PS4 Review: Greedfall – Ein Rollenspiel, wie aus der guten, alten Zeit?

Cleverer Marketingtrick oder doch bloß eine Fußangel?

Klar, der TItel ist etwas provokativ, denn aus irgendeinem Grund hat sich das Marketing bei Greedfall dabei entschieden es als Spiel der alten BioWare-Schule zu bezeichnen. Zocker, die keine Fans des (ehemals) renomierten Studios sind, kennen eventuell nur die Fiaskos rund um Anthem und Mass Effect: Andromeda. Die waren super lahm, aber das war nicht immer so, denn mit überragend geschriebenen Charakteren und Geschichten hat BioWare einst Geheimtipps wie Jade Empire oder die Stammplätze auf jeder Top 10 RPG Liste Dragon Age: Origins und die Star Wars: Knights of the Old Republic-Reihe geschaffen, echte Rollenspielperlen, die erst durch Spiele wie The Witcher 3 und Divinity: Original Sin 2 erreichtwerden konnten. Und zu genau diesen Wurzeln wollen die Entwickler von Spiders zurück. Und da haben sich die Franzosen die Tellerchen ganz schön vollgepackt, denn mit ihren bisherigen Spielen The Technomancer und Bound by Flame haben die Entwickler gezeigt, dass sie zumindest interessantes Worldbuilding beherrschen, aber gerade technisch merkt man, dass man von den großen AAA-Titeln noch weit entfernt war. Letztendlich waren die Spiele dann gerade so durchschnittlich. Ob Greedfall erzählerisch mit den alten BioWare-Sachen mithalten kann oder doch nur technisch wie ein Klassiker rüberkommt?

Aufbruch in eine neue Welt

Greedfall spielt in einer eigenen Fantasywelt, die technologisch ungefähr der Kolonialzeit der Erde entspricht. Dadurch entsteht der äußerst stimmige und unverbrauchte Look, der durch Degen, Muskete und auffällige Hüte geprägt ist. Doch der Kontinent Gacane kommt nicht ohne seine eigenen Probleme aus.

Nachdem man sich als Spieler ein eigenes Alter Ego erstellt, schlüpft man in die Haut von De Sardet, der Spieler kann dabei frei zwischen verschiedenen Optionen wählen und sich auch für ein Geschlecht entscheiden. Dabei hat man recht viele Möglichkeiten, nur ein geheimnisvolles Mal im Gesicht ist nicht optional . Der junge Diplomat ist dabei schon von Anfang an in der Welt etabliert, denn statt des ausgelutschten Helden mit Amnesie zu spielen, ist man ein Adeliger und so reagiert die Welt auch auf den Spieler. Stimmig wird man von Stadtbewohnern als Exzellenz angesprochen und man kann mit seiner sozialen Position in vielen Dialogen ziemlich hoch pokern, aber dazu später mehr. Denn das blaue Blut De Sardet hilft nicht bei jedem Problem. Speziell nicht, bei der mysteriösen Krankheit Malichor, die das Reich befällt und ähnlich wie die Schwarze Pest vor keiner Gesellschaftsschicht halt macht.

Gleichzeitig wurde mit Teer Fradee vor wenigen Jahrein eine neue Insel entdeckt, die im Gegensatz zur modernen Städtelandschaft des Hauptkontinents steht. Die dort ansässigen Ureinwohner, die mit ihrem skandinavisch klingenden Sprechweise und Erscheinung an Druiden erinnern, ähneln dabei den Kontinentalbewohnern abgesehen von ihrer Kleidung stark, haben aber alle auch das Mal, dass De Sardet in seiner Heimat so besonders macht. Dieses Naturvolk ist aber nicht das einzig eigenartige auf der Insel, denn neben der Naturmagie des Urvolks gibt es auch neuartige Pflanzen und Tiere, die Monstern ähneln und von denen man sich eine Lösung für den Malichor erhofft. Wie gesagt gibt es bei Greedfall Magie, schließlich ist es eine Fantasywelt, die aber eher dem Genre der Low Fantasy zuzuordnen ist bei der es unterschiedliche Völker gibt, aber Zwerge, Elfen und Orks sucht man hier vergebens.

Aber was wäre man für ein Diplomat, wenn es nicht zahlreiche Fraktionen gäbe, zwischen denen man vermitteln muss? Und da tut sich Greedfall positiv hervor. Denn als Diplomat der Händlerkongregation ist man ein weitgehend neutraler Vermittler zwischen allen anderen Fraktionen. Und da ist für jedes Klichee ein Vertreter vorhanden. Neben den Ureinwohnern, deren einzelnen Stämme in der Regel bloß in Ruhe gelassen werden wollen gibt es auch einige Mächte des Kontinents. Die Brückenallianz versteht sich als Vertreter der Vernunft und Wissenschaft und liegt deshalb häufig im Clinch mit Thélème, religiösen Hardlinern, die mit ihrer Inquisition für die Missionierung der Insel sorgen wollen. Dazwischen liegen die Nauten, Hochseemagier, die vom Handel der anderen Fraktionen profitieren, indem sie für sichere Fahrten Sorgen, ähnlich wie die Groschengarde, die sich um die Sicherheit an Land kümmert. Natürlich haben alle diese Fraktionen auch ihre Kehrseite, denn Greedfall gibt sich sichtlich Mühe die Welt nicht nur in schwarz-weiß zu malen.

