Buddha Shakyamuni ist der vierte Nirmanakaya-Buddha dieses lichtvollen Zeitalters. Es sind seine Belehrungen, die in unserer Welt erhältlich sind. Betreffend seiner Erleuchtung gibt es zwei unterschiedliche Sichtweisen: a) jene entsprechend dem Sutrayana, was die relative Sicht der Wahrheit ist, und b) jene entsprechend dem Tantrayana, was die Sicht der ultimativen oder letztendlichen Wahrheit ist. Gemäß der letztendlichen Wahrheit war Buddha Shakyamuni ein erleuchtetes Wesen. Er wurde nicht in Bodhgaya (Indien) erleuchtet; er war schon bei seiner Geburt ein Buddha, schon seit Lebzeiten vor seiner Geburt als Siddhartha Gautama, dem historischen Buddha – eigentlich schon immer erleuchtet, sodass niemand sagen kann, wie lange. Seit der Zeit seiner Erleuchtung hat er zahllose Rupakaya-Manifestationen in alle Bereiche der Existenz zum Wohle aller Wesen ausgesandt, um jene zu zähmen, die in Verwirrung umherwandern. Seine Manifestationen sind grenzenlos und sie sind seit zahllosen Lebenszeiten erschienen.
Emanation – Manifestation
Die Begriffe „Emanation“ und „Manifestation“ können eine absichtliche Aktivität beinhalten, aber die Aktivität ist eigentlich unabsichtlich. Der Zustand der Erleuchtung ist wie die Sonne. Es ist ein Zustand totaler Allwissenheit und Ausleuchtung. So wie die Sonnenstrahlen natürlich in allen Richtungen die Dunkelheit erhellen, erscheinen die Manifestationen der Buddhas spontan in den verschiedenen Bereichen der Existenz einzig zum Wohle der anderen, wenn Erleuchtung realisiert ist. Hört man dies, denkt man vielleicht, dass der Buddha einen Mangel an Mitgefühl hätte, da seine Manifestationen nicht absichtlich wären. Im Zustand der Erleuchtung ist Mitgefühl innewohnend und die Manifestationen, die spontan entstehen und ausstrahlen, sind der ungehinderte Ausdruck des innewohnenden Mitgefühls. Wenn jemand erleuchtet ist, gibt es kein Bedürfnis eine Motivation hervorzubringen oder Bodhicitta vorauszuplanen. Man besitzt spontan das innewohnende Gewahrsein der Gleichheit alles Lebenden und Existierenden, und dieses Gewahrsein ist nicht erdacht. Es ist ganz natürlich im Geist eines Buddhas wie Täuschung im Geist von jemandem ist, der nur sich selbst verherrlicht. Dies ist ein Weg, dies zu bedenken. Es ist natürlich für einen, sich selbst zu verherrlichen, und es ist natürlich für einen Buddha, spontan zum Wohle der anderen ohne einen einzigen Gedanken an sich selbst zu wirken. Die Manifestationen des Buddhas ereignen sich in vielen, vielen Bereichen der Existenz, erscheinen in zahllosen Formen, um andere zu Führen und zu Befreien. Viele Individuen auf verschiedenen Ebenen der Existenz erhalten Belehrungen vom Buddha entsprechend ihres Verdienstes. Aber wenn dieser Verdienst nicht ausreichend stark ist, wird die Belehrung in einem bestimmten Bereich aussterben. Es ist eine Sache, gutes Karma und ausreichend Verdienst zu haben, um eine Belehrung zu erhalten. Und es ist eine andere Sache, beständigen Verdienst und gutes Karma zu haben, um die Präsenz der Belehrung nicht nur im eigenen Geist, sondern auch in seiner karmischen Umgebung aufrecht zu halten. Bedenkt man beispielsweise die Situation in der Gegenwart wie in Tibet der Verdienst für das Aufrechterhalten des Buddhadharma abgenommen hat. Der meiste Teil davon ist aus dem Land verschwunden und hat sich in westlichen Ländern verbreitet. Hier in Amerika gibt es einigen Verdienst, damit der Dharma nun richtig wachsen kann, aber das bedeutet nicht, dass er immer hier sein wird. Seine dauerhafte Präsenz hängt von der Fähigkeit der Leute ab, fortwährend den notwendigen Verdienst anzusammeln. Dies beschließt die sehr kurze Erklärung über die Quelle des Dharma aus der Sicht der letztendlichen Wahrheit. Sie wird hier nur kurz gegeben, weil sie im nächsten Abschnitt, der Geschichte des Dzogchen / Atiyoga ausführlicher behandelt wird.
Sutrayana
Die Sicht der relativen Wahrheit korrespondiert mit der Sutra-Abteilung der Lehre des Buddhas. Die Jataka-Geschichten und andere Lebensgeschichten über den Buddha berichten, dass er vor seinem Leben als Prinz Siddhartha für zahllose Leben ein Bodhisattva war. Für drei zahllose Zeitalter wirkte er als Bodhisattva um Verdienst anzusammeln und Bodhicitta entstehen zu lassen, den höchsten Geist des Erwachens, Leben für Leben. Endlich durch die Kraft seines Reichtums großen Verdienstes, sowohl des gewöhnlichen wie auch des Verdienstes der Weisheit, fand er Erleuchtung in seinem Leben als Prinz Siddhartha unter dem Bodhi-Baum in Indien und wurde der Buddha. Kurze Zeit nach seiner Erleuchtung begann er den Buddhadharma zu lehren. Er lehrte den Dharma in drei großen Zyklen, die als die drei großen Drehungen des Dharma-Rades bekannt wurden.
