Quantitätsjournalismus

Von Robertodelapuente @adsinistram
Spiegel Online berichtet: So erweise sich etwa das Kindergeld als "wenig effektiv". Das Ehegattensplitting sei "ziemlich unwirksam". Und die beitragsfreie Mitversicherung vom Ehepartner in der gesetzliche Krankenversicherung nennen die Gutachter sogar "besonders unwirksam". Stern.de meint hingegen: Das Kindergeld erweise sich demnach als "wenig effektiv" [...] Das Ehegattensplitting sei "ziemlich unwirksam", die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung sogar "besonders unwirksam". Und der Focus Online geht noch weiter: Das Kindergeld erweise sich demnach als „wenig effektiv“ [...] Das Ehegattensplitting sei „ziemlich unwirksam“, die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung sogar „besonders unwirksam“.
Diese Ausdrucksvielfalt bestätigt: Man weiß eigentlich kaum etwas über den Inhalt dieser Regierungsstudie. Nicht über die Zusammensetzung des Gutachterkreises und vermutlich noch weniger vom "vernichtenden Zeugnis", das ebenfalls alle Medien exakt so wiederholen.

Warum glaubt man eigentlich, es sei in irgendeiner Weise berichtenwert, etwas zu einer Studie zu veröffentlichen, die noch gar nicht veröffentlicht ist und daher auch keinen Überblick über die wirklichen Resultate erlaubt? Was soll das heißen, wenn man sagt, das Kindergeld sei "wenig effektiv"? Im Bezug auf was? Auf verkaufte Strampler? Oder auf das Wetter im Rheingau? Inwiefern ist das Ehegattensplitting "ziemlich unwirksam"? Schlafen gesplittete Ehegatten seltener miteinander und minimieren damit die Fruchtbarkeitsziffer? Und die Mitversicherung beim Ehepartner, die "sogar besonders unwirksam" sei? Aber wenn man als Ehepartner zum Arzt geht, dann wird doch die Mitversicherung sogar sehr wirksam - wie kann sie da jetzt unwirksam genannt werden?
Man weiß also nichts, schreibt aber dazu und tyrannisiert nebenher noch Fernsehzuschauer und Radiohörer mit stündlichen oder halbstündlichen Meldungen, die sich übrigens exakt wie die Berichte von Spiegelsternfocus anhören. Und weil das noch nicht reicht, skandieren einige Politiker gleich lauthals "Prüfstand", auch wenn sie nicht mehr wissen, als alle anderen. Was dem pawlowschen Hund sein Glöckchen, ist dem Steinbrück und einigen Liberalen sein "wenig effektiv", "ziemlich unwirksam" und "sogar besonders unwirksam".
Und während man so gar nichts Genaues weiß, soll der beabsichtigte Prüfstand vielleicht all diese Familienleistungen verschlanken. Vielleicht ist das Kindergeld aber doch so "wenig effektiv", weil es so niedrig ist oder die Mitversicherung der Ehepartner so "besonders unwirksam", weil man erst verheiratet sein muss, um in den Genuss der Mitversicherung zu geraten. Man könnte halt alles hineinspekulieren, wenn man nur möchte und wenn man nicht weiß, wie sich zwischen Tür und Angel vermittelte Urteile herleiten.
Ein entschleunigter Journalismus, der auch mal sensationelle Zwischenrufe aus Gutachterkreise ignorierte, wenn sie denn wenig substanziell sind, könnte Klarheiten schaffen. Diese hier gezeigte Qualität journalistischer Arbeit aber schafft nur eine Quantität an Gegenteil dessen.