Promi-Protest sichert preiswerten Wohnraum

Die bayrische Landeshauptstadt tickt offensichtlich anders und die Stadtpolitik dort folgt ihren ganz eigenen Regeln. Anfang des Monats protestierten eine Reihe von Prominenten aus den Bereichen Medien, Kultur und Sport (u.a. Dieter Hildebrandt, Sportfreunde Stiller, Mehmet Scholl) gegen den geplanten Abriss eines der Stadt gehörenden Wohnhauses im Glockenbachviertel und ein paar Tage später weist der sozialdemokratische Oberbürgermeister die sofortige Renovierung der Wohnungen an und lässt der Erhalt des  Gebäudes prüfen.

Eine gute Zusammenfassung der Ereignisse bei tagesschau.de 

 

Auch die Süddeutsche hat den Protest in ihrer Berichterstattung breit aufgegriffen. Mit Schlagzeilen wie “Rappende Gorillas renovieren Abrisshaus” und “Gorillas inspirieren OB Ude” wurde sowohl die Veröffentlichung des Videos als auch die Reaktion des Oberbürgermeisters medial begleitet.

Noch mal zum Mitschreiben: Als Affen verkleidete Prominente renovieren eine zum Abriss vorgesehene Wohnung und der Oberbürgermeister beugt sich dem Druck und weist die Verwaltung zum Erhalt des Hauses an. Wow! Eine wirklich witzige Interventionsform mit unmittelbarer Erfolgswirkung. Ehe sich jetzt alle anderen Mieterinitiativen und Stadtteilgruppen fragen, was sie bisher falsch gemacht haben, der Versuch einer Einordnung.

 

Was zunächst klingt wie das Wunder von München, kann erklärt werden:

München: Promi-Protest sichert preiswerten Wohnraum

Annonce der Goldgrund Immobilien bei Immocout24 (Bild via immobilienblogger.de)

1. Kontinuität: Die Affenbande von Hildebrandt, Scholl und Co. tauchen nicht plötzlich aus dem Nichts heraus auf, sondern sind Produkt einer Reihe von satirisch-politischen Interventionen, die seit Mai 2012 unter dem Pseudonym Goldgrund Immobilien die Kapriolen der Immobilienverwertung in München paradiert haben.  Mit eigenem Büro, eigener Webseite und professionell gestalteten Werbeflyern hat die Gruppe mit den Instrumenten der Kommunikationsguerilla recht erfolgreich die öffentliche Diskussion um den Mietenwahnsinn in München angestachelt.

 

 

2. Legitimität: Die hohen Mieten betreffen in München mittlerweile breite Schichten der Bevölkerung und selbst Doppelverdiener-Haushalte mit normalen Einkommen haben es schwer, eine angemessenen Wohnung in der Stadt zufinden. Diese Situation hat die Wohnungsfrage in die Mitte der Gesellschaft getragen und schränkt die sonst üblichen Delegitimierungsstrategien der Marginalisierung des Protestes (“Es gibt kein Recht auf Wohnen in der Innenstadt” etc.) ein.

3. Zeitpunkt: Es ist Wahlkampf und Christian Ude (SPD) ist der Spitzenkandidat zur Landtagswahl. Die sozialen und wohnungspolitischen Verkündungen sollen dabei mit sichtbaren, kurzfristig umsetzbaren und hochsymbolischen  Handlungen verknüpft werden. Währen die Politik sich in Hamburg und Berlin eher mit Versprechen zukünftiger Entwicklungen (Stadtentwicklungsplan Wohnen, Mietenbündnisse, Wohnungsbauprogramme, Zielzahlen für  Neubauvorhaben etc.) zu profilieren sucht, setzt die bayrische SPD auf die Simulation einer wohnungspolitische Handlungsfähigkeit.

4. Realisierbarkeit: Ein weiterer Grund für den Erfolg der Intervention liegt sicherlich in der beschränkten Reichweite der Forderung (Renovierung leerstehende Wohnungen) und der Auswahl eines Hauses im kommunalem Eigentum. Anders als Konflikte mit privaten Investoren obliegt die Entscheidungskompetenz im Fall der Müllerstraße 6 unmittelbar lokalpolitischen Akteuren. Auch der zur Rede stehende Mitteleinsatz (3.000 Euro je Wohnung) ist sicher für die Münchener Stadtkasse unproblematisch  zu mobilisieren.

5. Promifaktor: Die breite Unterstützung durch prominente Gesichter der Münchener Stadtgesellschaft verstärkt die Popularität der Forderungen und sichert eine hohe mediale Präsenz.

All diesen Faktoren haben zum Erfolg in der Müllerstraße 6 in München beigetragen und verweisen zugleich auf seine Grenzen. Denn ein Bruch mit der Immobilienverwertung in den Städten wird mit schnell und billig umsetzbaren Einzelmaßnahmen in kommunalen Liegenschaften nicht vollzogen. Mut machen sollte aber allemal das in der Aktion aufblitzende Potential der Selbstermächtigung. Strategien der Aneignung und des Selbst-in-die Hände-Nehmens bieten ganz sicher über München hinausweisende Antworten auf die Wohnungsfrage.

 


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