Projekt 'Stuttgart 21'. - Da verstehe ich nur noch Bahnhof!

Von Peter Broell
Ladies & Gentlemen,
das in Bau befindliche Bahnprojekt mit dem Namen "Stuttgart 21" erhitzt derzeit die Gemüter. In Stuttgart wird demonstriert gegen den Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs und die geplante Neuordnung des Eisenbahnknotens.

Aus dem derzeitigen Stuttgarter Kopfbahnhof soll ein unterirdischer Durchgangsbahnhof werden. Das wird die Fahrzeit für Reisende enorm verkürzen. Außerdem wird dadurch viel Energie gespart. Und zwar nicht nur kurzfristig, sondern es werden noch in Jahrhunderten die Menschen von dieser mutigen Baumaßnahme profitieren.
Bei einem Kopfbahnhof muss bekanntlich die Lokomotive eines jeden einfahrenden Zuges nach dessen Stillstand erst einmal abgehängt werden. Dann muss eine zweite Lokomotive, die sich inzwischen wartend auf einem anderen Gleis befindet, heran rollen und am anderen Ende des Zuges angehängt werden. Erst dann kann die Fahrt in umgekehrter Richtung fortgesetzt werden. Diese zeitraubende und kostenintensive Prozedur muss im Jahr rund 500.000 mal durchgeführt werden. In 10 Jahren sind das 5 Millionen Aktionen und in 100 Jahren...
Weitere Vorteile: Das Verkehrsinfrastruktur-Projekt wird viele Arbeitsplätze in allen Bereichen schaffen. Die ohnehin enge Stuttgarter Innenstadt wird von hässlichen Bahngleisen befreit. Somit wird sehr viel neuer Raum für hochwertige städtebauliche Infrastruktur entstehen, wie: Wohnungen, Gewerbe, Dienstleistung und Kultur. Die Bürger der Stadt sind dabei eindeutig die Gewinner. - Wer allerdings meint, dass das stetige Dröhnen oberirdisch einfahrender Züge einen Lustgewinn bringt und dass es schön ist, wenn eine Innenstadt durch 16 Gleise in zwei Teile zerrissen wird, der mag weiterhin protestieren. - Verstehen kann ich das nicht.
Die Argumente der Demonstranten sind an den Haaren herbeigezogen: So wird auch das unsinnigste Argument noch herangezogen, um das wichtige und nützliche Projekt irgendwie zu Fall zu bringen. Da heißt es, dass Regenwürmer, Lurche und Ratten womöglich Schaden leiden. Da heißt es, dass Bäume gefällt werden müssen. Da heißt es, dass das Projekt Schmutz und Lärm verursachen wird. Und dass es viel zu teuer sei.
Es ist richtig: Das riesige Bauprojekt wird bis zu dessen Fertigstellung für viele Stuttgarter Tag für Tag eine nervige Belastung werden. Das ist nicht zu vermeiden. - Das Projekt wird erfahrungsgemäß auch viel mehr kosten, als es anfangs kalkuliert worden war. Das kennt man ja nicht anders. Aber die Stuttgarter werden ihren neuen Bahnhof jedenfalls nicht aus eigener Tasche zahlen müssen. Und der Staat wird auf seine 1.900 Milliarden Euro Schulden, die er bereits hat, einfach noch einige Milliarden Euro im einstelligen Bereich draufpacken. Wer kennt das nicht zur Genüge?
Protestiert wird in Deutschland immer und überall buchstäblich gegen jedes größere Projekt. Ich erinnere mich noch gut an das wahnwitzige Szenario der Hüttendörfer (einschließlich Hüttenkirche) im Frankfurter Stadtwald. Dort hatten Demonstranten jahrelang tausenden Polizisten wilde Indianergefechte geliefert. Es wurde damals gegen den Neubau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens protestiert. - Heute freuen sich diese ehemaligen Demonstranten, dass die Abfertigung am Frankfurter Flughafen zügig verläuft und dass ihre Kinder gut bezahlte Jobs am Flughafen haben. Würde man diesen ehemaligen Berufsdemonstranten (samt Hüttenpfarrer) heute mitteilen, dass die Startbahn West wieder abgebaut werden soll, würden sie zusammen mit ihren erwachsenen Kindern diesmal nicht auf Bäume klettern, sondern sich vermutlich zu einer Menschenkette zusammenschließen und sich aus Protest, - den eigenen Tod nicht fürchtend -, quer auf die Startbahn legen.
Verständnis bringe ich allerdings jenen Stuttgarter Demonstranten entgegen, die heute zum Beispiel einen Laden in Bahnhofsnähe betreiben und nun mit Recht befürchten müssen, dass aufgrund der jahrelangen Bauarbeiten ihr Geschäft gravierende Umsatzeinbußen erleiden wird. Hier geht es klar um die Existenz! Ich bin der Meinung, dass diese Personen zu entschädigen sind. --- Peter Broell