Rabbiner Andreas Nachama, Foto: Axel Mauruszat ( CC-BY-3.0-DE)
Gegen Forderungen zur Verschärfung des sog. “Blasphemie-Paragrafen” 166 StGB hat sich der Berliner Rabbiner Andreas Nachama diese Woche in der Jüdischen Allgemeinen ausgesprochen. Er plädiert für einen “Glauben ohne Zwang”.Nachama verweist auf “den Fall Salman Rushdie und die Mohammed-Karikaturen einer bis dahin kaum über Dänemark hinaus bekannten Tageszeitung”. Hier zeigt sich, wohin die Behauptungen führen können, religiöse Auffassungen seien sakrosankt.
Zur Warnung weist er auch auf jüngste Ereignisse hin: “Dort, wo es eine enge Verflechtung zwischen Religion und Staat gibt, sind die Folgen ‘blasphemischen’ Verhaltens unabsehbar: Die Verurteilung der Band ‘Pussy Riot’ in Russland lässt ahnen, wohin eine solche Gesetzgebung führen kann.”
Rabbiner Nachama hält einen gesonderten Schutz von Religionen und Religionsgemeinschaften nicht für erforderlich, diese seien durch die allgemeinen für alle geltenden Gesetze hinreichend geschützt.
Denjenigen Gläubigen der abrahamitischen Religionen, die nach einer Verschärfung von strafrechtlichen Blasphemie-Vorschriften rufen, hält er den Spiegel vor. Im Judentum, so schreibt er, sei es die Entwürdigung oder Entweihung des Gottesnamens – das Gegenteil der Heiligung des Gottesnamens. Hiervon ausgehend formuliert er, was Blasphemie wirklich sei: “Aus meiner Sicht waren aber die größten Blasphemiker jene, die zum heiligen Dienst ordiniert waren und doch schwiegen, als Millionen von Männern, Frauen und Kindern ermordet wurden, nur weil sie Juden waren. Oder jene in kirchlichen Diensten, die in den vergangenen Jahren bewusst wegsahen, obwohl sie hätten wissen können, dass Kinder für sexuelle Handlungen missbraucht wurden. Das ist Blasphemie. Aber diese Art der Gotteslästerung steht bereits als krimineller Tatbestand im Strafgesetzbuch und ist wohl auch mit dem Vorschlag zur Einführung eines Blasphemieverbotes nicht gemeint.”
Eine Verschärfung der Strafen für derartige Blasphemie hat allerdings bislang keiner der Gläubigen gefordert. Das sollte zu denken geben – und bei der Beurteilung von Forderungen nach Verschärfung von Blasphemie-Vorschriften auch stets mit beachtet werden.
Walter Otte