„Die Fremde ist herrlich, solange es eine Heimat gibt, die wartet. – Erika Mann
Heimat ist eine merkwürdige Sache, mehr ein vages Gefühl. Man hat sie, ohne sie wahrzunehmen. Erst wenn man länger von ihr getrennt lebt, merkt man, wie verbunden man ihr ist. Ganz plötzlich besinnt man sich ihrer und denkt bisweilen wehmütig an die Gegend, in der man wortlos verstanden wird. Wo man nur „Servus“ zu sagen braucht, „Servus“ als Antwort bekommt und damit alles gesagt ist. Wo man zu Hause, in meinem Fall „dahoam“, ist.
Ich habe mir selbst immer vorgegaukelt, eher Nomade und Weltenbürger zu sein und meine Heimat Oberbayern in jungen Jahren als ganz schön langweilig und nebensächlich empfunden. Der Reiz lag nur in der Ferne.
Seit eineinhalb Jahren lebe ich im platten Land, in den Niederlande, wo mich niemand einfach so versteht. Und plötzlich fehlt mir Exil-Bayer was: etwas Vertrautes.
Ich fange an, meine Heimat zu idealisieren, spreche des Öfteren bayerisch zu Hause (ist ja ein Jammer, wenn die Tochter es nie lernt) und für Brezn, Zwetschgendatschi und süßen Senf gäbe ich ein Königreich.
Auf einer Schulfeier neulich habe ich das Dirndl rausgeholt und unseren neuen Nachbarn unbedacht großzügig den Notvorrat an Tegernseer Hellem vorgesetzt.
Letzten Sommer kam es dann noch dicker: Wir machten Heimaturlaub. In Garmisch-Partenkirchen. Um Himmelswillen!
Es rührt sich wieder was in Garmisch-Partenkirchen
Garmisch-Partenkirchen seit jeher Rentnerhochburg, altbacken und uncool. Zum Skifahren musste es schon weit über die Grenzen gehen.
Wie ignorant und einfältig. Die alten Zeiten samt Vorurteile sind längst dahingeflossen, ist das Städtchen doch vom Prinzip her nämlich ein perfekter Ort. Ein „Klein-Kanada. Heute weiß ich, dass es dem Vergleich leicht standhalten kann, sich vielmehr die Frage stellt, wer denn in puncto eindrucksvoller Landschaftsgestaltung von wem abgeschaut hat?
Über Garmischs Dächern thronen ganz spektakulär Alpspitze und Waxenstein, daneben der Gipfel von Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze. Im Sommer schlängeln sich Urlauber im Gänsemarsch durch Schluchten mit tosenden Gebirgsbächen (Partnachklamm und Höllentalklamm). Es gibt traumhaften Wandertouren, Trails, urige Berghütten und im Winter neben den drei durchaus guten Skigebieten natürlich das ganze Wintersportprogramm eines Olympiaortes, inklusive einwandfreier Skitourenrouten.
Die Krönung jedoch ist, dass sich Garmisch in den letzten Jahren dermaßen gemausert hat und sich nirgends mehr zu verstecken braucht. Klammheimlich sind hippe Kaffeebars und Boutiquen aus dem Boden geschossen, charmante Hotels und stylishe Wellnessrefugien – alles jedoch, ohne seine Wurzeln zu vergessen. Altes wird in Garmisch neu gelebt. Regional und lokal sind Auszeichnungen und kein Stigma.
Es rührt sich wieder was in GAP. Schon immer kamen die Touristen, doch die Menschen, die jetzt hier urlauben, kommen aus der Region. Die Münchner! Sie sind aktiv, suchen Erholung, Entspannung und Energie. Sie trinken Röstkaffee, besuchen Yoga-Kurse und gehen schon vor dem Frühstück eine Runde auf den Berg. Manch einer treibt es so weit und legt sich eine Zweitwohnung in Garmisch zu. Ob das begrüßenswert ist oder nicht, sei dahingestellt und kann wohl nur von den Einheimischen beurteilt werden.
Quartier Lodge – Garmischs architektonische Bereicherung
Es mag am allgemeinen Trend „Zurück zur Natur“ liegen, nicht unschuldig an dem ganzen Hype sind aber auch ein paar Macher und Querdenker. Darunter auch die Köpfe hinter dem „quartier“ – ein architektonisches Aushängeschild und eine Bereicherung für Garmischs Hotellerie.
In unseren südlichen und westlichen Nachbarländern ist man, was zeitgemäße Architektur angeht, viel mutiger als hierzulande. Doch am Ende haben sich auch hier Bauherren aus der Region getraut, progressiver aufzutreten. Seither sorgt das Hotelkonzept des „quartier“ für viel Gesprächsstoff in Garmisch-Partenkirchen.
Die meines Erachtens gelungene Architektur des Hauses verbindet einen radikalen schwarzen Holz-Neubau mit asymmetrischen Giebeln mit dem Herzstück, einer alpenländischen 110 Jahre alten Villa. Ein zeitgenössischer Komplex aus Holz und Beton mitten in Garmisch-Partenkirchen, der zwei Jahrhunderte vereinigt. Mit kantigen Dachformen, welche die Bergwelt widerspiegeln sollen. Rotzfrech. Das hat es hier so noch nicht gegeben, und so manch bodenständiger Betrachter hat garantiert seine Schwierigkeit damit.