Vajrayana
Nach dem Erlangen der Erleuchtung verwirklichte Buddha ganz natürlich die drei Kayas. Entsprechend der Sicht der drei Kayas übertrug er in seinem Dharmakaya-Aspekt mündlich die Belehrungen der Großen Vollkommenheit / Atiyoga, die die drei inneren Tantras des Maha, Anu und Ati beinhalteten. In seinem Sambhogakaya-Aspekt als Buddha Vairocana lehrte er die drei äußeren Tantras des Kriya, Upa (Charya) und Yoga. Als er diese Belehrungen in seinen Dharmakaya- und Sambhogakaya-Aspekten gab, wuchs das Licht der Lehren wie die Sonne an und verbreitete sich weit reichend. In den Bereichen, wo die Wesen mit den Dharmakaya- und Sambhogakaya-Aspekten verbunden sind, erblühte die Lehre. Es war wie das Entstehen eines neuen lichtvollen Zeitalters. Im menschlichen Bereich wurden diese Lehren nicht gegeben, da die Menschen nicht mit den Dharmakaya- und Sambhogakaya-Aspekten verbunden sind. Buddha Shakyamuni betrat die Welt als ein unübertreffliches Nirmanakaya-Wesen, zu einer Zeit als der Verdienst der Wesen sehr, sehr gering war. Es waren keine Dharma-Belehrungen verfügbar. Die Unterweisungen, die er als höchstes Nirmanakaya-Wesen gab, sind als der Tripitaka bekannt – die drei Körbe des Buddhas. Es war entsprechend des angesammelten Verdienstes der menschlichen Wesen, dass er in dieser Welt erschien. Und es war ebenso gemäß des Mangels ihres Verdienstes, dass die Dauer seiner Anwesenheit als höchste Nirmanakaya-Manifestation begrenzt war. Er ging in Nirvana ein als der Verdienst für seine dauerhafte Anwesenheit erschöpft war. Von diesem Punkt an begannen seine Belehrungen abzunehmen. Wohingegen die Lehre des Buddhas im menschlichen Bereich seit der Zeit seines Todes nun beständig abgenommen hat, ist in den Bereichen, wo die Wesen mit den Dharmakaya- und Sambhogakaya-Aspekten verbunden sind, Bereiche, in denen Wesen auf höheren, himmlischen Ebenen des Gewahrseins sich aufhalten, ist die Lehre niemals verfallen und immer noch präsent. Die Übertragung des Dharma in diesen Bereichen ist beständig, weil Dharmakaya und Sambhogakaya todlos sind. Hier gibt es keinen Verfall und Tod der Lehre.
Nyingma-Sicht der neuen Yanas
Allgemein gesprochen kennt die Nyingma-Schule die Existenz von neun Fahrzeugen der Lehre Buddhas. Die ersten drei sind als das Shravakayana, das Fahrzeug der Hörer, als das Pratyekayana, das Fahrzeug der Alleinverwirklicher, und als das Bodhisattvayana, das Fahrzeug der Bodhisattvas, bekannt. Diese drei unteren Fahrzeuge werden von Leuten mit einer schmalen Bandbreite an Gewahrsein und geringeren Fähigkeiten praktiziert. Die nächsten drei Fahrzeuge sind die drei äußeren Tantras des Kriya, Upa und Yoga. Diese werden von jenen mit mittleren Möglichkeiten an Gewahrsein und mittleren Fähigkeiten praktiziert. Die drei letzten sind die höheren Fahrzeuge, die inneren Tantras des Maha, Anu und Ati, und sie werden von jenen mit den höchsten Möglichkeiten an Gewahrsein und Fähigkeit praktiziert. Jedes dieser Fahrzeuge ist nicht ein separates Fahrzeug, getrennt von den anderen. Wenn dies so wäre, dann wäre es möglich, sofort in das zu den eigenen Fähigkeiten passende Fahrzeug einzusteigen. Entsprechend der Lehre der Nyingmapas muss man diese neun Fahrzeuge abschnittsweise betreten und praktizieren. Selbst ein Schüler mit den höchsten Fähigkeiten muss zumindest ein Verständnis von den unteren Fahrzeugen haben, bevor er die höheren Fahrzeuge betritt. Die Stufen des Studierens und der Praxis sind vom ersten Fahrzeug zum Zweiten zum Dritten usw. fortschreitend. Man muss lernen und die guten Qualitäten jedes Fahrzeugs als den Grund und den Eckstein für den Fortschritt in das nächste Fahrzeug zu benutzen. Dieses Verhalten des stufenweisen Fortschritts ist sehr wichtig. Dass das Erkennen und das Befolgen dieser neun Fahrzeuge die Sicht und Praxis der Nyingmapas wäre, bedeutet nicht, dass die Nyingmapas sich dies so ausgedacht hätten. Dies sind die Belehrungen, die Buddha gab. Die Nyingma-Schule hat sie auf diese Art organisiert, sie über die Jahre unversehrt bewahrt und sie legt sie in der ursprünglichen Form dar. Dies beschließt den ersten Abschnitt, die Ausführung über die Quelle dieses Dharmas. Gegeben von Gyatrul Rinpoche. Übersetzt vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus) um das Vertrauen der Praktizierenden zu festigen. Möge es von Nutzen sein!