Die soziale Ungleichheit nimmt weltweit zu. Zu diesem Ergebnis kommt die Entwicklungsorganisation Oxfam in ihrem kürzlich erschienenen Bericht „Even It Up – Time To End Extreme Inequality“ und verantwortlich dafür seien der Marktfundamentalismus und die Macht, die in den Händen von wirtschaftlichen Eliten liegt.
Die Kluft zwischen arm und reich lasse sich nicht nur im Vergleich der Staaten zeigen. In den Jahren 1980 bis 2002 habe diese Ungleichheit ein sehr hohes Niveau erreicht, wobei in den letzten Jahren ein leichter Gegentrend zu verzeichnen war. Aber 70 Prozent der Weltbevölkerung leben in Ländern, in denen die Kluft zwischen „Habenden und Habenichtsen“ in den vergangenen 30 Jahren größer geworden ist.
Auf der einen Seite leben heute Millionen Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser oder können ihre Familien kaum ernähren. Auf der anderen Seite habe sich die Zahl der Milliardäre seit Ausbruch der Finanzkrise weltweit verdoppelt auf nunmehr 1645 Menschen. Ihr Vermögen entspreche den Bruttoinlandsprodukten Deutschlands und Kanadas zusammen. Die weltweit reichsten 85 Personen besitzen mehr als die ärmste Hälfte der Menschheit und wurden in den Jahren 2013 und 2014 pro Tag um 668 Millionen US-Dollar reicher, was einer halben Million US-Dollar pro Minute entspricht.
Extremen Reichtum gebe es nicht nur in wohlhabenden Ländern. Der reichste Mann der Welt sei der Mexikaner Carlos Slim, der im Juni diesen Jahres Bill Gates auf den zweiten Platz verwies. Im Afrika südlich der Sahara gebe es 16 Milliardäre, während 358 Millionen Menschen in bitterer Armut leben.
Das der Reichtum der Wenigen in diesem Maße wachsen konnte, sei gleichermaßen Folge und Ursache einer Anhäufung von Macht. Die Reichen schaffen sich ihre Regeln. So geben Finanzinstitutionen allein für Lobbyarbeit auf EU-Ebene 120 Millionen US-Dollar pro Jahr aus. 70 Prozent der 500 weltweit umsatzstärksten Unternehmen hätten Niederlassungen in Steuerparadiesen und allein durch Steuerflucht von Privatpersonen seien den Staatshaushalten im Jahr 2013 nach Schätzungen von Oxfam rund 156 Milliarden US-Dollar verloren gegangen.
Jörn Kalinski, Kampagnendirektor bei Oxfam Deutschland, meint, soziale Ungleichheit sei das Kernproblem des 21. Jahrhunderts. „Extreme Ungleichheit hat extreme Konsequenzen: Gewalt und Armut, Geschlechterungerechtigkeit, mangelnder Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge sowie der Klimawandel sind eng mit sozialer Ungleichheit verknüpft.“ Der Luxemburger Steuerskandal habe gezeigt, mit welcher Macht und welchen Mitteln internationale Konzerne die Regeln zu ihren Gunsten aushebeln. Die so erwirtschafteten Gewinne fehlten in den Staatshaushalten und stünden für soziale Sicherung, Bildung, Gesundheitsfürsorge und Entwicklungshilfe nicht mehr zur Verfügung. „Das ist Raubrittertum auf Kosten der Allgemeinheit“, so Kalinski.
Arme Menschen hätten kaum die Möglichkeit, aufzusteigen, auch wenn sie hart arbeiten würden. In Ländern mit großer sozialer Ungleichheit, sei das lediglich ein Traum. Wer arm geboren wird in einem Land, in dem die Ungleichheit ausgeprägt ist, werde wahrscheinlich auch arm sterben – genauso wie ihre Kinder und Enkel. Ungleichheit wirke sich aus auf die Gesundheit und soziale Probleme der Menschen aus und destabilisiere ganze Staaten. Lateinamerika sei die Region mit der größten Ungleichheit. Dort liegen 41 der weltweit 50 gefährlichsten Städte. In den Jahren 2001 bis 2010 habe es dort eine Million Morde gegeben. Das afrikanische Land Sierra Leone hat sechs Unternehmen Steuererleichterungen gewährt, die in der Summe dem Achtfachen des staatlichen Gesundheitsetats entsprechen. Heute fehle dem Land das Geld, um der Ebola-Epidemie Herr zu werden.
„Die Probleme lassen sich nur lösen, wenn die soziale Ungleichheit abgebaut wird“, ist sich Kalinski sicher. In einem 10-Punkte-Plan schlägt deshalb Oxfam drängende Maßnahmen vor, auf die sich die internationale Gemeinschaft einigen solle. Oxfam sieht die Regierungen in der Pflicht, gerechte Steuersysteme und soziale Sicherungsnetze zu schaffen, Steuerschlupflöcher zu schließen und die Entwicklungshilfe neu auszurichten.
Quelle: bernd-mueller.org