Ich finde, das gesamte Hotel-Ensemble lebt genau von diesem Alt-Neu-Kontrast. Schon das Entree, ein Eyecatcher an der Gartenstraße, ist für Garmisch-Partenkirchen ein Novum. Das Foyer wirkt durch viel Sichtbeton licht und klar, öffnet sich nach oben und ist pfiffig möbliert.
Der Luxus der Natur
Ein Laubengang führt zu den einzelnen Lodges. Die durchdachten, raffiniert gestalteten Appartements bestehen komplett aus duftendem, unbehandeltem Fichtenholz. Nicht nur weil das Material lebt und sich so gut anfühlt, sondern weil der natürliche Baustoff in der Ökobilanz punkten kann. Das quartier setzt nämlich konsequent auf Nachhaltigkeit, um die Umweltbelastung so gering wie möglich zu halten. Geheizt wir mit Pellets, gewaschen wird im Haus mit Biowaschmittel. Sowieso kommen hauptsächlich Naturmaterialien zum Einsatz und auf den Frühstückstisch Biologisches aus der Region.
Getreu dem Motto: „Ankommen, bewegen, abschalten“ sucht man einen Fernseher in den Appartements vergebens. Die Lodges sind elektrosmogreduziert und haben einen Offline-Schalter für das Internet. Handy sind in der Tagensbar, dem Frühstücksraum verboten. Letzteres entscheide ich gerne für mich selbst, gebe aber zu, das Konzept ist konsequent und stimmig. Die Atmosphäre ist zum Wohlfühlen – irgendwo zwischen Designhotel und Ferienwohnung. Ein bisschen wie eine Heimat in der Heimat.
Da macht es uns gar nichts aus, dass das Wetter nicht mitspielt. Wir würden sowieso am liebsten den ganzen Tag in der Hängematte baumeln, auf der Sitzbank am Fenster lümmeln und durch die raumhohen Fenster nach draußen schauen. Auf die vertraute Bergkulisse, die oberbayerische Landschaft, die Wiesen, die Wälder, die alpenländischen Häuser. Und stets den heimeligen Fichtenduft in der Nase.
Gut zu wissen:
- Damit der Mottopunkt „Aktiv sein“ nicht zu kurz kommt, gibt es ein umfangreiches Sport- und Bewegungsprogramm für alle Gäste, sowie jederzeit persönliche Anregungen für Aktivitäten in der klaren Bergluft.
- Das quartier liegt zentral in der Nähe des historischen Ortskerns von Garmisch und gleichzeitig mitten in den Bergen. Zum Hausberg und zur Alpspitze sind es nur ein paar Minuten. Im Sommer startet man mit dem Fahrrad direkt vom Haus aus in die Bergwelt. Aber keine falsche Illusion: Das quartier liegt nicht idyllisch im Grünen. Die Straße, an der das Ensemble liegt, gehört zu den befahreneren Straßen des Ortes, vor allem im Winter. Durch die Dreifachverglasung hört man die Straße allerdings nicht.
- Alle Lodges verfügen über eine Pantryküche für Gerichte zwischendurch – fürs große Galadinner reicht die Küche nicht aus.
- Für Eltern: Garmisch bietet ein umfangreiches Kinderprogramm: Esel-Trekking auf einsamen Bergpfaden, Grenzen überwinden im Panorama-Kletterwald, Baden zwischen Berggipfeln, Fackel-Wanderungen oder Geotop-Exkursionen. Holt Euch am besten das Programm vom Tourismus Verband (www.gapa.de). Im quartier liegen auch Flyer und Booklets aus.
Bergtouren zum Nachmachen
- Trotz Miesepeter-Wetter sind wir letztendlich nicht nur in der Hängematte gelegen. Eine herausragende, vielseitige Wanderung, die ich in den Fitten (die Tour dauert ca. 7,5 – 8 Stunden mit ca. 1400 Höhenmetern) ans Herz legen kann, führt durch die Partnachklamm und das Rheintal auf den Schachen. Dort hatte Schöngeist König Ludwig mit dem hübschen Schachenhaus seine Finger im Spiel. Wir haben diese beiden Touren ganz freestylemäßig als Runde kombiniert.
- Es muss nicht immer der Eibsee sein – obwohl ich es ja zugebe, er ist schon eine Wucht – auch der Riessersee ist eine Augenweide. Entweder wandert man direkt von der Lodge hoch (und weiter) oder nimmt den See als Ausgangspunkt für eine schöne Wanderung. Vorschlag: Garmisch-Hausberg – Rießersee – Kochelbergalm – Partnachalm – Partnachklamm. Natürlich kann man im See auch prima baden und mal alle Fünfe gerade sein lassen.
- Mit eine der schönsten Wanderungen führt von Hamersbach zur Höllentalangehütte. Die neue „Hütte“ hat zwar an Charme verloren, das tut der Wanderung aber keinen Abbruch.