Der wundervolle und bislang beste der gelesenen Romane Rafik Schamis zeigt neben der dunklen Seite der Liebe vor allem auch die dunklen Seiten dieses immer wieder von Machtumstürzen erschütterte Land. Der Roman ist zwar – wie all seine Bücher – ein zauberhaftes Erzählmeisterwerk. Aber er ist mehr: ein historisches Dokument eines Landes, das zwischen Clankämpfen, Dikaturen, Putschisten und nationalistischem Größenwahn taumelt. Und das seit Jahrhunderten.
Die Romeo-und-Julia-Gleiche Geschichte von Farid und Rana ist eine eines verbittert geführten, Generationen andauernden Kampfes zwischen zwei Großfamilien. Und es ist die Geschichte des Landes, die sich in den Schicksalen der Protagonisten widerspiegelt.
Leser des Blogs wissen, dass ich Rafik Schami für einen der besten zeitgenössischen Erzähler halte; seine Bücher laufen allen anderen meiner Favoriten langsam den Rang ab. Seine Menschenliebe und zärtliche Beschreibung des Lebens sind das Beste und freundlichste, das ich je las. Und so ist auch “Die dunkle Seite der Liebe” wieder ein prallvolles Buch lebendiger Geschichten und noch lebendigerer Menschen. Nach den etwas mehr als tausend Seiten kennt man einige so gut, dass man sich nicht wundern würde, wenn sie morgen bei einem klingeln und sich zu einer Tasse Kaffee oder Tee bei einem einfinden.
Ich fühle mich nicht in der Lage, das wiederzugeben, was Rafik Schami im Worte fasst. Ich bin immer wieder erschüttert über seine Fabulierkunst. Und eine Zusammenfassung des Buches verbietet sich deshalb auch: denn wie soll man in grobe Worte fassen, was Schami zauberhaft berichtet: über Zeiten, die wenig zauberhaft sind.
So wenig, wie der derzeitige Bürgerkrieg in Syrien.
Nur eines versteht man, wenn man die Bücher liest: dort leben Menschen, denen wir verpflichtet sind. Weil auch wir Menschen sind.
Nic
Rafik Schami, Die dunkle Seite der Liebe, dtv 2006, ISBN 3423135204 , 12,90 Euro