Vielleicht liegt es daran, dass ich vorweihnachtlich mild gestimmt bin. Anders kann ich mir gerade nicht erklären, warum es mir so schwer fällt, dem Roman Der Aurora Effekt von Rainer Wolf das mitzugeben, was er verdient. Das Buch ist im Selbstverlag über Books On Demand erschienen – das kann, muss aber kein Merkmal minderer Qualität sein (Nele Neuhaus, weiter unten, hat zum Beispiel ebenfalls ihre wunderbaren Taunuskrimis zunächst selbst verlegt).
Die Grundidee des Buches ist eigentlich toll: es geht um das real existierende HAARP-Projekt, ein militärisch-wissenschaftliches Forschungsprogramm, das hochfrequente Radiowellen zur Untersuchung der Ionosphäre einsetzt. Verschwörungstheoretiker behaupten, dass mit HAARP nicht nur Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen ausgelöst werden können, sondern dass die USA mit niederfrequenten Radiowellen auch Gedanken manipulieren. Ein sehr schönes Thema, wie ich finde. Hätte auch gut zu Frank Schätzing gepasst. Frank Schätzing hat das Buch aber nicht geschrieben. Das hat Rainer Wolf auf haarsträubende Weise für ihn erledigt.
Als Hauptfiguren treten an: Mark Winter, Art Director einer kleinen Werbeagentur, und Angelique Brockhaus, PR-Lady des Instituts für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der arme Mark ist geschieden und leidet vor sich hin, als er bei einer Präsentation seine neue Kundin Angelique kennenlernt und, ganz Profi, sofort mit ihr anbändelt. Währenddessen oder davor oder danach, ist auch egal, verschwindet ein Forschungsschiff unter mysteriösen Umständen, mit dem Marks Ex-Frau unterwegs war. Ebenso ergeht es einem Luxusliner, der zuvor einen seltsamen Hilferuf abgesetzt hatte.
Mark googelt alarmiert ein bißchen herum und zack, fliegt der IT-Mensch der Agentur zur Strafe vom Dach! Uiuiui, da hat der Mark aber eine heiße Sache aufgedeckt. Grund genug, mit der Kundin, die er erst zwei Tage kennt und deren Motivation mit menschlichem Ermessen nicht zu erklären ist, nach Alaska zu fliegen und sich dort in Regierungsprojekte der USA einzumischen. Das geschieht selbstverständlich mit dem Segen des Agenturchefs, der es erstaunlich locker nimmt, dass sein Art Director mal eben mit der Kundin abhaut und der ganze Etat dadurch den Bach runtergeht. Was solls, ist ja nur Geld und der Mark ist ja auch überhaupt nicht durchgeknallt.
Für Angelique und Mark wird es derweil gefährlich, klar. Ein narbiger Typ vom CIA (das nimmt Mark einfach mal an) verfolgt die naiven Aufklärer, die sich in der Zwischenzeit auch ein bißchen verknallt haben. Es gilt hier zu betonen, dass ausnahmslos alle Figuren das sind, was sie zu sein scheinen. Und wenn sie sich seltsam benehmen, dann ist das nicht strategisch begründet, sondern liegt an ihrem offenbar sehr labilen Gefühlsleben, das der Autor ihnen verpasst hat.
Sehr schöne Situationen ergeben sich da: Angelique hat schlimme Todesangst, daraufhin setzt Mark ein "verspieltes Lächeln" (sic!) auf, und schon macht Angelique einen verführerischen Schmollmund. In einem Moment ist die böse Ex-Frau knallhart wie Steven Seagal, nur um Sekunden später in verweifelter Reue zu vergehen. Minütliche Wechselbäder werden ausgestanden, zwischen unbändigem Glück, tiefer Traurigkeit, rasender Wut und rosa Brille. Zwischendurch spricht die exotisch-puppige Angelique halbwissenschaftliche Sätze aus, die klingen, als hätte man Wikipedia auf Lautsprecher gestellt.
Um ja die Spannung nicht zu verlieren, lockt uns der Autor mit geheimnisvollen Andeutungen wie "Aber da ahnten sie noch nicht, was ihnen gleich bevorstehen würde." Nein, sie ahnten es nicht, die Armen. Und damit wir keinesfalls vergessen, wie die Hauptfiguren heißen, sprechen sie sich in fast jedem Satz mit Namen an, manchmal auch doppelt. Etwa so: "Mark, ich habe große Flugangst, deshalb werde ich mich vielleicht während des Fluges an Deinem Arm festkrallen müssen, Mark." Daraufhin fährt Mark Angelique zärtlich durchs Haar, wie er es alle zehn Sekunden tut.
Der Aurora Effekt, das kann man mit Fug und Recht behaupten, ist echter Trash. Und das Schöne an gutem Trash ist, wie der Axt'sche Gatte an dieser Stelle bemerkt, dass er sich um die Logik der Emotionen gar keine Gedanken machen muss. Deshalb dürfen die Romanfiguren heftigere Stimmungs- und Logikschwankungen erleiden als jeder Borderline-Patient.
Die 99 Cent, die das eBook bei Amazon oder iTunes kostet, waren eine prima Investition. So gelacht habe ich beim Lesen schon lange nicht mehr. Ergänzend empfehle ich die Rezension eines gewissen Jack North auf Amazon. Der hat das Buch mit bewundernswerter Akribie auseinander genommen und dabei unter anderem belegt, dass Mark Winter die psychiatrischen Kriterien eines Soziopathen erfüllt.