Alleine gibt es keine Party!

Biowares alte Spiele hatten zwar alle ganz gute Mainstorys, aber das, was die Spiele besonders gemacht hat, waren die Gefährten und ihre Geschichten und auch hier versucht Greedfall seinem Vorbild nachzueifern. Ganz trocken gesagt, spiegeln die Partymitglieder die Archetypen wieder, die man mit dem Skilltree ausbauen kann, bringen aber natürlich ihre eigene Geschichte mit und erscheinen so dann auch als vollwertige Personen mit eigenen Wünschen und Antrieben. Im Laufe der Geschichte trifft man auf fünf Partymitglieder, die ebenfalls die einzelnen Fraktionen repräsentieren und so für den Spieler erlebbarer machen. Wie auch schon bei Mass Effect und KOTOR muss man sich immer für zwei Mitstreiter entscheiden, die De Sardet begleiten. Wie auch den Maincharacter kann man die anderen Spielercharaktere nach belieben ausrüsten, hat aber auf ihre Skilltrees keinen Einfluss. Ebenso handeln die Mitstreiter in den Kämpfen selbstständig, wodurch sie eigentlich nur zu simplen Meatshields verkommen, die immer wieder die selben Kampfschreie ausstoßen. Toll gelungen sind dafür die Dialoge, die die Charaktere untereinander führen, denn die Spannungen zwischen den Fraktionen finden manchmal auch zwischen den Partymitgliedern statt, manchmal flirten sie aber auch nur miteinander. Flirten kann man übrigens auch selbst mit ihnen, in feinster Biowaremanier übrigens auch mit Mitgliedern des selben Geschlechts.

Leider sind die meisten der Companion-Quests zu konservativ. Richtige Geheimnisse oder schockierende Überraschungen hält eigentlich keiner der Charaktere bereit. Da bleibt das Spiel definitiv hinter seinen Erwartungen zurück.

Das Gameplay

Gespielt wird Greedfall ganz klassisch aus der 3rd Person-Perspektive. Dabei rennt man recht hölzern und mit leicht hakeliger Kamera durch Gebiete, die groß und offen aussehen, aber tatsächlich deutlich kleiner sind. Durch die gelungene Illusion von Weite fällt das aber positiv auf, denn in Greedfall wird man nicht mit einer unnötigen Open-World konfrontiert, so dass die Entwickler sich auf kleinere, dafür detailliertere Umgebungen konzentrieren können. Zumindest in der Theorie. Das Rollenspielsystem selbst folgt einem Levelsystem mit festgelegten Aufstiegsoptionen. So erhält man bei jedem Stufenaufstieg Fähigkeitspunkte, die kann man dann auf die verschiedenen Waffenklassen verteilen. Mit Schwertern, Schusswaffen, magischen Ringen und Fallen ist auch für fast jeden Wunsch gesorgt. Nicht bei jedem Stufenanstieg gibt es zusätlich Attributspunkte und Talente. Attribute sind im Prinzip die Mainstats, die in der Regel vorgeben welche Art von Waffen und Rüstungen man überhaupt ausrüsten kann. Daneben steigern sie auch Werte wie Lebensregeneration und Rüstungsdurchdringung. Am spannendsten und vermutlich deshalb auch am seltensten sind die Punkte für Talente. Hier gibt die Talente Charisma, Wissenschaft, Schlossknacken, Stärke, Handwerk und Intuition. Diese gewähren einem im Spiel Boni, so kann man sich mit Charisma aus vielen Kämpfen herausreden, mit Stärke über Umwege klettern oder über das Handwerk seine Ausrüstung verbessern. Dabei kann man die Talente oft in Dialogen, aber auch in der Umwelt benutzen, so dass die Auswahl der richtigen Talente auch eine große Auswirkung auf das Spielerlebnis hat. Aber zum Glück kann man sich die meisten Attribute auch über teure Upgrades auf der Rüstung dazumogeln.

