Von Rasierseifen und Tabula Rasa, von Barbershop und Gesang, von Mühle Rasurkultur und 1000 & 1 Seife und Oskar. Lauter schöne Dinge, die durchaus etwas miteinander gemein haben, die unterhaltsam sind und hoffentlich erklären, warum es hier in den letzten Monaten so wenig zu entdecken gab. Keine Sorge, es ist alles in bester Ordnung und sie werden sehen, die Themen passen zusammen, zumal mit Musik alles leichter geht.
Barbershop und klassische Nassrasur
Doch natürlich besteht weiterhin eine Verbindung zum Hackeschen Markt/ zu unserem alten Standort, weil ich (Erik Kormann) hin und wieder im MÜHLE Store etwas aushelfe, Rasierpinsel verkaufe, vorführe, wie man eine Rasierseife richtig aufschäumt, den Unterschied zwischen Systemrasierer und Rasierhobel erkläre und bei Lust und Laune vor Geschäftsbeginn etwas musiziere. Der Raum hat eine tolle Akustik.
Aber zum Schluß möchte ich doch noch auf die Musik zu sprechen kommen, weil sich hinter dem Wörtchen Barbershop nicht nur die Firma Mühle, Nassrasur und Männerpflege, Rasierseifen und Zubehör verbergen. Barbershop ist nämlich auch ein toller, sehr anspruchsvoller Musikstil, dessen Wurzeln bis weit ins 19. Jh. hineinreichen und der zudem wirklich typisch amerikanisch ist. Wie klingt Barbershop? Klicken sie ruhig auf den folgenden youtube-link: Das OLD SCHOOL Quartet auf dem Internationalen Barbershop Wettbewerb von 2011.Ewas musikalische Untermalung lokert den Text garantiert auf und glauben sie mir: Barbershop ist höchst anspruchsvoll und unterhaltsam.
Foto: wikipedia, Tammy Green from Chicago, Illinois, USA – Flickr, Barbershop quartet, Disneyworld, Florida, USA, Neel (red stripes), JC (light blue, usually sings with the Voices of Liberty at Epcot), Ken (purple), and Dan (Yes Really! in Yellow)
Und nun stellen sie sich mal eine Zweit vor, in der es noch kein Radio gab (Fernseher natürlich auch nicht). Sagen wir mal 1850 bis 1890. Das kommt gut hin. Zwar waren zum Ende des 19. Jh. hin die ersten Voraussetzungen für Radioaufnahmen und -sendungen bereits gemacht, aber die ersten Radios waren erst ab den 20er Jahren zu haben. Trotzdem gab es Schlager und diese Schlager wurden überall gesungen – zu Hause, auf der Straße und natürlich auch in den Barbershops, wo sich die Herren frisieren und rasieren ließen, weil es elektische Rasierapparate noch gar nicht gab und Herr King Camp Gilette seinen Rasierhobel, den ersten wirklich brauchbaren Sicherheitsrasierer (der den meisten Männern dieser Welt die selbständige Rasur überhaupt erst möglich machte) erst 1901 erfand. Wer also am Sonntag ordentlich rasiert beim Gottesdienst erscheinen wollte, der mußte zum Barbier und spätestens ab Freitag Nachmittag dürfte es sich dort etwas gestaut haben. Kunstück, wer am Sonntag Vormittag ordentlich aussehen möchte, der geht ja nicht schon am Mittwoch zur Rasur, sondern setzt sich am Freitag, besser noch am Sonnabend, zum Barbier und wartet bis er dran ist. Heute wär das alles kein Problem. Erstens wachsen die Herren immer mehr zu und tragen Bart, oder man holt sein Handy raus, steckt sich die Lautsprecher ins Ohr, hört seine eigene Musik, oder starrt wie ein Autist auf den kleinen Bildschirm. Damals gab es diese Formen der privaten Unterhaltung noch nicht und was liegt wohl näher als ein schönes Liedchen, vergeht doch mit Musik die Zeit des Wartens viel schneller. So stimmte der Barbier vermutlich den aktuellsten Schlager an und die wartenden Herren stimmten mit ein. Natürlich A-Capella. Der lead, die Führungsstimme, legt die Melodie vor (seine Tonlage ist etwas unterhalb des Tenors deutlich herauszuhören), dazu ein Tenor für die Verzierungen und der Barriton vervollständigt die Harmonien, während der Baß natürlich für die Tiefen zuständig ist.
Denken sie mal nicht, daß wäre schon alles. Typisch Barbershop ist nämlich die harmonische Auflösung in Richtung Dominantseptakkord (Quintenzirkel). Lead und Bass singen Quinte und Grundton, Tenor und Barriton Terz und Septime und auf jeder Melodienote hat das ganze Quartet zu erklingen. Bleiben noch jede Menge Verzierungen, gestreifte Jacken, die typischen Stohhüte und eine ordentliche Portion Klamauk.
Sinn der ganzen Regeln und Vorschriften? Ganz einfach. Hatte man erst einmal begriffen, was man wie zu singen hatte, war es nämlich egal zu welchem Barbier man ging (also für die Musik) oder in welchem Quartet man sang. Ohne große Übung und gemeinsames Proben konnte man mit einstimmen – Barbershop ist wirklich viel mehr als Nassrasur.
Und zum Schluß noch ein schöner Link, der gut hörbar macht, wie Barbershop Musik aufgebaut ist: The Music Man
Die Fotos aus dem neuen MÜHLE STORE in den hackeschen Höfen/ Hof IV verdanken wir dem Künstler Jo Zarth.