Es ist kalt geworden. Der Gatte feuert den Ofen an. Der Morgen beginnt fulminant mit einem in Rauchschwaden gehüllten Haus, fliehenden Katzen und irritierten Teenagern. „Wer macht denn hier Lagerfeuer?“Ich bin früh aufgewacht, noch vor dem Rauch, hab in Begleitlektüre zu Proust geblättert, ein paar Seiten Proust pur gefrühstückt, dazu warmer Cappucino und Käsetoast.
Gestern das Buch „Die Klarheit“ von Leslie Jamison ausgelesen. Bisher das Beste was ich 2018 gelesen habe. Alkohol ist Alltagsdroge Nummer eins, nicht nur in Amerika sondern insbesondere auch in Deutschland. Jamison stellt die Frage ob und inwieweit das Schreiben ohne bewusstseinsveränderende Substanzen möglich ist. Sie vollzieht damit eine Reise durch die Literaturgeschichte. In diesem Strom, habe ich mir auch „Das verlorene Wochenende von Jackson einverleibt und Tim Kruses“ Weder geschüttelt noch gerührt“. Kieler Autoren sind natürlich Pflichtlektüre und das Buch ist auch, abgesehen vom Lokalkolorit eine bereichernde Lektüre.
Der Gatte sagt, ich solle den Satz mit dem Feierabendwein am Freitag lieber wieder rausnehmen, man wüsste ja nicht wer den Blog liest. Hab ich dann auch, jetzt mach ich es wieder rückgängig, denn es handelt sich nicht um Komasaufen sondern um zwei Gläser Wein am Abend am Wochenende. Trotzdem hab ich den Konsum jetzt gänzlich eingestellt, allein um mir zu beweisen, dass ich auch in meinem Alter in der Lage bin Gewohnheiten zu verändern, außerdem ist es auch als Vorbildwirkung für die Teenager gedacht. Deutschland hat ein Alkoholproblem, Die Alkohollobby freut sich, wenn sich die auf Effektivität getrimmte Gesellschaft betäubt.
Proust:
Zurück zu Albertine. Eifersucht als Motivation sich ein anderes Ich anzueignen, Ein Ich dass sich unter völlig anderen Bedingungen, mit anderen Menschen, anderen biografischen Einschnitten gebildet hat, einer Vergangenheit von der wir ausgeschlossen bleiben. Wir können die Orte erkunden, bis ins Detail kennenlernen, wir können auf der Spur der oder des Geliebten wandeln, die Entschlüsselung wird immer unvollständig bleiben. Um so mehr man den Anderen erkundet, um so mehr wird das Geheimnis aufgelöst, verliert sich der Schleier des Besonderen. Ich bin der Meinung, das das besondere der Täuschung sich irgendwann verliert und dem Menschen Platz macht, den wir nun mit mehr oder weniger klarem Blick begegnen. Diesen Schritt macht Marcel bisher nicht. Die Täuschung der Verliebtheit setzt unweigerlich irgendwann ein, aber den Schritt zur Liebe geht er nicht.
Marcel tritt am frühen Morgen auf den Balkon um sich am morgendlichen Pariser Leben zu erfreuen, die Wäscherinnen, die Bäckerinnen, die Kinder mit ihren Müttern. Er erfreut sich nicht an Albertine, die für ihn nur dann interessant wird, wenn sie die Leidenschaft andere weckt.
Karla freut sich über das warme Brot am Morgen. Das Wochenende hat begonnen.