Rasenkanten und Bettwanzen

Hier in Schweden gibt es, wie überall auf der Welt, ein paar Verhaltensregeln, die zu guter Nachbarschaft beitragen. In Deutschland, daran kann ich mich noch erinnern, gehört es ja in einem Mietshaus zum guten Ton, das Treppenhaus regelmäßig zu putzen, die Fußmatte schön sauber zu klopfen und die drei Eier, die man sich am letzten Kuchenbacktag bei der netten Dame in Etage 3 geliehen hat, rechtzeitig wieder zurück zu geben.

Hier in Schweden gehört es sich als Hausbesitzer, den Rasen ordentlich kurz zu halten. Der Rasen ist das Aushängeschild der persönlichen Reinlichkeit, er ist das Synonym für eine Gesellschaft, in der Schmutz und Ungepflegtheit nicht geduldet werden. Einen langen, ungeschnittenen Rasen zu haben ist etwa so wie ein Plakat im Garten aufzustellen, auf dem steht: „Wir haben Bettwanzen und schneiden unsere Fußnägel nur einmal im Jahr“.

Deshalb bemühen Herr Lussekatt und ich uns sehr, unseren Rasen kurz und akkurat zu halten. Wir haben einen kleinen Traktor für das Mähen angeschafft, ein leuchtend gelbes Zugeständnis an die schwedischen Werte und Normen, an die wir uns (jedenfalls was den Rasen betrifft) um des nachbarschaftlichen Friedens willen anpassen.

Wir schneiden unseren Rasen einmal in der Woche und dachten bisher, unseren nachbarschaftlichen Verpflichtungen damit ausreichend nachzukommen. Doch dabei haben wir scheinbar etwas übersehen: die Rasenkanten. Mit unserem Aufsitzrasenmäher kommt man nämlich nur bis ca. 15 cm an die Kanten heran und die haben wir bisher eben einfach wachsen lassen. Ein großer faux pas, wie ich vor ein paar Tagen schmerzlich erfahren musste.

Ich sammelte gerade ein bisschen Fallobst auf, als unser Nachbar Bror an den Zaun trat. Bror ist Rentner und sein Garten ist sein Hobby. Er verbringt den Sommer mit Unkraut jäten, Blumen bewässern und Rasenkanten stutzen. Bror winkte mich vertraulich an den Zaun heran und wisperte etwas von Unkraut. Ich verstand zuerst nicht recht, was er meinte. Ein langer Blick in das Blumenbeet jenseits unseres gemeinsamen Zauns entblößte Astern, Dahlien und … Erde. Kein Unkräutchen weit und breit. Ausgerupft, unschädlich gemacht, vollkommen abwesend.

Doch Bror murmelte weiterhin etwas von Unkraut, und ob wir etwas dagegen hätten, wenn er es mit Chemie bekämpfen würde. Ich sagte erstmal nichts (generell eine gute Taktik, wenn man unsicher ist) bis ich verstand, dass er auf unsere Seite des Zauns zeigte. Auf die langen Wiesenbüschel, die sich leise im Wind wiegten. Auf die verdammten Rasenkante, an die unser Rasenmäher nicht herankommt. Und wusste gleichzeitig, dass Bror und Mariann, unsere Nachbarn, nun ganz arg an unserer persönlichen Hygiene zweifeln würden.

Ich gab Bror selbstverständlich die Erlaubnis, das Ergebnis unserer fast unverzeihlichen Schlampigkeit mit Gift zu besprühen. Heute, drei Tage später, sieht es schon ganz verwelkt und traurig aus unter dem Gartenzaun.

Aber wenigstens stehen wir jetzt als ordentliche, reinliche Nachbarn mit akkuraten Rasenkanten da. Was für eine Erleichterung.



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