In den zurückliegenden Wochen hat ein Buch zum aktuellen Stand des nationalen Kulturbetriebs für Aufsehen gesorgt. Gemeint ist ‚Der Kulturinfarkt – von Allem zu viel und überall das Gleiche’ von Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz. Die vier Autoren sprechen sich für die Abschaffung der öffentlichen Förderung von Kultureinrichtungen aus, das heißt von Museen, Theater- und Opernhäusern und dergleichen. In denen geht es ihrer Meinung nach mittlerweile nicht mehr um den bildungspolitischen Auftrag ‚Kultur für alle’, sondern um den bloßen Selbsterhalt der Häuser. Könnten die Forderungen der Kulturpessimisten schon morgen Realität werden? Schließung der Berliner Neuen Nationalgalerie oder der Deutschen Oper in Frankfurt am Main? Weg mit den nationalen Museen für Angewandte Kunst und Gestaltung?
Im Design stellt man sich zur Zeit eher gegenteilige Fragen: Hier sollen es mehr Museen werden. Der in Frankfurt am Main beheimatete Rat für Formgebung/German Design Council präsentierte im Herbst 2012 sein ambitioniertes Vorhaben ein ‚Deutsches Design Museum’ gründen zu wollen – genau genommen verkündete er im September 2011 die Gründung einer gleichnamigen Stiftung. Mag der Absender dieses Vorhabens verwundern, stellt der dahinter stehende Auftrag, nämlich die Präsentation und Vermittlung der deutschen Gestaltungssprache ein interessantes Unterfangen da.
Pop-Up Museum
Während sich die meisten internationalen Museen auf die klassischen Museumsaufgaben wie das Sammeln, das Bewahren und das Ausstellen von Exponaten sowie der aufwändigen eigenen Verwaltung konzentrieren, hat sich daneben ein neuer Trend zur Eventkultur ausgeprägt. Metropolen wie London, Stockholm oder Tokio locken mit zahlreichen Festivals, Biennalen und Design-Highlights in einem kurzen Zeitraum. Abgeleitet könnte die Formel lauten: Langfristigkeit ≠ Publikumserfolg oder anders formuliert: Publikumserfolg = temporär! Und wie wahr: Warum soll man sich mit lästigem Ballast wie Etatkürzungen befassen, um sich ins Haifischbecken des Fundraising zu begeben, mit Gebäude- und Betriebskosten belasten oder lästige Bürokratie ertragen, sprich: den gewaltigen Verwaltungsapparat Museum antun, wenn es auch einfacher gehen könnte. Nur wie?
Szenario: wir teilen die Museen für Angewandte Kunst in zwei Ausstellungshäuser auf.
Die einen widmen sich der Historie, die anderen der Gegenwart. Bleibt noch zu klären, wer sich von den beiden für die Abteilung Zukunft verantwortet? Szenario II: vielleicht müssen wir uns in Zeiten von wachsender Immaterialität einfach nur vom realen Gegenstand verabschieden und die Sammlungsbestände als CAD-Modelle (Computer-aided design) abspeichern, um sie virtuell zu genießen? Und schon wären alle Ausstellungsmacher, Kuratoren und Künstler befreit und sprudelten nur so vor temporären Nutzungsstrategien! – Ganz so leicht scheint es aber dann doch nicht zu sein.
Ein Blick in die Geschichte lässt schnell erkennen, dass sich an dem eigentlichen Verständnisproblem der Disziplin Design zumindest aus Sicht der Präsentationsweise durch die Jahre wenig geändert hat. Fast zeitlos erscheint die Tatsache, dass allgemeine Uneinigkeit über ein einheitliches Klassifizierungssystem von Kunsthandwerk und industriell-gefertigten Designobjekten vorherrscht. Zumindest der deutsche Blick auf die historischen Exponate der Museen für Kunst und Gewerbe sowie für Angewandte Kunst, zeigt schnell, dass es sich bei der ständigen Sammlung meist um ein buntes Allerlei an Gegenständen ohne Kontext- und Orientierungshilfe handelt. Alle Jahre wieder wird der ein oder andere Versuch unternommen, den ehrwürdigen Staub von den Objekten mithilfe einer Neupräsentation aufzuwirbeln.
Aber es gibt sie, die Leuchttürme wie das Victoria & Albert Museum(V&A London), die Münchener Pinakothek der Moderne oder das Museum of Modern Art (MoMA) in New York, denen der Spagat zwischen der Art und Weise der historischen Objektdarbietung und der stetigen Auseinandersetzung mit dem Zeitgenössischen gelingt. Das V&A verwaltet heute nicht nur die weltweit größte Kunstgewerbe und Design-Sammlung der Welt, sondern folgt in Gestalt von 4 Millionen Objekten auch weiterhin seiner bildungspolitisch-geprägten Maxime, sich für die Stärkung des Kunsthandwerks einzusetzen. Dieses Leitmotiv ging aus der 1851 in London stattgefunden Weltausstellung hervor, die damit indirekt ihren Glauben an den Fortschritt durch Design zum Ausdruck brachte.Übertragen auf das 21. Jahrhundert könnte man nun fragen: müssen wir ständig neue Formen als Ausdruck von kultureller Weiterentwicklung gestalten, um sie dann auch noch unter konservatorischen, epochenübergreifenden und themenspezifischen Gesichtspunkten richtig auszustellen? Sind es nicht eher die Prozesse, wie technologischer Fortschritt, die Entwicklung neuer Materialien oder Methoden in den Arbeitsweisen wie Co-Working und Design Thinking, die dargestellt werden sollten? Und genügt dafür nicht die ein oder andere Design Week oder das Off-Programm einer Messe? Die Antwort lautet: Nein!
Geschmacksfragen
Wenn man Design ausstellt, geht es neben Wissensvermittlung und Kontextualisierung vor allem auch um die kontinuierliche Dokumentation des allgemeinen Geschmacks. Das Museum ist aufgefordert sein Programm den gegenwärtigen Debatten der Disziplin anzupassen, um die kritische Auseinandersetzung mit einer Konsumwelt, die sich nicht mehr daran orientiert, was wir brauchen, sondern den Besitz von Statussymbolen lehrt, aufzuzeigen. Ob Open Space-Bereiche oder ein schnellerer Turnus in den zeitgenössischen Präsentationen: Design soll die Menschen erreichen und vor allem soll es aufzeigen, wie wir Designer die Welt verbessern können.
Wir können nur hoffen, dass es wenigstens den Designmuseen gelingt, sich aus ihrer historischen Daseinsberechtigung zu lösen und den Sprung in die Gegenwart zu wagen – sonst droht dem Designmuseum der Kulturinfarkt ohne Wiederbelebung.
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