Rassismus wegtreten?

Say no to racism!, wurde als Slogan plötzlich vor den Bäuchen der Spieler ausgerollt. Zuvor ein Bekenntnis der Spielführer beider Mannschaften - uninspiriert vorgetragen: sind ja schließlich Fußballer, keine Dr. Kings vor dem Lincoln Memorial. Keine Macht den Drogen!, haben sie früher mal moralisiert - gebracht hat es wenig: die Macht der Drogen ist konstant. Ob sich der Rassismus per Plakat aus der Gesellschaft verabschieden läßt, anders gesagt: ob der Rassist beim Entziffern eines Posters seinem Herzen einen Ruck gibt, von seiner Passion ablässt, ist nicht nur zweifelhaft - nein, wer an sowas glaubt, der legt infantile Naivität an den Tag.
Überhaupt die Fußballwelt mit ihren schlichten Bekenntnissen. Die Verbände meinen, mit einem griffigen Motto sei ausreichend Stellung bezogen. Mein Freund ist Ausländer!, stand auch mal auf Trikots und Schildern - viele Ausländer haben auch Freunde gefunden. Alle aber sicherlich nicht. Ungestüm naiv geben sich auch die kommentierenden Reporter, die dem arg einstudierten Say no to racism! natürlich nur höchsten Respekt entgegenbringen und dem Zirkus dann auch noch die Krone aufsetzen, weil sie der multikulturellen DFB-Elf attestieren, der beste Botschafter gegen den Rassismus zu sein. Eine gut eingespielte Truppe, die Spieler mit nigerianischen, türkischen, ghanaischen, tunesischen oder polnischen Wurzeln beinhaltet, würde dem Rassismus am wirkungsvollsten entgegentreten. Dabei schimmert die Devise durch, die man derzeit immer öfter hört: wir sind weltoffen und haben nichts gegen Ausländer - wenn sie nur dazu bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und Leistung zu zeigen.

Die DFB-Elf als erfolgreicher Botschafter: und zeitgleich füttert dieses Land Zeitgenossen mit rassistischer Grundtendenz
durch. Ehemalige Senatoren und bayerische Innenminister, die ganz ungeniert von brauchbaren Einwanderern sprechen. Und man vergesse nicht jene Soziologen, die ganz offen dem Sozialrassismus huldigen, jener Spielart des Wahn also, bei dem Rassen nur indirekt gegeneinander in Stellung gebracht werden, bei dem es um die Sublimierung der Rassenspezifika geht. (Rasse ist indes ein Begriff, der mit der existierenden Menschheit nicht in Einklang zu bringen ist, weil es Menschenrassen nicht gibt. Aber es gab sie vor Jahrtausenden, damals nämlich als neben dem Homo sapiens noch der Neandertaler auf Erden jagte und sammelte - alle Menschenrassen sind also ausgestorben, nur der Homo sapiens blieb als einzige Rasse zurück.) Selbst der gemeine Fußballreporter stimmt in den rassigen Kanon mit ein, lobt den DFB, weil er viele eigentlich ausländische Spieler berufen hat, die tollen Einsatz zeigten - selektive Aussagen, die eine feinsinnige Unterstützung des Gedankengebäudes darstellen. Gleichwohl nämlich die meisten diese Spieler in Deutschland geboren wurden, gelten sie letztlich beharrlich als Ausländer - als integrierte Paradebeispiele; solche die aufzeigen, dass man es aus Ausländerkind zu etwas bringen kann, wenn man nur mitzieht.
Während es in der namentlichen "Mitte der Gesellschaft" rassisch mieft, gedämpfte Sarrazinaden mittlerweile zum guten Ton gehören, zieht man ausgerechnet den Fußball als Alibi heran. Eigentlich sei der Rassismus bereits am Abflauen, soll man an der Zusammensetzung der DFB-Mannschaft herauslesen - so wie man gegen das runde Leder tritt, so könne man auch den Rassismus wegtreten. Und außerdem sei dem Rassismus mit Plakaten beizukommen, soll obendrein suggeriert werden. Wir tun was gegen Rassismus! Wie gesagt: zwischenzeitlich der Fußball und seine Verbände allerlei Übelstände reinwaschen, gärt in der gesellschaftlichen Mitte der alte Wahn. So wie die DFB-Auswahl die Koalition gerettet zu haben scheint - Löw entblödete sich nicht, sich und seine Mannschaft im Vorfeld des Viertelfinales, als Fans der Merkel zu outen -, so bedeckt sie auch die real existierenden Rassismen des Alltags. Die Nationalelf: ein Faktotum in Sachen Verhüllen und Vergessenmachen; die Nationalelf: der Allerbarmer für Politik und niedere Instinkte...

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