Über Folgen und Kosten des Rauchens gibt es zahlreiche Studien. Ein von mir immer wieder gerne verwendetes Beispiel ist eine Untersuchung aus den 1970er Jahren. Damals wurden vergleichen, wie viele Raucherinnen und wie viele Nichtraucherinnen innerhalb von fünf Jahren nach Beginn der Studie verstarben. Betrachtet man das Gesamtergebnis, so hat ein höherer Anteil von Raucherinnen überlebt. Allerdings waren die Forscher damals nicht so dumm, eine gesundheitsfördernde Wirkung des Rauchens zu unterstellen. Vielmehr verglichen sie einzelne Altersgruppen und tatsächlich starben Raucherinnen öfter. Weil Rauchen bei Frauen aber damals ein verhältnismäßig junges Phänomen war, gab es in der Altersgruppe der über 70-Jährigen besonders wenige Raucherinnen, dafür wurde hier besonders oft gestorben. Wer nur auf das Gesamtergebnis schaut, der kommt deshalb zu falschen Schlüssen.
Mittlerweile ist es einigermaßen unumstritten, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist. Nun streiten die Wissenschaftler darüber, ob Raucher die Volkswirtschaft Geld kosten oder aber Geld sparen. Eine Studie zu dem Thema ging neulich durch die Presse. Wer früher stirbt, ist länger günstig, titelte die Süddeutsche Zeitung dazu.
Nun liegt es mir fern, einfach nur Inhalte zu wiederholen, die schon in fast allen Zeitungen standen. Vielmehr möchte ich noch etwas tiefer auf die Frage eingehen, warum die Ergebnisse so unterschiedlich ausfallen. Die Süddeutsche Zeitung beispielsweise schreibt "Einer Studie zufolge nimmt der Staat mehr Tabaksteuern ein, als er für die Krankheiten der Nikotinsüchtigen ausgibt. Doch sie ignoriert wichtige Faktoren." Das ist leider nicht ganz richtig.
Wie später im Text dann auch richtig dargelegt wird, liegen die Tabaksteuern keineswegs über den Gesundheitsausgaben für Raucherkrankheiten. Vielmehr ist es, wie in der Überschrift angedeutet, der frühere Tod.
Das sind natürlich methodische Unterschiede. Mal wurden nur Raucher im Raum Augsburg befragt und die Ergebnisse hochgerechnet, mal wurden einfach Raucher und Nichtraucher vergleichen und dann wieder auch andere Unterschiede einberechnet. Beispielsweise rauchen nach Daten des Robert-Koch-Instituts von den Frauen von 18 bis 29 Jahren zwar 39,0 Prozent der Frauen mit niedrigem Bildungsniveau, aber nur 29,3 Prozent der mit hohem.
Vor allem aber unterscheidet sich die Betrachtung je nachdem, welche Kosten mit einberechnet werden. Klassische Untersuchungen blicken vor allem auf die Ausgaben für Raucher in der Gesundheitsversorgung. Mitunter wurde der Blickwinkel dann erweitert und es wurden der Arbeitsausfall, Witwen- und Witwer- sowie Waisenrenten miteinbezogen.
Die jetzt in vielen Medien zitierte Studie des Karlsruher Institut für Technologie, nach der Raucher im Jahr 2011 den Staat um etwa 36 Millionen Euro entlasteten, berücksichtigt dagegen auch geringere Ausgaben der Rentenversicherung. Der Hamburger Wissenschaftler Tobias Effertz will dagegen herausgefunden haben, dass Raucher so hohe Kosten verursachen, dass eine Schachtel Zigaretten 12,30 Euro kosten müsste.
Vieles spricht dafür, dass die Studie des KIT die tatsächlichen Kosten besser abbildet als die meisten bisher bekannten Publikationen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt nebulös nur von "unterschiedlichen Konzepten", doch der Unterschied liegt vor allem in der Berücksichtigung von Kosten der Rentenversicherung. Zwar kritisiert der Hamburger seine Karlsruher Kollegen, da sie keine weiteren Daten neben der Unterscheidung Raucher/Nichtraucher berücksichtigt hätten. Er hat über "Die ökonomischen Kosten gefährlichen Konsums" habilitiert, dazu gehören natürlich auch Zigaretten. Die Berücksichtigung von weiteren Daten wie dem Bildungsniveau würde sicher zu besseren, vermutlich aber nicht zu ganz anderen Ergebnissen führen. Die Karlsruher Forscher schreiben sogar "Weil andere mit dem Rauchen korrelierte Faktoren nicht berücksichtigt werden, kommt es zu einer Überschätzung der externen Nettokosten des Rauchens." Das heißt, möglicherweise liegen die Einsparungen des Rauchens in Wahrheit niedriger, weil ein Teil des Unterschieds in der Lebenserwartung auch auf anderen Faktoren wie Alkoholkonsum beruht, allerdings werden auch die Kosten des Rauchen überschätzt, weil die ein oder andere Krankheit eines Rauchers eigentlich auf andere Gründe zurückgeht. Das muss sich nicht 1:1 ausgleichen, ein gänzlich anderes Ergebnis ist aber nicht zu erwarten.
Wer es nicht glaubt, der muss sich nur mal vor Augen halten, dass auch Nichtraucher irgendwann sterben. Auch dann fallen oft hohe Kranken- und teilweise noch Pflegekosten. Ob man mit 65 an Lungenkrebs oder mit 85 an Darmkrebs erkrankt, ist kostenmäßig fast egal. Natürlich gibt es auch den Fall, dass jemand mit 55 Lungenkrebs hat und überlebt und dann zweimal Kosten verursacht, doch insgesamt dürfe es bei den Pflege- und Gesundheitskosten gar keine so großen Unterschiede geben.
Diese Faktoren erhöhen die Kosten des Rauchens:
- Direkte Kosten für die Behandlung von Krankheiten
- Lohnersatzleistungen
- Verdienstausfall während Behandlung
- Reduzierung der Arbeitsleistung nach Behandlungsende
- Ausfall von Steuereinnahmen bei Tod und Arbeitsunfähigkeit
- Witwer- und Waisenrenten
Hier aber spart das Rauchen Geld:
- Weniger Ausgaben der Rentenkasse
- Weniger Ausgaben der Kranken- und Pflegekasse bei früherem Tod.
Berücksichtigen müsste man strenggenommen nämlich noch den Ausfall von Steuergeldern, wenn jemand vor Erreichen der Rente stirbt. Außerdem ist die Betrachtung natürlich sehr ökonomisch. Wenn Menschen fünf Jahre früher sterben ist das schlecht, selbst wenn es Sozialausgaben einspart. Aber die Autoren der Studie haben auch nie behauptet, dass Rauchen eine gute Sache wäre. Doch wer trotz allem rauchen will, der muss nicht noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Sozialstaat haben, sondern nur seiner Gesundheit gegenüber. Insofern ist es insgesamt eine gute Nachricht, wenn die Zahl der rauchenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen von 44 Prozent im Jahr 1979 und sogar 45 Prozent 1983 auf 22 Prozent im Jahr 2014 gesunken ist.