Um wieder zum Anfang zu kommen: ich kann hier einfach keinen ernsthaften Verriss schreiben. Ich kann nicht einmal davon abraten, das Buch zu lesen. Im Gegenteil, ich lege es all jenen warm ans Herz, die auch Ed Wood lieben oder Formate wie Schwiegertochter gesucht. Die Axt hat traditionell ein großes Herz für Schwachsinn. Und das hier ist Schwachsinn für Kenner. Es ist der Olymp des Schwachsinns. Gut, dass es sowas noch gibt.
Die Grundidee des Buches ist eigentlich toll: es geht um das real existierende HAARP-Projekt, ein militärisch-wissenschaftliches Forschungsprogramm, das hochfrequente Radiowellen zur Untersuchung der Ionosphäre einsetzt. Verschwörungstheoretiker behaupten, dass mit HAARP nicht nur Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen ausgelöst werden können, sondern dass die USA mit niederfrequenten Radiowellen auch Gedanken manipulieren. Ein sehr schönes Thema, wie ich finde. Hätte auch gut zu Frank Schätzing gepasst. Frank Schätzing hat das Buch aber nicht geschrieben. Das hat Rainer Wolf auf haarsträubende Weise für ihn erledigt.
Als Hauptfiguren treten an: Mark Winter, Art Director einer kleinen Werbeagentur, und Angelique Brockhaus, PR-Lady des Instituts für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der arme Mark ist geschieden und leidet vor sich hin, als er bei einer Präsentation seine neue Kundin Angelique kennenlernt und, ganz Profi, sofort mit ihr anbändelt. Währenddessen oder davor oder danach, ist auch egal, verschwindet ein Forschungsschiff unter mysteriösen Umständen, mit dem Marks Ex-Frau unterwegs war. Ebenso ergeht es einem Luxusliner, der zuvor einen seltsamen Hilferuf abgesetzt hatte.
Mark googelt alarmiert ein bißchen herum und zack, fliegt der IT-Mensch der Agentur zur Strafe vom Dach! Uiuiui, da hat der Mark aber eine heiße Sache aufgedeckt. Grund genug, mit der Kundin, die er erst zwei Tage kennt und deren Motivation mit menschlichem Ermessen nicht zu erklären ist, nach Alaska zu fliegen und sich dort in Regierungsprojekte der USA einzumischen. Das geschieht selbstverständlich mit dem Segen des Agenturchefs, der es erstaunlich locker nimmt, dass sein Art Director mal eben mit der Kundin abhaut und der ganze Etat dadurch den Bach runtergeht. Was solls, ist ja nur Geld und der Mark ist ja auch überhaupt nicht durchgeknallt.
Für Angelique und Mark wird es derweil gefährlich, klar. Ein narbiger Typ vom CIA (das nimmt Mark einfach mal an) verfolgt die naiven Aufklärer, die sich in der Zwischenzeit auch ein bißchen verknallt haben. Es gilt hier zu betonen, dass ausnahmslos alle Figuren das sind, was sie zu sein scheinen. Und wenn sie sich seltsam benehmen, dann ist das nicht strategisch begründet, sondern liegt an ihrem offenbar sehr labilen Gefühlsleben, das der Autor ihnen verpasst hat.
Sehr schöne Situationen ergeben sich da: Angelique hat schlimme Todesangst, daraufhin setzt Mark ein "verspieltes Lächeln" (sic!) auf, und schon macht Angelique einen verführerischen Schmollmund. In einem Moment ist die böse Ex-Frau knallhart wie Steven Seagal, nur um Sekunden später in verweifelter Reue zu vergehen. Minütliche Wechselbäder werden ausgestanden, zwischen unbändigem Glück, tiefer Traurigkeit, rasender Wut und rosa Brille. Zwischendurch spricht die exotisch-puppige Angelique halbwissenschaftliche Sätze aus, die klingen, als hätte man Wikipedia auf Lautsprecher gestellt.
Um ja die Spannung nicht zu verlieren, lockt uns der Autor mit geheimnisvollen Andeutungen wie "Aber da ahnten sie noch nicht, was ihnen gleich bevorstehen würde." Nein, sie ahnten es nicht, die Armen. Und damit wir keinesfalls vergessen, wie die Hauptfiguren heißen, sprechen sie sich in fast jedem Satz mit Namen an, manchmal auch doppelt. Etwa so: "Mark, ich habe große Flugangst, deshalb werde ich mich vielleicht während des Fluges an Deinem Arm festkrallen müssen, Mark." Daraufhin fährt Mark Angelique zärtlich durchs Haar, wie er es alle zehn Sekunden tut.
Der Aurora Effekt, das kann man mit Fug und Recht behaupten, ist echter Trash. Und das Schöne an gutem Trash ist, wie der Axt'sche Gatte an dieser Stelle bemerkt, dass er sich um die Logik der Emotionen gar keine Gedanken machen muss. Deshalb dürfen die Romanfiguren heftigere Stimmungs- und Logikschwankungen erleiden als jeder Borderline-Patient.
Die 99 Cent, die das eBook bei Amazon oder iTunes kostet, waren eine prima Investition. So gelacht habe ich beim Lesen schon lange nicht mehr. Ergänzend empfehle ich die Rezension eines gewissen Jack North auf Amazon. Der hat das Buch mit bewundernswerter Akribie auseinander genommen und dabei unter anderem belegt, dass Mark Winter die psychiatrischen Kriterien eines Soziopathen erfüllt.
Um wieder zum Anfang zu kommen: ich kann hier einfach keinen ernsthaften Verriss schreiben. Ich kann nicht einmal davon abraten, das Buch zu lesen. Im Gegenteil, ich lege es all jenen warm ans Herz, die auch Ed Wood lieben oder Formate wie Schwiegertochter gesucht. Die Axt hat traditionell ein großes Herz für Schwachsinn. Und das hier ist Schwachsinn für Kenner. Es ist der Olymp des Schwachsinns. Gut, dass es sowas noch gibt.