Radiopiraten auf Berg und auf See

Radiopiraten auf Berg und auf See

Frankfurter Rundschau, 2004

Fast jeder Mensch hört Radio. Die meisten schalten dabei im Auto, während der Arbeit oder im heimischen Badezimmer einen der seichten Popmusiksender ein. Dass diese, in reinen Hörerzahlen gemessen, enorm erfolgreichen Radiosender durch illegale Radiostationen in den 60-er und 70-er Jahren entstanden sind, ist jedoch weniger bekannt. Zu alltäglich ist Radio geworden.

Die Geschichte vorrangig der europäischen Piratensender erzählt der Journalist und passionierte Funkamateur Wolf-Dieter Roth in seinem Buch “Piratensender – Geschichte und Praxis”. Darin wird deutlich, dass es illegale Radiostationen waren, die durch eigene, nichtlizensierte Sendeanlagen und – in der Blüte ihrer Zeit – neuartige Programme die Radiolandschaft umkrempelten und den etablierten, den Zeitgeist nicht erkennenden Radios das Fürchten lehrten.

Erst durch Piratensender wie Radio Caroline, das mittels Sendemast und Radiostudio auf einem Schiff das europäische Festland bestrahlte oder das aus dem alpinen Ausland nach München sendende Radio Bavaria International, wandelte sich das Radioprogramm auch der legalen Stationen. Freche Sprüche und lockere Musik, Comedy und Werbung entzückten die Jugend und lehrten dem “Staatsfunk” das Gruseln vor dem eigenen Untergang. Als Folge entstand in den 1980-er Jahren die heutige Rundfunklandschaft in Europa: das duale Rundfunksystem aus öffentlich-rechtlichen und privaten Radio- und Fernsehstationen.

Anhand vieler Beispiele und mit fundiertem Insiderwissen zeichnet Roth ein spannendes Bild der piratischen Radioszene. Er erzählt Geschichten von abenteuerlich kommerziellen Seesendern auf seeuntüchtigen Schiffen, die unter fragwürdiger Flagge vor europäischen Küsten schipperten oder kleinen Hobbyfunkern, denen von Polizei und Bundespost die Antennen abgenommen wurden. Daneben widmet er sich auch der Geschichte der explizit politischen Radioszene, aus der nichtkommerzielle Radiostationen wie Radio Dreyeckland in Freiburg und die vielen, meist mit unklarem Profil sendenden offenen Kanäle in der Bundesrepublik entstanden.

Das alles erzählt der Autor in lockerer Sprache unterhaltend daher, verliert sich dabei manchmal im Funkerslang, wenn er mit kryptischen Abkürzungen hantiert und überall Frequenzangaben einbaut. Eher dürftig beschreibt er in einem Kapitel die legale Rundfunklandschaft in Deutschland, die DDR dabei fast komplett ignorierend. Auf die mögliche Existenz von Piratenradios im Osten geht er nur mit dem Hinweis ein, dass es keine Bauteile für Sendeanlagen gegeben habe – eine unsinnige und falsche Begründung. Störend ist auch die offensichtliche Phobie vor dem Westdeutschen Rundfunk (WDR), dessen Chef Fritz Pleitgen und dem Internet; zurückzuführen auf einen Rechtsstreit um eine Internetdomain, den Roth verloren hat. Dies verwehrt dem Autor einen realistischen Blick auf die technischen und strukturellen Möglichkeiten heutiger, das Internet als anonyme Sendestrecke nutzender UKW-Piraten.

Dennoch ist das mit vielen lustigen Fotos gespickte Buch eine spannende Lektüre zur Geschichte der wichtigsten westlichen Piratensender und alternativen Radios. Roth erhebt wohl keinen Anspruch auf Vollständigkeit, erzählt aber schöne Anekdoten und tragische Ereignisse, die für das Verständnis dieser vergangenen Radiogeschichte unbedingt notwenig sind. Ein fundierter Ratgeber zum Bau des eigenen Senders ergibt einen ganz praktischen Nutzwert für alle potentiellen Nachwuchs-Radiopiraten. Allen, denen das Medium Radio nicht nur als Konsument am Herzen liegt, hat Roth ein Sachbuch mit dem Potential zum Standardwerk vorgelegt.

Wolf-Dieter Roth, Piratensender – Geschichte und Praxis
288 Seiten mit vielen s/w-Bildern
Verlag für Technik und Handwerk (Siebel Verlag) 2004, 13,90 Euro
www.piratensenderbuch.de


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