Der Rest des Spiels ist eine Mischung aus Erkundung, Dialog und Kampf. Die Erkundung findet übrigens fußläufig statt, was bei manch einem Level für ganz schön lange Laufwege sorgen kann, die ein bisschen das Spielgefühl trüben. Es gibt zwar die Möglichkeit für Schnellreisen, die dafür gedachten Punkte liegen aber weit auseinander und sind oft auch an etwas abgelegen Orten. Unterwegs kann man auch fast überall glitzernde Kisten finden, die Loot enthalten, der am Anfang super praktisch ist. Aber nach bereits rund 8 Stunden Spielzeit lohnt es sich kaum dafür stehen zu bleiben, da der Loot in den Kisten und bei Gegnern ziemlich enttäuschend ist. Dafür lohnen sich die Reisen meistens rollenspieltechnisch, denn man wird üblicherweise mit Dialogen und XP belohnt, reine Fetch-Quests gibt es auch praktisch gar nicht, so dass jede Aufgabe zumindest einen Zweck hat. In diesen Dialogen hat man dann oft auch die Möglichkeit einen eigenen Twist einzubringen, oft unter Nutzung der Talente. Zwar kann man sich Gelegentlich auf die Seite einer Partei stellen, in der Regel hat man aber den Eindruck, dass der Hauptcharakter stets eine friedliche Lösung vorziehen will. Da es aber kein Gesinnungssystem gibt und man lediglich im Ruf der jeweiligen Parteien steigen oder fallen kann, ist der Spieler in seiner Wahl meist recht frei.

Aber man kann sich nicht aus jeder Situation freilabern, denn Greedfall ist auch ein Action-RPG und das funktioniert nicht ohne ein Kampfsystem. Und da liegt meiner Meinung nach Greedfalls größte Schwäche. Dabei sieht das zugrunde liegende System eigentlich ziemlich brauchbar aus. Man kann sich in Echtzeit frei bewegen, hat zwei Angriffstasten, eine für normale Schläge, eine für Angriffe, die den Gegner betäuben oder zu Boden werfen. Hat man seine Wutleiste aufgebaut, kann man auch mit stärkeren Angriffen zu hauen. Außerdem kann man zur Seite hüpfen und mit gut getimeten Paraden Schaden abwehen und auf den Gegner zurückwerfen. Da aber jeder Kampf grundsätzlich gleich abläuft und es auch nur eine handvoll Gegnertypen gibt, wird das schnell ziemlich langweilig, denn kein Kampf erfordert eine andere Taktik. Das führte soweit, dass ich mich dazu entschieden habe den Schwierigkeitsgrad komplett herabzusetzen, da die Kämpfe sich durch den höheren Schwierigkeitsgrad nur langgezogen fühlen. Ohne die Möglichkeit seinen Kameraden befehle zu geben oder ein weiteres Repertoire an Angriffen zu haben, ist der Kampf leider nur ein Krampf. Auch die extrem doofe KI trägt hier nichts zum Spielspaß bei.

Da hilft es auch nicht, dass es ein extrem rudimentäres Schleichsystem gibt. Die Gegner stehen nämlich relativ doof in der Gegen rum und man kann sich an sie heranschleichen um ihnen einen starken Überraschungsangriff zu verpassen. Das erinnerte ausgerechnet stark an Alpha Protocol, das Agentenschleichspiel, dass viel gut gemeint, aber wenig wirklich gut gemacht hat.

Abschließend dazu ist noch zu sagen, dass der Umfang bei Greedfall passt. Es erwarten den Spieler rund 30 Spielstunden. Das mag für RPGs nicht tierisch viel sein, aber ehrlich gesagt reicht es auch. Durch das manchmal etwas ins stocken geratende Pacing wäre mehr schlicht zu viel.

Technik wie bei den alten Bioware Games?

Optisch versucht der Artstyle alles, um die veraltete Technik zu retten und das gelingt ihm auch erstaunlich oft, denn das unverbrauchte Setting mit seinen extravaganten Hüten und langen Mänteln schafft einen ziemlich coolen und einzigartigen Look.

Und diese Ambivalenz zieht sich durch das ganze Spiel, so sind zwar die Gesichtsanimationen ziemlich steif, dafür sitzt die englische Sprachausgabe. Mit ihren unterschiedlichen Akzenten und überzeugenden Sprechern werden viele Mängel in der optischen Präsentation ausgebügelt. Ähnlich gelungen ist übrigens die deutsche Übersetzung, die Texte und Untertitel sind einwandfrei gelungen. Auf eine deutsche Synchronisation wurde allerdings komplett verzichtet.

Ähnlich zweischneidig ist auch die Welt. Es gibt wunderschöne Standbilder, die Kulissen sehen oft deutlich besser aus, als die Animationen es vermuten lassen. Gerade in den Städten kommt durch den Sound auch gute Atmosphäre auf, selbst wenn die Straßen und Gassen manchmal etwas leer erscheinen. Zumal die Menschen, die man in der Stadt trifft in der Regel einfach nur herumstehen und scheinbar nichts zu tun haben. Auffälliger ist das ganze dann in der Wildnis. Hier passiert über lange Strecken oft fast gar nichts, Gegnergruppen stehen auch einfach in der Gegend herum und warten förmlich nur darauf von der Spielergruppe platt gemacht zu werden. Das ist alles etwas vergebenes Potential.

Auf der anderen Hand ist das Spiel erfreulich bugfrei. Es gibt zwar hin und wieder Clippingfehler, aber das Spiel ist durchgehend flüssig, lädt auch auf der normalen Playstation 4 butterweich und flott und Abstürze oder störende Spielfehler habe ich in 30 Spielstunden keine erlebt.

Summary

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