c_RogerRossell[/caption] Den „unmöglichen“ Film über das Scheitern eines Drehs mit zum Teil schlechten Schauspielern hatte Laub, Pionier des postdramatischen Theaters, kurz nach seinem Erscheinen gesehen und sich an ihn nun wieder erinnert. Mit der höchst persönlichen Fassbinder-Interpretation ist ihm ein theatralischer Wurf geglückt, der das Publikum in eine Zeit eintauchen lässt, in welcher Turbokapitalismus, Umweltschutz und globale Flüchtlingsströme noch kein großes Thema waren. Kettenrauchen, Kiffen, Abhängen, im Rampenlicht eines Filmscheinwerfers Stehen aber schon. Künstlerisch übersetzt wird dies alles so, dass man die 70er im Zuschauerraum – dem intensiven Zigarettenkonsum sei Dank – sogar riechen kann.

Laub wartet mit einem Ideen-Tsunami auf

Laub verzahnt dabei einzelne originale Filmszenen, die auf die große Leinwand projiziert werden, mit den gleichen Szenen, die auf der Bühne nachgespielt werden. Er lässt vorweg oder auch im Nachhinein einzelne Personen seines Ensembles ihre Texte aufsagen, aus dem Zusammenhang gerissen – der sich erst später, meist durch Filmeinspielungen, erklärt. Er trennt die einzelnen Szenen durch Tanzeinlagen, die dem Madison Dance entnommen sind. Einer Tanzrichtung, die in Amerika in den 50er Jahren entstand. Dabei tanzen die Gruppenmitglieder nach fest choreografierten Schrittabfolgen, so aufgestellt, dass sie sich dabei nicht behindern können. Die Kostüme, ganz dem Fassbilder-Film nachempfunden, strahlen dieselbe Unbeschwertheit aus wie die Tänze, die sich durch den gesamten Abend durchziehen. [caption id="attachment_25042" align="aligncenter" width="640"]Rauchen, kiffen und abhängen MichaelLaub_FassbinderFaustandtheAnimists(c)DorotheaTuch[/caption] Um der Falle zu entkommen, dass eine Filmnacherzählung bestenfalls ein Abklatsch des Originals sein kann, schiebt Laub mehrere Szenen ein, die mit der Handlung in keinem direkten Zusammenhang stehen. So darf Fausts Gretchen an einer Stelle in einer körperlichen Verdoppelung ihren Monolog herunter ratschen, an einer anderen wiederum in die Persönlichkeit einer japanischen Schülerin switchen. Deren Sexfantasien lässt sie fröhlich kreischen, aber auch vor Angst und Ekel erbeben. Dass Animismus für Laub ein Thema ist, mit dem er sich beschäftigt, wird ebenso an Filmeinspielungen aus Asien deutlich, als auch an einer – ebenfalls monoton – vorgetragenen Begriffserklärung. Immer, wenn Erläuterungen angesagt sind, kommen diese so über die Bühne, dass man ihnen dabei wenig Aufmerksamkeit schenken mag – Erinnerungen an die Schule mit Oberlehrer mit erhobenem Zeigefinger werden dabei wach. Köstlich, wie Laub diese Lehr- und Lernzustände persifliert. Unglaublich, welcher Ideen-Tsunami in diesem Stück sichtbar wird.

Gestern ist auch heute

[caption id="attachment_25048" align="alignleft" width="427"]Rauchen, kiffen und abhängen MichaelLaub_FassbinderFaustandtheAnimists_c_RogerRossell[/caption] Mit kurzen Videos, die bei Proben in Asien für die aktuelle Produktion aufgenommen wurden, wird das Geschehen, das bei Fassbinder zwar in Italien stattfindet, aber aus ökonomischen Gründen in Spanien gedreht wurde,  ins Heute transferiert. Und wenig erstaunlich dabei: Den Gesichtern einiger gefilmter, männlicher Darsteller ist zum Teil zu entnehmen, dass sich die Verhältnisse am Set in den letzten 46 Jahren, seit Erscheinen des Fassbilder-Filmes, wenig geändert zu haben scheinen. Es muss – wie eh und je beim Film und im Theater – auf Kommando Leistung gebracht werden, Pausen ziehen sich elendslang und so manche Aktion, die der Regisseur einfordert, stößt auf wenig Gegenliebe. Dass sich Laub in einer kurzen Filmsequenz selbst verewigt hat, sei nur als Fußnote angemerkt. Der Soundtrack – allen voran die Musik aus dem Fassbinderfilm mit Takes von Ray Charles (let´s go get stoned) und Leonhard Cohen (so long Marianne) sowie Auskoppelungen aus aktuellen asiatischen Pop-Produktionen – trägt das Geschehen über die vollen zwei Stunden mit einer angenehmen Leichtigkeit.

Locker, flockig und tiefschürfend zugleich

So locker und flockig der Abend auch daherkommt, so viele versteckte Ebenen hält er zugleich auch bereit. Man kann sie wahrnehmen, muss aber nicht – das ist das Schöne daran. Es ist nicht nur die Aktualität des Themas, die nichts an Brisanz verloren hat - die Abhängigkeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Kulturbusiness. Laubs Affinität zu Asien und zur dortigen Popproduktion, die sogar anarchische Züge trägt, schimmert dabei ebenso durch wie Moralanschauungen und die weibliche Beziehung zum Thema Sex, die sich durch die Jahrhunderte verändert haben und sich innerhalb der Aufführung nachvollziehen lassen. Die Suche nach Entspannung, nach Trance und vielleicht sogar nach dem Sinn des Lebens, auch sie wird unaufdringlich mehrfach thematisiert. Herrlich, wie das Ensemble dabei bei einer Joga-Sitzung zu Cohen-Klängen in die Luft entschwebt. Die Produktion ist nicht zuletzt aber auch von einem starken Willen getragen, das Publikum zu unterhalten. Von der Idee, dass Theater, trotz aller Konstanten, dennoch zeitgeistig sein kann und nach wie vor seine Berechtigung hat. Ein großes Kompliment an das durchwegs sympathische Ensemble: Juli Apponen, Allison Brainard, Magdalena Chowaniec, Maxwell Cosmo Cramer, Astrid Endruweit, Lukas Gander, Robert Gather, Melissa Holley, Mike Iveson Jr., Vanthy Khen, Florian Lenz, Teyva Ly, Gabrielle Miller, Melissa Anna Schmidt, Chanrotha Un, Greg Zuccolo, Lars Studer. https://youtu.be/l2dRX8b-Bv4

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