"provinzieller Staatsanwalt" Teil 2

"Menschen, die miteinander Kaffee trinken und gemeinsam zu Mittag essen, pissen sich nicht gegenseitig ans Bein", lautete die kühne These einer Rechtsreferendarin, die sie im Jahre 2011 per E-Mail an ihren damaligen Ausbilder, einen Staatsanwalt, übersandte. Weitere mit gleicher E-Mail übersandte Bemerkungen zur Person ihres Ausbilders führten im Jahre 2013 zu einer Verurteilung wegen Beleidigung, die im Februar 2014 rechtskräftig wurde.
Die im August 2014 beantragte Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wurde der ehemaligen Rechtsreferendarin von der Rechtsanwaltskammer per Bescheid verwehrt, weil sie sich eines Verhaltens schuldig gemacht habe, das sie unwürdig erscheinen lasse, den Beruf einer Rechtsanwältin auszuüben. Ihre unprofessionellen Äußerungen und der respektlose Umgang mit anderen belege die Unfähigkeit, als Teil der Rechtspflege mit anderen, ggf. übergeordneten Organen, adäquat zu agieren und die Funktion der Rechtspflege sicherzustellen.
Der Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigte den Ablehnungsbescheid durch Urteil vom 30.10.2015 zum Az.: 1 AGH 25/15, lies die Berufung wegen des Mangels besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten gar nicht erst zu und auch der Bundesgerichtshof in Anwaltssachen sah in seinem Beschluss vom 27.06.2016 zum Az.: AnwZ (Brfg) 10/16 keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs, der widerspenstigen Volljuristin die Anwaltszulassung zu verwehren. Die sich stets auf ihre Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG berufende Antragstellerin hätte das Urteil nicht mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt, so dass die Nichtzulassung der Berufung und damit der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei.
Um das endgültige Ergebnis der Auseinandersetzung vorwegzunehmen: Die Käffchentrinker bei der Rechtsanwaltskammer, dem Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen und dem Anwaltssenat beim Bundesgerichtshof lagen falsch und die bis zum Bundesverfassungsgericht kämpfende Volljuristin hatte Recht. Die Versagung ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zwecks Ausübung des Berufs, für den sie die fachlichen Voraussetzungen hat und dessen Ausübung sie als Grundlage ihrer Lebensführung anstrebt, war ein schwerwiegender Eingriff in ihr Grundrecht auf die Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, der durch entgegenstehende Gemeinwohlbelange nicht gerechtfertigt werden konnte und sich damit als rechtswidrig erwies.
Die bei der Rechtsanwaltskammer mit Zulassungsfragen betrauten Fachgremien, der Senat des Anwaltsgerichtshofes in einer Besetzung von drei Rechtsanwälten und zwei Berufsrichtern und der Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof, besetzt mit der Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, der Richterin Roggenbuck, dem Richter Seiters nebst Rechtsanwalt Dr. Braeuer und Rechtsanwältin Merk, waren zwar in der Lage, den mahnenden Zeigefinger gegenüber der Antragstellerin mit Begriffen wie Berufsunwürdigkeit, Uneinsichtigkeit und mangelnder Reue zu erheben, nicht aber eine den Anforderungen der grundgesetzlich gewährten Berufsfreiheit genügende einzelfallbezogene Abwägung zu Gunsten der Bewerberin zu leisten.
Wenigstens hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 22.10.2017 zum Az.: 1 BvR 1822/16 belegt, dass die 1. Kammer des Ersten Senats keine Grundstudiumsvorlesung zur Vertiefung der Bedeutung der verfassungsmäßigen Rechte aus den Art. 1 – 19 des Grundgesetzes mehr braucht.399e16cb3e0f46acbcf4115bbc1a48ef

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