Rassismus durch mehr Konkurrenz?


“…Zwar ist der Rassismus in letzter Konsequenz auf die Konkurrenz zurückzuführen. Gemeint ist damit aber nicht, dass eine persönliche Konkurrenzsituation von Deutschen gegenüber ausländischen Zuwanderern rassistische Ressentiments hervorruft, sondern dass die Konkurrenz als Struktur- und Gestaltungsprinzip der kapitalistischen Gesellschaft solche Aus- und Abgrenzungsideologien, die den geistigen Kristallisationskern des Rechtsextremismus bilden, tendenziell begünstigt. Andernfalls dürfte es unter den hiesigen Großunternehmern, Kapitaleignern und Spitzenverdienern überhaupt keinen Rassismus geben.

Die unschönen historischen Parallelen beschränken sich nicht auf rechte Straßengewalt gegen Flüchtlinge bzw. deren Heimunterkünfte in Hoyerswerda (September 1991), Rostock-Lichtenhagen (August 1992) und Heidenau (August/September 2015), sondern lassen sich auch im Hinblick auf die Einschränkungen des Asylrechts im Frühjahr 1993 (Änderung des Art. 16 GG: Einführung der verfolgungsfreien Herkunftsstaaten und der sicheren Drittstaaten sowie der Flughafenregelung) und im Herbst 2015 (Erklärung des gesamten Westbalkans zur sicheren Herkunftsregion, Verlängerung der Unterbringung von Flüchtlingen in Sammelunterkünften und Stärkung des Sachleistungsprinzips) ziehen. Heute gehen die Gesetzesänderungen zwar schneller, aber nicht ganz so weit. Dass die Bundesrepublik in dem seither vergangenen Vierteljahrhundert zu einem „normalen“ Einwanderungsland mit weniger institutionellem Rassismus geworden wäre, kann man schwerlich behaupten. Zu befürchten ist vielmehr, dass sich die in Windeseile durch Bundestag und -rat gepeitschten „Asylpakete“ häufen werden.

Die jüngsten Debatten über Asyl-, Migrations- und Integrationspolitik erinnern an eine Doppelstrategie, der sich die Vorsitzenden der Unionsparteien gemäß der polizeilichen Arbeitsteilung zwischen „good cop“ und „bad cop“ bedienen: Angela Merkel verkörpert das liberale, weltoffene Deutschland, Horst Seehofer verwirklicht die Abschottungspläne der konservativen Hardliner im Regierungslager. Wieder beteiligt sich auch eine Oppositionspartei an dem unwürdigen Schauspiel: War es damals die SPD, in der opportunistische Kräfte die Oberhand behielten, so sind es heute die Bündnisgrünen, denen das Staatsinteresse an einem rigideren Asylregime offenbar mehr am Herzen liegt als Prinzipientreue, die eigene Parteiprogrammatik und die Bedürfnisse der Flüchtlinge.

Auffällig ist, dass Regierungspolitiker und Rechtspopulisten die ansonsten verachtete deutsche Unterschicht und die angeblich von männlichen Glaubensgenossen bedrohte Muslima gegen die „Fremden“ in Schutz nehmen, ganz so, als seien die Armutsbekämpfung und die Emanzipation der Frau ihr ureigenstes Anliegen. Dieses Argumentationsmuster zeigt, wie verlogen die gegenwärtige Debatte über Integrationsdefizite und -verweigerung der Zuwanderer ist. Statt über die Probleme zu lamentieren, welche die Flüchtlinge machen, sollte mehr über die Probleme nachgedacht werden, welche sie haben und was Deutschland – beispielsweise mit Waffenexporten – zu ihrer Entstehung beigetragen hat!…”

Prof. Dr. Christoph Butterwegge lehrt Politikwissenschaft an der Universität zu Köln und ist Mitglied der dortigen Forschungsstelle für interkulturelle Studien (FiSt)

Quelle und gesamter Text: http://www.nachdenkseiten.de/?p=27969#more-27969


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