Rafik Schami: Das Geheimnis des Kalligrafen

Rafik Schami: Das Geheimnis des Kalligrafen

Und wieder ein neues Leseexperiment! Die Aufagbe für März lautete: Lies ein Buch, auf dessen Cover das erste darstellbare Substantiv auf Seite 72 deines zuletzt gelesenen Buches abgebildet ist. Mein letztes Buch war 1Q84 von Haruki Murakami und da begann die Seite 72 mit dem Satzende:"hast du die Schwelle vom Leben zu Tod überschritten." - Also war ich nun auf der Suche nach einem Buchcover mit einer Schwelle. Gar nicht so einfach! Aber ich wurde tatsächlich auf meinem SuB fündig und bin mit Rafik Schami in das Damaskus von 1957 gereist:


"Noch lag die Altstadt von Damaskus unter dem grauen Mantel der Dämmerung, als ein unglaubliches Gerücht an den Tischen der kleinen Garküchen und unter den ersten Kunden der Bäckereien seine Kreise zog: Nura, die schöne Frau des angesehenen und wohlhabenden Kalligraphen Hamid Farsi, sei geflüchtet."


Die schöne und schlaue Nura wird von ihren Eltern mit dem Kalligrafen Hamid Farsi verheiratet. Vor ihrer Hochzeit hat sie mit ihrem Mann nie gesprochen geschweige denn ihn zu Gesicht bekommen. Und so kommt, was kommen muss: Nura ist unglücklich in ihrer Ehe. Hamid beachtet sie kaum, beschäftigt sich lieber mit seinen Kalligrafien und verbietet Nura, die sich doch auch so sehr für Literatur und Sprache interessiert, das Wort. So sucht Nura Zuflucht in den Armen von Hamids Lehrling Salman. Außerdem gibt es noch Nassri Abbani, Mitglied einer reichen damaszener Familie und großer Frauenheld, der sich ebenfalls in Nura verguckt und sie mit Hilfe von Liebesbriefen, die er ausgerechnet von Hamid schreiben lässt, um den Finger wickeln will. 
Was auf den ersten Blick wie eine erweiterte Dreiecks-Liebesgeschichte daher kommt, entpuppt sich als Liebeserklärung an die arabische Sprache und Schrift. Erst nachdem alle Nebenhandlungen zu Ende erzählt wurden, erfährt der Leser das Geheimnis des Kalligrafen und seine eigene Lebensgeschichte. Denn Hamid hat ein großes Ziel: er möchte das Alphabet reformieren. Doch er hat mächtige Gegner! Die Konservativen wollen die Schrift, in der der Koran verfasst wurde, nicht verändern lassen. So gerät Hamid in die Schlingen einer Intrige....


Zugegeben, am Anfang hatte ich einige Schwierigkeiten, die vielen gleichklingenden arabischen Namen auseinander zu halten. Doch wenn man sich erst einmal in die Geschichte eingefunden hat, fühlt man sich wirklich wie nach Damaskus versetzt. Man riecht förmlich die Gewürze auf dem Souk und hört die Frauen in den Gassen schwatzen. Ich habe viel über die Geschichte und auch den Konflikt der Religionen in Syrien gelernt. 


Toll fand ich auch, dass es extra ein Nachwort gibt, in dem Rafik Schami ausführlich das arabische Alphabet, seine verschiedenen Schreibstile und seine Entwicklung über die Jahrtausende erklärt. Auch das Leben des berühmten Gelehrten und Kalligraphen Ibn Muqla, der auch immer wieder im Roman erwähnt wird, schildert Schami seinen Lesern noch einmal. So nimmt man beim Lesen wirklich eine Menge mit. Überhaupt fand ich die Idee von Rafik Schami super, eine Geschichte um die Liebe zur Schrift und Sprache zu erzählen und damit auch zu zeigen, welche (politische) Macht die beiden haben! 
LG Cat


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