„Psycho-Erlass“ für G9: Für den eigentlichen Skandal sorgte Herr Kubicki!

„Psycho-Erlass“ für G9: Für den eigentlichen Skandal sorgte Herr Kubicki!Dieser Tage steht einmal mehr Schleswig-Holsteins Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) im Kreuzfeuer der Kritik. Die Opposition fordert gar massiv seinen Rücktritt. Dabei ist der Anlass, zumal gemessen an den sonstigen Fehlleistungen aus dem Hause Klug, eher geringfügig. In der Sache geht es um einen Erlass an die Gymnasien des Landes, die sich dazu entschließen, künftig ausschließlich oder alternativ das sog. „Langsam-Abitur“ nach neun statt acht Jahren anzubieten. Da dies voraussichtlich nur wenige Gymnasien betrifft (dem Vernehmen wollen landesweit nur etwa 10 der 100 Gymnasien G9 anbieten), sind Kapazitätsengpässe absehbar. Wie sollen also die knappen G9-Plätze gerecht verteilt werden, wenn es mehr Schüler-Anmeldungen als Plätze gibt? Genau diese Frage sollte der (inzwischen zurückgezogene) Erlass regeln.  Wenn an dem betreffenden Gymnasium nicht für alle für G9 angemeldeten Kinder Schulplätze zur Verfügung stehen, sollten “jene Kinder bevorzugt werden, deren Eltern mit einem ärztlichen Attest nachweisen, dass der „physische oder psychische Gesundheitszustand des Kindes eine längere Lernzeit notwendig macht“. Daraus titelte dann die Presse: „Langsam-Abitur nur gegen Psycho-Attest?“  – und schon war der Skandal da.

Dabei erweist sich bei näherem Hinsehen die Sache als weit weniger skandalös. Schließlich ist es zurecht z.B. an „überlaufenen“ (vormaligen) Gesamtschulen jahrelange, gängige Praxis, ein Auswahlverfahren durchzuführen, in dem u.a. eine bestimmte Zahl von Schulplätzen für Härtefälle reserviert sind (vgl. z.B. das Aufnahmeverfahren an der Lübecker Geschwister-Prenski-Schule, hier). Ärztlich attestierte physische oder psychische Besonderheiten finden hier selbstverständlich Berücksichtigung, ohne dass dies bisher irgendjemand als anrüchig empfunden hätte.

Für den eigentlichen Skandal hat nicht der Bildungsminister, sondern dessen Parteifreund und FDP-Fraktionsvorsitzender im Landtag, Wolfgang Kubicki, gesorgt. Dessen Versuch, die Schuld an dem Erlass auf „die sozialdemokratisch durchzogene Ministerialbürokratie“ im Bildungsministerium zu schieben (vgl. LN-Online vom 05.02.2011, hier), ist  einfach nur dümmlich, weil von keinerlei Sachkenntnis getrübt. In einem Ministerium gibt die Hausspitze den politischen Ton an. Das weiß jeder Mitarbeiter und wird regelmäßig von diesen auch respektiert. Selbst wenn einem Bediensteten einmal diese professionelle Einstellung abhanden kommen und die persönliche  politische Einstellung die Oberhand gewinnen sollte, gibt es gleich mehrere politische Filter: Jeder politisch bedeutsame Erlass wird als „Leitungsvorlage“ vom Leiter des Ministerbüros und dem Staatssekretär abgezeichnet, bevor er den Minister erreicht. Beide haben in aller Regel das selbe Parteibuch wie der Ressortchef. Herr Kubicki hat sich mit seiner Kritik damit selbst disqualifiziert und seinem Parteifreund Klug  einen Bärendienst erwiesen. Der Bildungsminister musste denn auch gestern prompt kleinlaut zugeben, dass er den umstrittenen Erlass selbst abgezeichnet hatte (vgl. LN-Online vom 09.02.2011, hier). Eines zeigt dieser Vorgang ganz deutlich: Wer Herrn Kubicki zum Parteifreund hat, braucht ganz gewiss keine Feinde mehr!


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