Der Komponist Jérôme Combier (c) Gaëlle Belot
Beim 28. Konzert des Festival Musica konnte man sich intensiv mit der neuesten musikalischen Produktion von jungen Komponisten auseinandersetzen. Das Ensemble „Accroche Note“ spielte im Börsensaal in Straßburg Werke der Franzosen Yann Robin, Christophe Bertrand sowie Jérôme Combier.
Robins „Phigures“ präsentierte sich als kleines, kammermusikalisch angelegtes Werk, dessen Streicher und Bläser sich aufeinander sinnhaft bezogen und dem auch eine kurze Klavierkadenz eingeschrieben war. Völlig konträr dazu stand seine zweite Arbeit „Art of Metal II“, geschrieben für Kontrabassklarinette. Armand Angster bediente sein Instrument kongenial und wurde vom Ircam-Team elektronisch bestens unterstützt. Zwischen dem Scharren und Toben eines wilden Tieres, dem Flattern eines riesigen Insektes und dem rhythmisch äußerst anspruchsvollen Einsatz des Instrumentes lagen alle Klangwelten, die er aus seinem Instrument hervorholen konnte. Die elektronischen Einspielungen erlaubten dem Solisten, zu seiner eigenen Begleitung zu spielen, was sicherlich für ihn auch ein besonderes Spielerlebnis auf der Bühne darstellte.
Die Aufführung von „Diadème“ des vor ca. 2 Wochen verstorbenen Komponisten Christophe Bertrand, war aufgrund dieses tragischen Ereignisses extrem emotionsgeladen. Francoise Kubler, deren klarer Sopran sich sicher durch die Partitur bewegte, konnte ihre Gefühle während des Applauses kaum zurückhalten. Die rasche Veränderung in der Dynamik der Stimmpartitur zu Beginn des Stückes, äußerst schwierig zu singen, gelang ihr ohne sichtbare Anstrengung. Zwischen Recitativ und Arie angesiedelt, erforderte das Stück viel Fingerspitzengefühl vor allem von ihrer Seite. Das 4-sätzig angelegte Werk ließ jedoch auch der sie begleitenden Klarinette und dem Klavier genügend Raum, sei es in ausgesprochenen Duettsituationen, sei es in einer Kadenz für das Klavier. Pierre Jean Jouve´s Gedicht, dass Bertrand als Ausgangsmaterial gewählt hatte, wurde von Kubler klar und deutlich intoniert, was ebenfalls ihr Können unterstreicht.
Mit Jérôme Combier´s „Gone“ endete das Konzert im ausverkauften Saal. Neben drei Streichern, dem Klavier und der Klarinette kam vor allem der elektronische Apparat kräftig zum Einsatz. Starke Halleffekte und langes Nachrauschen schufen gänzlich neue und interessante Klangqualitäten. Das Rauschen des Windes war mehrfach zu vernehmen und plötzlich wurde klar, dass Combier hier einerseits fast erzählend Raum- und Zeitzustände beschreibt, andererseits jedoch zugleich auch wiederum nahe an der Beschreibung von menschlichen Seinszuständen arbeitet. Bei diesem Werk hatte man ganz deutlich nicht primär den Wunsch die Komposition nachvollziehen zu können. Vielmehr war man mit der Wahrnehmung dieser Klangsituationen beschäftigt, die in Gedanken permanent räumliche Ideen entstehen ließen. Seine Komposition bildete so große KIanghallen, dass man meinte, sich in ihnen zu bewegen. Immer wieder durchbrochen von kleinen Streichertrios, fiel man auch schon einmal in ein dunkles, schier bodenloses, tiefes Klangloch, aus dem man aber danach auch wieder befreit wurde. Nachdenklich leise und verhallend endete das Stück.
Combier zeigte an diesem Nachmittag sicher am deutlichsten, worin sich junge Musik heute von der ihr vorangegangenen unterscheidet, und dass es spannend ist und sich lohnt, sie zu hören.
Datum der Veröffentlichung: 07 Oktober 2010
Verfasser: Michaela Preiner
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