Pssst, Weltspartag!

Man sagt ja immer, Deutschland wäre ein sehr kinderfeindliches Land. Kindergarten-Bauvorhaben werden durch Klagen gestoppt, überall stehen die berühmten "Rasenfläche betreten verboten" - Schilder, richtige Kinderecken sind Raritäten in Restaurants oder öffentlichen Gebäuden, normal sind eher Kistchen mit abgeranzten Büchern oder Spielen, um das schlechte Gewissen zu beruhigen oder ein Häkchen hinter einen imaginären "to do" - Punkt zu machen. Aber wer macht dieses Land zum vermeintlichen Kindermuffelland?
Wir spazierten am Weltspartag mit Maus und Mäuschen zur örtlichen Sparkasse, um das Geschenk für die Maus abzugreifen und ihre schwarze Plastiksau schlachten und daraus ein Sparbuch machen zu lassen. Zunächst war auch alles noch ganz schön. Das Mäuschen sah auf Papas Arm putzig aus, die Maus suchte sich mit leuchtenden Augen ein Playmobil Spielzeug aus und wartete, während die Bankangestellte das armselige Kleingeld des Schweines durch den Zählautomaten jagte. Dann kam ein anderer Angestellter, der uns in einen seperaten Kundenraum brachte, um die Sparbuchangelegenheit zu klären. Dazu bräuchte er einen Kinderausweis oder das Stammbuch. Blöd. Daran hatten wir natürlich nicht gedacht. Der Mann erklärte sich dazu bereit, schnell nach Hause zu flitzen (etwa 3 Gehminuten) um es zu suchen. Entgeistert machte ich meinem tiefen Wunsch Luft, er möge das noch niedliche Mäuschen bitte beim Flitzen mitnehmen. Der Wunsch wurde mir noch erfüllt. Bis dahin alles prima.Warum ich das erzähle? Wartet, kommt gleich.
Ich saß also auf dem geschäftlichen Wippstuhl im seperaten Kundenraum, der Bankangestellte saß hinter seinem Schreibtisch und wir übergrinsten hüstelnd und schulterzuckend die unangenehme Stille im Raum. Die Maus betrachtete still und ruhig ihr Geschenk und kapierte so gar nicht, warum wir eigentlich noch hier rumhingen. Und dann... Dann wurde ihr langweilig. Und mein sonst so altkluges und großes Kind fing plötzlich an, sich wie ein Kleinstkind zu verhalten. Krabbelte durch den Raum, aus dem Raum, unter den Schreibtisch des wartenden Bankkerls, schlug ihren Sparkassen-Luftballon überall dagegen, kicherte wie eine Irre und redete dabei mit mir wie eine Zweijährige, was mich echt zur Weißglut treibt. Das schlimme an so einer Bank ist ja, dass es so ruhig ist! Unglaublich ruhig! Ist man als Doppelmutter überhaupt nicht mehr gewöhnt, so ein stiller Ort mit stillen Menschen, die stille Dinge still erledigen! Und wegen ebendieser Stille traute ich mich auch nicht, die Maus mit mehr als zischenden Mama-ist-stinkig-Lauten zu beschießen oder böse Blicke zu versenden. Normal reicht das auch aus, doch in dieser Stille sah meine Maus wohl die Chance, mal so richtig auf die Kacke zu hauen und machte einfach weiter. Nun gallopierte sie quiekend durch die Bank, die Angestellten lächelten gezwungen und mir bracht der Schweiß in Sturzbächen aus. Nach gefühlten Stunden war der Mann noch immer nicht da und mir taten schon die Schultern vom vielen Zucken weh und ich fragte unseren Bankkerl hoffnungsvoll, ob er nicht noch etwas anderes zu tun hätte (als saublöd vor mir zu sitzen und mich mitleidig anzusehen). Nein. Hätte er nicht. Keine Sorge. Prachtvoll.
Nach unfassbar vielen gefühlten Stunden, also 5 Minuten später, kam dann doch der Mann mit dem Stammbuch angetrabt. Der Bankkerl freute sich mindestens so wie ich darüber und durfte sich endlich ans Werk machen. Doch auch das dauerte wieder. Die Maus, durch die Anwesehnheit des Papas etwas zur Ruhe gebracht, langweilte sich mittlerweile wirklich sehr und auch das Mäuschen hatte keine Lust mehr, niedlich auf Papas Arm auszusehen und beschloss, lieber nörgelnd und nölend von Papas Arm zu wollen. Um uns herum immer noch Bankstille. Irgendwann hatten wir dann irgendwie alles erledigt, haben jetzt irgendein Sparbuch zu irgendwelchen Konditionen mit irgendeinem Betrag darauf - und konnten endlich die Bank verlassen.
Und die Moral von der Geschicht?
1) Das Bankgeheimnis wäre gelüftet, das stille Örtchen ist gar nicht die Toilette!
2) Ob Deutschland wirklich kinderfeindlich ist, weiß ich nicht - aber alleine das Gerücht machte mich zur Mittäterin, denn ob all das, was das Mäuschen in der Bank anstellte, nun wirklich so schlimm gewesen wäre, wären wir eben NICHT in einer Bank gewesen, wage ich zu bezweifeln.
3) Seriöse Erledigungen wie Bankgeschäfte sind KEINE Kinderbespaßungen, auch nicht am Weltspartag.
Ich lerne aus solchen Ereignissen eigentlich immer, dass wir hier in Deutschland viel zu unentspannt mit allem umgehen. In anderen Ländern ist es vollkommen normal und sogar mehr als freudig geduldet, dass überall Kinderlachen und Gekicher ertönt - auch an Orten, an denen das normal gar nicht der Fall ist (oder vielleicht sogar BESONDERS an solchen Orten). Kinder dürfen toben, laut sein, sich freuen, lachen, hüpfen und springen - und uns unentspannten deutschen Eltern sollte das eigentlich weder peinlich sein noch Schweißsturzbäche hervorrufen. Aber irgendwie kann ich das nicht. Noch nicht. Aber ich versuche ehrlich, daran zu arbeiten. Und wenn wir alle, Eltern, Bankkerle, Kassiererinnen, Leute in Wartezimmern oder Menschenschlangen, Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln, speisende Menschen in Restaurants oder ruheliebende und unbekinderte Nachbarn zusammen daran arbeiten, dann werden wir vielleicht bald auch ein Land, in dem Kinderlachen den Alltag dominiert und nicht das ewige "Psssssssst" von unnötig gestressten Grummelmüttern wie mir. Wäre doch irgendwie schön, oder?

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