Rakede – Es geht mit gut (Sehr, sehr gut. Sehr gut!)
7Elektro-PopBereits beim ersten Song schleicht sich ein Gedanke in den Kopf, den man auch nach stundenlangem Durchhören nicht loswird: Wenn die Rakede drei Jahre für ein Album braucht und dann DAS dabei rauskommt, dürfen sie sich gern öfters so viel Zeit lassen.
Oder lieber doch nicht. Die neue Platte heißt nicht nur Es geht mir gut! (Sehr, sehr gut. Sehr gut!) – sie ist es auch. Das Warten hat sich auf jeden Fall gelohnt – gleich zu Beginn wird mit einem Banger das Comeback eingeläutet. Dicker Bass / dünnes Kabel hat durch fette Beats, verrückte Vocal-Effekte und einem Feature mit Soulsänger Flo Mega alles was einen Albumopener braucht. „Wir sind zurück, küss die Hand Madame!“ – mit altbekanntem Charme, ironisch-humorvollen Texten und experimentellen Ausflügen in die unendlich großen Weiten des Musikuniversums ziehen die vier Triebwerke ihre Fans sofort wieder in den Bann.
Tracks wie die erste Single Mein schönster Tag in deinem Leben, Es geht mir gut, Hurensöhnlein Brilliant oder Boogiemann sind nicht nur echte Partyhits, sie regen auch zum Nachdenken an. Mit hoch erhobenem Mittelfinger kotzt die Rakede allen Neuzeit-Hedonisten so richtig schön ins Gesicht. Humorvoll und doch irgendwie todernst wird der Unmut rausgeballert. Und das knallt ganz schön.
Musikalisch gesehen hat die Band nach wie vor einen hohen Wiedererkennungswert – trotzdem haben sie in den vergangenen drei Jahren eine enorme Entwicklung durchgemacht. Es wird mit neuen Stilen herumexperimentiert, die teilweise so abgespaced klingen, dass man sich im ersten Moment vielleicht fast ein bisschen überfordert fühlt. Die gewohnte Mischung aus Reggae, Hip-Hop und Elektro-Pop ist zwar zeitweise noch da, verschwindet aber ab und zu ganz und gar im Nichts. Was bleibt ist eine neue Mischung – ein altes Rezept, das mit neuen Zutaten aufgepeppt und perfektioniert wurde. Ein bisschen so, als hätte man alles, was einem schmeckt in einen Topf geworfen und dabei, ohne es zu merken, ein Fünfsterne Gericht gezaubert.
„Wir wollten diesmal weg vom Rap und mehr Gesang haben“, sagte Triebwerk 1 alias Sänger Julian Schmit im pressplay Interview. Die beliebten Wortspiele und kreativen Rhymes hat er beibehalten, jedoch wird einem auf diesem Album erst so richtig bewusst, das er nicht nur ein grandioser Rapper, sondern auch ein fabelhafter Sänger ist. Seine besondere Stimmfarbe, die an manchen Stellen enorm an Panic! At the Disco Sänger Brandon Urie erinnert, kommt vor allem in den ruhigen Songs zur Geltung. Ebenso wie seine überraschend tiefgreifende Wortgewandtheit. Es fühlt sich so an, als hätte man die Zeilen irgendwo schon einmal gehört – aber nicht weil die Lines tatsächlich schon existiert haben, sondern weil der Text von Mach die Augen zu, Nimmst du mich mit und Schwarz Gefühle beschreiben, in denen sich jeder wiederfinden kann, weil sie jeder schon einmal erlebt hat.
Ganz tiefgründig und dunkel wird es bei Tracks wie Papa, Pest im Paradies und Keine Liebe, die teilweise sehr eindeutig sind und trotzdem viel Interpretationsspielraum lassen, sodass sich jeder seine eigene Bedeutung zusammenbasteln kann. Basteln kann die Rakede nämlich auch, zumindest entstehen so die meisten ihrer Songs. Affe Maria, zuständig für die Instrumentierung und Triebwerk 2 in der Rakede, nutzte bei Bruce Lee die Möglichkeit, seine Beziehung zum Dubstep wieder voll aufleben zu lassen. Rakede reihen die verrückten musikalischen Ausbrüche, gepaart mit den vier kurzen, unterhaltsamen Übergangstracks perfekt aneinander und kreieren so ein erfrischend innovatives Gesamtkunstwerk.
Rakede – Es geht mir gut! (Sehr, sehr gut. Sehr gut!), Warner Music Group, www.dierakede.com
Autor
Alica OuschanAufgabenbereich selbst definiert als: Abenteuerlustige Festival-Nomadin. Findet „It ain’t the speakers that bump hearts, it’s our hearts that make the beat“ (Twenty One Pilots) die einzig wahre Herangehensweise, um Musik zu verstehen.
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