Quatsch mit Quotevon Thomas Baader
Man darf in einer Demokratie im Hinblick auf die "Migrantenquote" gerne unterschiedlicher Meinung sein (und im Hinblick auf alle anderen Quoten auch). Denn die Demokratie lebt ebenso von falschen wie von richtigen Meinungen. Dies hier jedenfalls ist ein leidenschaftliches - und hoffentlich "richtiges" - Plädoyer gegen alle Quoten.
Das Problem mit jeder Art von Quoten ist das ihnen zu Grunde liegende kollektivistische Prinzip. Menschen werden auf der Basis eines bestimmten Merkmals (Geschlecht, Religion, Migrationshintergrund etc.) einer bestimmten Gruppe zugeteilt. Anschließend stellt man fest, dass Angehörige dieser Menschengruppe in leitenden Funktionen bei Parteien oder Firmen unterrepräsentiert sind - also soll eine Quote Abhilfe leisten.
Hier fängt schon das Problem an, denn die diese Gruppenbildungen sind letztlich nichts anderes als Konstrukte und als solche völlig willkürlich. Man könnte genauso gut gänzlich andere Gruppen bilden - hat sich eigentlich schon einmal jemand die Mühe gemacht zu überprüfen, ob es zu wenige Raucher, Linkshänder, Rothaarige, Bartträger, Übergewichtige, Kleinwüchsige, Allergiker oder Vegetarier in Führungspositionen gibt?
Das Quotenprinzip scheitert an einem inneren Widerspruch, der nicht überwunden werden kann: Es will Gerechtigkeit herstellen und schafft zu diesem Zweck Sonderregelungen für bestimmte Menschengruppen. Gerechtigkeit aber lässt sich immer nur individuell herstellen. Pauschalisierende Regelungen sind niemals gerecht, sondern stets nur Ursache für neue Ungerechtigkeiten. Wieso erhält jemand, dessen Familie durchaus wohlhabend ist und der über einen Migrationshintergrund verfügt, ein bestimmtes begehrtes Stipendium, während sich sein weitaus ärmerer Freund (sowohl arm an Geld als auch an Migrationshintergrund) gar nicht erst bewerben darf? Weil es sich um ein Stipendium handelt, das ausschließlich für Migranten vorgesehen ist. Dieses Beispiel ist übrigens nicht erfunden.
Ein zweites Beispiel:
Stellen wir uns zwei Halbschwestern vor. Beide haben denselben Vater. Als dessen erste Ehefrau gestorben ist, hat der Vater ein zweites Mal geheiratet. Aus jeder der beiden Ehen ging eine Tochter hervor. Verschiedene Mütter - eines der Mädchen hat einen Migrationshintergrund, das andere nicht.
Beide werden von derselben Frau großgezogen (der zweiten Ehefrau) und vom selben Vater. Beide wachsen in exakt demselben Umfeld auf. Die Lebenssituationen beider Halbschwestern ähneln sich so sehr wie die anderer Geschwisterkinder auch.
Nun stellen wir uns vor, beide wollten (aus welchen Gründen auch immer) in einem Führungsgremium der SPD tätig werden. Die eine der beiden Halbschwestern kann von der Migrantenquote profitieren, die andere nicht. Eine berechtigte Frage an dieser Stelle: Wo ist da der Sinn?
Die beiden Halbschwestern sind ebenfalls nicht erfunden. Es handelt sich um meine Cousinen.
Man mag jetzt einwenden, dass dies ein ganz besonderer Fall ist und keineswegs typisch für die Lebenssituation von Migranten in Deutschland. Dieser Einzelfall wäre also vor dem Hintergrund größerer Gerechtigkeit vernachlässigbar.
Aber: Erinnern Sie sich angesichts des Wortes "Einzelfall" noch an daran, dass ich schrieb, dass Gerechtigkeit immer nur individuell herstellbar ist?