Rajoy: Schlimm wenn er schweigt, schlimmer wenn er redet

Von Uhupardo

Sehr lästig; bei solch einem  Titel muss man “Rajoy:” davor schreiben, sonst glauben alle automatisch, der Artikel drehte sich um Uli Hoeness. Hätte der spanische Herr Ministerpräsident gestern den Mund gehalten, wäre er auch nicht Philosoph geblieben, um einen Klassiker zu zitieren. Doch mindestens wäre dem Land diese armselige Vorstellung erspart geblieben. Da gibt Rajoy die erste, hemmungslos improvisierte, Pressekonferenz nach monatelangem Schweigen – und sagt dann nichts, was auch nur entfernt Hand und Fuss hätte. Die logische Reaktion folgte sofort: Die Risikoprämie stieg wie der Milchschaum auf dem Ofen, die Bankia-Aktien blieben tief im Keller. Schon der Ort für die Pressekonferenz war so passend gewählt wie ein Wiener-Walzer-Wettbewerb auf dem Kartoffelacker.

Wenn man schon, von der Angst um den Ruin getrieben, einen so improvisierten wie staatstragenden Vortrag halten will, dann bitte im Regierungssitz La Moncloa! Mariano Rajoy hatte es so eilig, dass er an diese “Kleinigkeit” offensichtlich gar nicht mehr dachte. Er war gerade im Parteibüro seiner Partido Popular in der Calle Genova (Madrid), also liess er die Mikrophone gleich da aufbauen. Erster Fehler! Das Endspiel der Champions-League findet auch nicht in Wanne-Eickel statt. Und dann folgte dieser unsägliche Text, ohne auch nur irgendetwas zu konkretisieren – in einem Moment, in dem nur sehr klare Ansagen die Situation eventuell retten könnten.

Wer allerdings solche absolut lächerlichen Dinge von sich gibt wie “Die steigende Risikoprämie hat nichts mit Bankia zu tun”, muss irgendetwas Verbotenes eingeworfen haben. Mit der Sauberkeit der Strände hat die Risikoprämie nichts zu tun, mit der Mindesthaltbarkeit des Erdbeer-Joghurts oder der Qualität der Rioja-Weine; aber mit der Bankia-too-big-to-fail-Pleite-aber-staatlich-gerettet doch ganz sicher. Vor zwei Wochen noch wollte Rajoy Bankia mit vier Milliarden Euro retten und den gesamten Finanzsektor mit 15 Milliarden. Jetzt sind es bereits 23 Milliarden allein für Bankia, und heute weiss man, dass die Sparkassengruppe bereits den Jahreswechsel in technischer Pleite feierte.

Was also sagt der Regierungschef an der falschen Stelle dazu: “Wir wissen, dass wir Bankia mit dem nötigen Kapital ausstatten werden, klar ist nur noch nicht, auf welchem Wege wir das tun werden.” – Bravo, Herr Ministerpräsident, klare Ansagen beruhigen die Märkte, aber ganz sicher. Gibt es denn irgendetwas, was Sie wissen, bevor Sie sich an solch ein Mikrophon stellen? Oder braucht es das schlicht nicht, weil sowieso die Vorgängerregierung an allem schuld ist und Sie mit dem Dilemma rein gar nichts zu tun haben?


Rajoys Beruhigungspille für die Märkte.

Mariano Rajoy beschränkte sich also darauf, Massnahmen anzukündigen, von denen er auch noch nicht weiss, wie sie aussehen werden. Und er erklärte zum schwampfzichsten Male, dass Spanien “alles getan habe” und die EU jetzt dafür sorgen müsse, dass “die Krise, die wir absehen konnten, aber von der wir erst jetzt wissen, wie schlimm sie wirklich ist”, bewältigt wird. Aha! Also wenn man die Krise sieht, ist sie schlimmer als man dachte? Das wird die Märkte sofort beruhigen. Mehr Vertrauen in die eigene Lösungsstrategie kann man kaum ausstrahlen, als die Zentralbank als letzten Retter auf den Plan zu rufen.

Währendessen besteht Brüssel darauf, dass “die Bekämpfung des Defizits (auf Deutsch: der alternativlose Kaputtsparwahnsinn) wichtiger ist als die Risikoprämie”. Da haben wir aber Glück gehabt! Dann macht es nichts, dass die Risikoprämie heute schon wieder bei 510 Punkten lag und das Land keine Chance hat, sich bei den entsprechenden Zinsen für Staatsanleihen zu refinanzieren. Wozu auch, wenn nicht nur die Region Katalonien nach Milliarden schreit, um am Monatsende noch die Rechnungen und Gehälter zahlen zu können?

Gar nicht so lange her, als Mariano Rajoy seiner Vorgänger-Regierung täglich entgegen kotzte, die Märkte hätten mit der spanischen Krise gar nichts zu tun, das sei nur eine Lüge, um die Inkompetenz Zapateros zu übertünchen. Nun gut, heute hat die Risikoprämie nichts mit Bankia zu tun und Rajoy generell nichts mit Spanien – jedenfalls versucht er, diesen Eindruck zu vermitteln, während ihm die panische Angst vor einem Besuch der Troika die Gesichtsmuskeln verzerrt und er aussieht, als hätte er Mutti (nein, Merkel war nicht in Madrid) gerade eine Fünf nach Hause gebracht. Eins weiss Rajoy an diesem Tag jedenfalls und sagt es mehrfach: “Es wird keine europäische Bankenrettung in Spanien geben.”

Als gerade alle zum Schein aufatmen wollen, schiebt der Herr Regierungschef nach, er werde weder die einzelnen Regionen Spaniens noch die Banken fallen lassen, “denn sonst fällt das ganze Land”! – Na dann, Gasmasken auf und alle auf den Boden! Wenn der geneigte Leser dann am kommenden Tag über Zeitungsschlagzeilen stolpert wie “Trotz der Ansprache von Rajoy sanken die Bankia-Aktien um 13 Prozent und die Zinsen für zehnjährige Anleihen stiegen auf 6,5%” – dann fragt man sich, ob im Spanischen “trotz”und “wegen” vielleicht dasselbe Wort ist, denn sonst… ?