pssst… da will uns einer erschießen

Und los ging die Reise nach vier Wintermonaten aus Nelson heraus. Nach einem Luftcheck der Reifen und frisch aufgetankt, verabschiedete ich mich von Caro, die ich sehr sehr vermissen werde. Ihrer Beschreibung folgend kam ich gut von Stoke nach Nelson und auf den Highway, der Richtung Picton führt. Gleich nach dem letzten Kreisverkehr in Nelson standen am Rand zwei Backpacker-Jungs. Zuerst sah ich nur einen und war eh zu schnell unterwegs, um anzuhalten. Nach kurzem überlegen wendete ich und parkte auf einem Parkplatz in der Nähe der beiden. Ich hatte ja schon das starke Gefühl, dass sie deutsch waren und es bestätigte sich. Die Fahrt mit den Beiden ging schnell vorbei, weil wir uns gut unterhielten und die kurvigen Straßen mit den steilen Abhängen machten mir weniger aus, als wenn ich mich nur darauf konzentriert hätte. Ich fahre nämlich viel besser, wenn ich abgelenkt bin.

Nach tollen Buchten und steilen Hängen, die ich kaum sah, weil ich ja auf die Straße schaute, kamen wir nach gut zwei Stunden in Picton an. Viele schaffen den Weg wohl in 1,5 Stunden, aber das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Die Jungs überlegten, noch am gleichen Tag wieder zurück nach Wellington überzusetzen, wo sie ihren deutschen Zivildienst in einer Schule für behinderte Kinder ableisten, in der grad Schulferien sind, oder ob sie noch einen Tag in dem schönen Örtchen verbringen wollten. Als wir so vor dem Gebäude der Fähr-Firma standen und ich versuchte, die drei Jungs (Jere, Tim, Bob) zu erreichen, die jedoch auf ihrem Boot noch keinen Empfang hatten, sprach uns ein weiterer deutscher Backpacker an, der ziemlich verwirrt schien. Er erzählte uns, dass er gerade seine Freunde verlassen hätte, mit denen er eigentlich den großen Track laufen wollte und sie auf ihn angewiesen seien, weil er das Zelt habe, aber dass er keine Lust mehr auf sie hätte und heute noch nach Wellington übersetzen wollte, wo er vorgestern gerade her kam. Er fragte immer wieder die gleichen Sachen und nach ner Weile fragte ich ihn, ob er viel kiffe und er meinte, er habe versucht, es einzuschränken, aber das Freiheitsgefühl hier in Neuseeland… Ja und da habe ich dann aufgehört, seinen Gedanken zu folgen. Das kann allerdings nicht nur Gras gewesen sein, was der geraucht hat. Erst wollte er mit in die Stadt kommen etc., aber wir hingen ihn erfolgreich ab und parkten in der Hauptstraße der kleinen Ortes, um vor zum Strand zu laufen. Seid den zwei Einbrüchen fühle ich mich immer etwas komisch, unsere ganzen Sachen im auto zu lassen, aber ich dachte zurecht, dass an dieser Straße und mitten am Tag keiner einbrechen wird.

Die zwei Jungs und ich setzten uns noch ein wenig an die Strandpromenade, die wirklich wunderschön ist mit ihren Palmen und dem integrierten Spielplatz (bis auf die Kinder). Die Jungs schmissen erst mal ihren kleinen Campingkocher an und kochten sich vor der Kulisse ein kleines Süppchen. Ich dachte, dass Jere und die anderen zwei jeden Moment den Hafen erreichen müssten, aber ein paar SMS später erfuhr ich, dass Jere alleine kommen würde und dass es sich nur noch um Stunden handeln kann, weil das Boot an jedem Hafen anhalten würde. Ich quatschte also mit den zwei Jungs, während sie sich dazu entschieden, noch am gleichen Abend auf die Nordinsel überzusetzen. Ich wunder mich ja langsam echt, dass nicht jeder seinen Zivildienst hier ableistet. Gut, es gibt nicht viel „Taschengeld“, eher sehr lächerlich, aber dafür ist man hier in Neuseeland!

