Patienten fanden sich in dieser Anstaltsstruktur, ähnlich wie in Gefängnissen, bald mehr oder weniger zurecht. So fanden sie relativ schnell heraus, wer vom Pflegepersonal unsicher war und sich hinter der künstlichen, oft nur durch den Besitz eines Schlüssels zur Freiheit bedingten, Autorität verbergen musste und wer sie als Menschen ernst nahm.
Mir fiel sehr bald Herr V. auf, ein über 70jähriger Mann aus Mannheim, der bei der Medikamentenverteilung seine Tabletten immer im Mund behielt und sie in einem unbeobachtet geglaubten Moment auf der Patiententoilette entsorgte. Herr V. trainierte auch regelmäßig seine Muskeln durch Situps, Liegestützen und das Stemmen von Stühlen. In einem Gespräch vertraute er mir an, warum er "in der Anstalt" war: Er arbeitete bis zu seinem Rentenalter für einen großen Chemiekonzern und war überzeugt davon, dass Agenten dieses Konzerns seine Gesundheit ruinieren wollten und nach seinem Leben trachteten. Es war ihm durchaus klar, dass es letztlich dieser "Verfolgungswahn" war, der ihn in diese Einrichtung brachte. Es schien ihn aber nicht sonderlich zu stören, da er sich hier sicher fühlte. Ein Problem war für ihn, dass er zur Untätigkeit und ein "vor sich hin dämmern" verurteilt war. Es gab weder Therapeuten noch Familienangehörige, die sich wirklich um ihn kümmerten.