Beim Quatschen blickte ich immer wieder in den Fjord auf dem in der Ferne eine riesige Fähre heran kam. Erst durch das Schiff bekamen die Berge auf beiden Seiten eine eigene Dimension. Es sah schon fast so aus, wie ein Modellspielzeug, irgendwie unreal, wie diese große Fähre da hindurch fuhr. In der Bucht von Picton wendete sie dann um 180 Grad und fuhr rückwärts in den Hafen. Dann entdeckte ich noch an einem der nahe gelegenen in der Bucht festgemachten Boote eine große Fischflosse. Ich starrte auf den Punkt und tatsächlich kam ein Delphin aus dem Wasser. Kurz danach sah man ein schnauben und dann wieder eine Flosse. Später sah ich noch eine ganze Horde Delphine der Fähre folgen. Was für ein wunderbares Land mit vielen Überraschungen! Das vergisst man alles so schnell, wenn man an einem Ort für so lange Zeit arbeitet.

Schießlich rief mich Jere an, dass er wieder an Land sei und ich sah ihn gleich von meiner Position aus am Hafen stehen (wie gesagt, Picton ist nicht groß). Völlig fertig kam er schließlich zu uns und man sah ihm die Anstrengungen der letzten Tage echt an. Zerstochene Beine, schmerzende Gelenke, gut dass ich im Hostel ein Doppelbettzimmer reserviert hatte. Nach erfolgreicher Suche eines preiswerten Restaurants fuhren wir direkt zum Friedhof, denn dort, gegenüber des Hangs mit den Grabsteinen befindet sich das „Tombstone Backpackers“, ein modernes Hostel der oberen Kategorie, vor allem in der Bädergestaltung und Bettwäsche. Die Besitzerin dieses Hostels steht in engem Kontakt mit Anthony aus dem Bug-Hostel und sie war erfreut, das Gesicht hinter Anthonys Beschreibungen der Hostelführung von mir und Tessa kennen zu lernen.

Nach einer erholsamen Nacht machten wir uns über den Van her, luden um, bezogen das Bett und bereiteten alles so vor, dass wir die nächste Nacht das erste Mal in unserem Auto übernachten konnten. Weiter ging es nach Kaikoura, wo wir uns im iSite (landesweites Informationszentrum für Touristen, in nahezu jedem Dorf) über die Campingplätze der Umgebung informierten. Wir kauften noch kurz ein paar Lebensmittel und schon ging es auf den Campingplatz „Goosebay“ direkt am Meer, mit zwei Robben direkt vor der Tür. Das erste Mal in Neuseeland erlebte ich das Campinggefühl und es war ganz witzig, man fühlt sich so unabhängig und wie in Kindertagen, wenn man sich seine Hütte aus Holzbalken gebaut hat und dann darin einen selbstangemischten Brei aus Wasser, Mehl und den umliegenden Kräutern isst (ecklig, aber eine ganz eigene Erfahrung). Das Dosenessen war sehr viel besser als Mehlbrühe: indisches Butter-Chicken, Baguette, Käse und Salami.

Als es dunkel wurde, fielen uns auch schon fast die Augen zu. Ich hatte natürlich wieder jede Menge irrationale Ängste, wie: Wir kriegen nicht genug Luft und ersticken, weil kein Fenster auf ist (Mücken-Vorbeugung). Oder: da draußen schleicht sich einer an und will uns erschießen… Ja, ich hatte doch eigentlich eine behütete Kindheit! Das müssen die vielen schlimmen Filme sein, die ich gesehen habe. Zum Glück kam mir nicht der „Ein-Virus-breitet-sich-aus-und-die-Zombies-schleichen-sich-an“-Gedanke! Es war besser, als im Zelt in Irland (Agressive-Wölfe-schnuppern-neben-dem-Zelt-direkt-an-meinem-Kopf-Wahnvorstellungen), aber trotzdem habe ich kaum geschlafen. Das müssen wir noch üben!

Die Robben schliefen am nächsten Morgen immernoch auf ihren Steinen direkt vor dem Van am Wasser und für uns ging es zum Basiscamp des Zeltplatzes, die Straße etwas hinauf und auf der anderen Seite. Wir machten uns in den wirklich sehr sauberen Zeltplatzbädern frisch und weiter ging die Fahrt zu unserer nächsten Wwoofing-Stelle.

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